2. Mai 2024

GroKo: Europa gewinnt

Wie es deutscher Kritiklust entspricht, wird derzeit am Sondierungsergebnis für eine Neuauflage der so genannten „Großen“ Koalition viel herumgenörgelt. Gründe gibt es genug, für viele CDU-Wähler etwa das Ausbleiben von Steuersenkungen trotz maximalen staatlichen Steueraufkommens. Aber das Papier enthält tatsächlich vieles von dem, was in der Präambel versprochen wird, nämlich eine „entschlossene“ Lösung der „großen Fragen unserer Zeit.“

Aufsehen erregend ist und unbedingt richtig ist, dass an erster Stelle die Absicht für „einen neuen europapolitischen Aufbruch“ steht. Er ist auch dringend notwendig. Denn politische Ereignisse wie der Austritt Großbritanniens und auch Entscheidungen wie jene der Flüchtlingskrise haben das Vertrauen der EU-Bürger in die gemeinsame Handlungsfähigkeit der EU ausgehöhlt und die übernationale Zusammenarbeit geschwächt.

Dabei ist nichts notwendiger als ein Ausbau der Zuständigkeiten der Europäischen Kommission bei gleichzeitiger Stärkung der Kontrolle durch das Europäische Parlament. Die Welt und unsere Konkurrenten warten nicht auf ein einheitliches europäisches Handeln, sondern lassen diesen Kontinent rasch zum Opfer werden: Im weltweiten Austausch von Waren, Informationen und Menschen, bei der digitalen Revolution, bei der neuen weltweiten Sicherheitsstruktur und der Verteilung von Einflusssphären. Da steht für Europa mehr auf dem Spiel als „nur“ technologischer Vorsprung oder Arbeitsplätze. Vielmehr geht es ganz besonders auch um die Zukunft unseres Lebensstils: einer freien Demokratie, die humanitäre Grundsätze in den Verfassungsrang erhoben hat. Das ist in autokratischen oder gar theokratischen Staaten nicht gerne gesehen, wir müssen also wehrhaft sein.

Schon bisher war die Europäische Union viel besser als der Ruf, der ihr von überzeugungsschwachen nationalen Politikern, von Nationalisten und Separatisten angehängt wurde. Sie hat durch ihre Kooperationsidee den Frieden in Europa gesichert, hat uns ein europäisches Lebensgefühl gegeben, sie hat in den Wirtschafts- und Finanzkrisen der letzten Jahrzehnte im entscheidenden Moment doch immer Handlungsstärke bewiesen – als EU oder als etwas kleinerer Euro-Währungsraum. Dass diese zwei Ebenen auseinanderfallen, ist einer der Konstruktionsfehler Europas.

Das Koalitionspapier zwischen SPD und Union dokumentiert nun das Bemühen, hier Einheitlichkeit herzustellen, jenseits gemeinsamer Wirtschafts- und Sozialpolitik auch in der Währungspolitik. Nicht eine weitere Verselbständigung des Euro-Regimes durch einen dort angesiedelten eigenen Haushalt und einen „Finanzminister“ sind zielführend, sondern ein durch einen parlamentarisch kontrollierten Europäischen Währungsfonds, der die Eurozone stärken, stabilisieren und reformieren wird und damit auch die EU insgesamt. Diese neue Autonomie, die uns vom Internationalen Währungsfonds weitgehend löst, kann auch für die EU-Mitglieder, die jetzt noch außen vor stehen, den Euro als Währung reizvoller machen. Sie lässt zudem die politische Rendite, die aus der Europäischen Union für alle Beteiligten erwächst, sichtbarer werden. Und sie zeigt, dass Brexit und Flüchtlingskrise nicht Ausgangspunkt für die weitere Zerstörung der europäischen Idee sind, sondern ihre Stärkung bewirken.

Volksentscheide – bitte nicht!

Unter den Arbeitsgruppen, die zur Formung einer möglichen Großen Koalition gegenwärtig tätig sind, erregt eine keine besondere mediale Aufmerksamkeit. Sie trägt das Etikett „Bürgerbeteiligung/Stärkung der Demokratie“, und soll die Stichworte „Volksinitiative, Volksbefragung, Volksentscheid“ abarbeiten, dann auch noch die „Arbeitsweise des Parlaments“.

Für den, dem unsere Demokratie am Herzen liegt, läuten da Alarmglocken. Volksentscheide? Davon kann man, nach allen Erfahrungen, nur dringend abraten und hoffen, dass sich die CDU und ihr Verhandlungsführer Michael Grosse-Brömer auf keinerlei bundesweite Experimente einlassen, nachdem SPD und auch die CSU hier in manchen Bundesländern und auch in Bayern schon weich geworden sind.

Denn Volksentscheide sind nichts anderes als eine Schwächung der repräsentativen Demokratie, des Abgeordnetenmandats und des Parlaments. Sie verkürzen komplizierte, normalerweise parlamentarisch zu klärende Sachverhalte auf (zu) einfache Entscheidungs-Alternativen. Auf diese Weise geraten solche Entscheidungen
in den Sog starker Emotionalisierung, mit der die vor solchen Plebisziten stattfindenden Kampagnen regelmäßig ausgestattet sind.

Wer aber hat Zeit, solche Kampagnen zu veranstalten und diese Emotionalisierungen ins Land zu tragen? Es sind Aktivisten mit Zeit, staatlich subventionierte Mitglieder von Nicht-Regierungs-Organisationen, Pensionäre, Staatsbedienstete. Die arbeitende Bevölkerung nimmt stark unterrepräsentiert sowohl an Wahlkampf wie an Abstimmung teil. Auf diese Weise wird eine asymmetrische Demokratie erzeugt, die dem Gleichheitsgedanken von Demokratie direkt widerspricht.

Volksabstimmungen sind auch feige. Zum einen können sich gewählte Abgeordnete dann ihrer beruflich eigentlich geforderten Gewissensentscheidung entziehen, für die wir sie gewählt haben und die die Substanz des Abgeordnetenmandats auch ausmacht. Bei Volksabstimmungen aber verstecken sie sich hinter „dem Volk“. Zum anderen aber gibt es keine Möglichkeit der Verantwortungs-Zuweisung mehr für die Folgen solcher Entscheidungen. „Das Volk“ ist, wenn die oft katastrophalen Folgen sichtbar sind (etwa beim „Brexit“), verschwunden. Wären eine ordentliche parlamentarische Debatte und Entscheidung vorausgegangen, dann stünden die Abgeordnete und ihre Parteien für die Folgen mit ihrem Namen ein.

Die problematischen Folgen solcher emotionaler Volksabstimmungen sind überall zu besichtigen: In Hamburg beim teuren Netzrückkauf oder bei der Ablehnung der Olympischen Spiele dort, in der Schweiz bei der rassistischen Ausländergesetzgebung, in Großbritannien beim Austritt aus der Europäischen Union – um nur einige Beispiele zu nennen.

Nein, Volksentscheide sind keine „Stärkung der Demokratie“, sie schwächen sie vielmehr. Darauf darf sich kein Abgeordneter mit Selbstbewusstsein einlassen.

Hamburgs Senat und die „Rote Flora“

Rote Flora – das heißt so viel wie: Rote Pflanzen. Davon hat sich Hamburgs Senat im Hamburger Schanzenviertel reichlich herangezogen. Das dortige, ebenso benannte Versammlungshaus, das beim G 20-Gipfel international berühmt wurde, gehört mittelbar der Stadt Hamburg, die es (über eine zwischengeschaltete stadteigene Stiftung) an die linke „autonome“ Szene vermietet hat. Zuletzt hat der Senat als Vermieter sein Haus im Jahr 2015 inspizieren lassen, aber nur kurz, von der Feuerwehr, die dort eine „Brandverhütungsschau“ durchführte. Ansonsten, so ergab jetzt eine parlamentarische Anfrage an den Senat, weiß die Behörde wenig über das von ihr vermietete Objekt: Weder zu den Inhalten noch zur Anmeldepflicht dortiger Veranstaltungen, zum Zustand der Sanitäranlagen, zur Zahl der Besucher, und zu anderen Punkten mehr.

Was die Stadt über ihre Mieter aber weiß, hätte andere Vermieter längst einen Schlussstrich ziehen lassen. Der Senat sagt selbst: „Der überwiegende Teil der Nutzer des Gebäudes gehört der autonomen Szene an, die vom Landesamt für Verfassungsschutz als gewaltorientiert eingestuft wird.“ Sie weiß auch, dass die Rote Flora „weit über Hamburg hinaus bis ins europäische Ausland eine große Bedeutung insbesondere für die gewaltorientierte linksextremistische Szene“ hat und „in der vom Flora-Umfeld herausgegebenen Zeitschrift Zeck … auch regelmäßig Selbstbezichtigungsschreiben zu politisch motivierten Straftaten veröffentlicht“ werden. Auch bestätigt der Senat, dass im von ihm vermieteten Haus „im Vorwege fünf Vollversammlungen gegen den G 20-Gipfel“ stattfanden, die auch „den geplanten Widerstandsaktivitäten“ gedient hätten. Zudem notiert der Senat, dass darüber hinaus von Anfang 2018 bis Mitte 2017 124 Polizeieinsätze in der „Roten Flora“ notwendig waren.

Es ist das eine, dass dem Hamburger Senat beim G 20-Gipfel in Hamburg das Gewaltmonopol des Staates aus der Hand glitt und die Polizei kläglich versagte. Das andere ist freilich, dass unverändert nichts geschieht, dass dieser Hort der Gewalt nicht angetastet wird, dass die Stadt Hamburg ihre eigenen Immobilien zur Verfügung stellt für eine gewaltbereite und gewalttätige „Linksautonomie“ – als gäbe es in einem demokratischen Staat das Recht, sich außerhalb der staatlichen Gesetze ein Gebiet eigener Regeln zu schaffen und den Rest mit Gewalt zu bekämpfen.

Schlimmer noch: Für die Linksradikalen zahlt die Stadt auch noch eine Menge Geld. Die stadteigene Stiftung erhält für ihren Verwaltungsaufwand 24 000 Euro pro Jahr, und obendrein trägt die Stadt die Betriebskosten für das linksradikale Gemäuer in Höhe von 30 000 Euro jährlich. Der Staat nährt auf diese Weise seine eigenen Feinde.

Das alles ist ein fortwährender Skandal, der vom Regierenden Bürgermeister Olaf Scholz persönlich verantwortet wird. Rechtsstaatlich ist nichts anderes geboten, als die Rote Flora sofort zu schließen und abzureißen. Die Proteste dagegen wird man aushalten müssen, sie werden verebben. Auch Linksradikale werden älter.

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