19. März 2024

Ein neues Streikrecht muss her

Der ewige Streik bei der Lufthansa nervt. Die Kapitäne der Lufthansa, die ihr Unternehmen gegenwärtig zerstören, gehören zu den bestbezahlten Angestellten der Republik. Nach der zweijährigen Flugschule steigen die jungen Flugoffiziere mit Gehältern zwischen 55 000 und 77 000 Euro ein, in der Endstufe bekommen die Kapitäne bis zu 225 000 Euro. Man kann sagen: Eine sehr gute Bezahlung für einen verantwortungsvollen Job. Auch die Flugbegleiter der Lufthansa verdienen nicht schlecht. Schon beim Einstieg gibt es 1942 €, die Gehaltsleiter endet derzeit bei 7150 €, jeweils plus Spesen. Wer schon mit 55 in Frührente will, bekommt bereits 60 Prozent des letzten Bruttogehalts, je später der Ruhestand, umso mehr. Solche Pensionslasten kann die Lufthansa in Zeiten weltweiten Wettbewerbs samt drastischem Preisverfall und verschwundener Zinsen nicht weiter tragen. Sie muss hier die Notbremse ziehen.

Man kann menschlich nachempfinden, dass die Piloten ihre Pfründe verteidigen. Frech ist allerdings die Forderung nach einem Aufschlag um 20 Prozent. Die Lufthansa hat ihnen Gehaltssteigerungen angeboten, will von einer Umstrukturierung der Alterslasten aber nicht lassen. Auch dieser Konflikt ließe sich schlichten, wenn es der Gewerkschaft nicht tatsächlich um mehr ginge: Sie lehnt die Umstrukturierung der Lufthansa-Gruppe ab. Das aber darf nicht Gegenstand von Tarifverhandlungen sein, das haben die Arbeitsgerichte den Piloten schon vor Jahresfrist ins Stammbuch geschrieben.

Gewerkschaftschefs nicht als Tarif-, sondern als Konzernpolitiker – solche Anmaßung ist nicht hinnehmbar. Sie ist eine Zumutung für die täglich nach Hunderttausenden zählenden Kunden der Lufthansa. Sie ist eine Zumutung für die anderen Mitarbeiter der Lufthansa, deren Arbeitsplatz von den Piloten gefährdet wird. Sie ist eine Zumutung für den Aufsichtsrat des Unternehmens, in dem schließlich Arbeitnehmervertreter sitzen. Sie ist eine Zumutung für den weltweit vernetzten Standort Deutschland, der auf verlässliche Verkehrs-Infrastruktur angewiesen ist und auch eine eigene, weltweite Fluglinie braucht.

Was ist die Lehre aus den von Egomanen angeführten Streiks bei der Lufthansa und solchen, wie wir sie auch von der Bahn kennen? Deutschland braucht ein anderes Streikrecht, wie es beispielsweise auch die Vereinigten Staaten haben. Es belegt im „Railway Labor Act“ das Verkehrswesen mit besonderen Streikregeln, die den Streikausbruch durch Präsidentendirektive verzögern, den Streikumfang beschränken und eine faire Einigung durch Zwangsschlichtung herbeiführen können. Der Sinn ist klar: Es geht darum, die überlebenswichtigen Strukturen eines Landes vor der Blockade zu schützen.

Diese Aufgabe zählt zu den wirklich wichtigen Gesetzen, die sich diese Große Koalition längst hätte vornehmen sollen. Sie handelt damit nicht im Sinne eines einzelnen Unternehmens, sondern aller Menschen und Arbeitnehmer in Deutschland, die von einer funktionsfähigen Infrastruktur abhängig sind.

Merkel will wieder

Die erneute Bewerbung Angela Merkels um CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur kommt nicht wirklich überraschend. Die Begründung dafür liegt nicht so sehr im angeblich alternativlosen Personaltableau der Union. Kandidaten werden von den Medien gemacht, sind sie einmal benannt, gewinnen sie rasch an Prominenz und Profil, und man wird sich fragen, warum man auf sie nicht schon früher gekommen ist. So war es auch bei Merkels Aufstieg nach dem Ende der Kohl-Ära.

Die Kandidatur Merkels für 2017 drängt sich auch nicht aus Gründen eines übergroßen politischen Erfolges auf. Europa fällt auseinander, der Grund dafür liegt auch in der sympathischen, aber mit Volk und Nachbarn nicht ausreichend abgestimmten Flüchtlingspolitik Frau Merkels des vergangenen Jahres. Die deutsche Volkswirtschaft ist zwar in Top-Form, aber dafür ist nicht vorrangig die Politik der Bundesregierung verantwortlich, die die hohen Mehreinnahmen nicht für vorbeugende Reformen und dringend fällige Steuersenkungen nutzt, sondern weiter in eine Sozialpolitik zu Lasten künftiger Generationen investiert. Auch die Energiewende ist noch kein Plus in der Regierungsbilanz: Sie ist unverändert unausgegoren, hat zu erheblichen Kostensteigerungen und Unternehmensgefährdungen geführt und ist ein Projekt mit ungewissem Ausgang.

Was also spricht für eine weitere Amtszeit Angela Merkels? Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe. Der eine liegt im prekären Zustand der Europäischen Union. Großbritannien will die EU verlassen, Frankreichs politische Zukunft ist unsicher, in Ungarn, Polen und Österreich regiert der Euro-Skeptizismus. Italien, Griechenland, Spanien und Portugal sind leicht zu erschütternden politischen Strukturen und hohen finanzpolitischen Risiken ausgesetzt, auf sie kann man nicht bauen. Kurz: Die Europäische Union bedarf der Neubegründung und des Neuaufbaus, was ohne Deutschland als Stabilitätsanker und immense europapolitische Erfahrung nicht gehen wird – Angela Merkel verfügt darüber.

Der zweite Grund ist die Neuordnung der Welt, die nach dem mit einem schäbigen, niedere Instinkte ansprechenden Wahlkampf und Wahlsieg von Donald Trump offenbar ansteht. Mag Trump Frau Merkel auch für verrückt erklärt haben – sie ist im transatlantischen Verhältnis gerade jetzt unverzichtbar. Die Herausforderungen, denen sich die Europäische Union außen- wie sicherheitspolitisch durch die angekündigte Trump´sche Politik ausgesetzt sehen wird, müssen in neue Kohäsionskräfte für die EU umgemünzt werden. Das kann man gegenwärtig am ehesten Angela Merkel zutrauen.

Für die CDU freilich ist die wohl letztmalige Kandidatur Merkels das Signal, sich personalpolitisch und vor allem programmatisch für den kommenden Wahlkampf und für die Zeit nach Merkel aufzurüsten. Mit einer Fortsetzung ihrer gegenwärtigen sozialliberalen ausgabefreudigen Politik, die bisherige Stammwähler vor allem des steuerlich besonders belasteten Mittelstandes vertreibt, würde die CDU jedenfalls ihre Machtoptionen weiter mindern.

(veröffentlicht im Kommentarsyndikat Pressekorrespondenz)

Volksentscheide sind undemokratisch

Das mit dem Brexit hat Horst Seehofer gefallen. Zwar nicht dem Ergebnis nach, aber das Widerständige eines Volksentscheides, das Dagegensein aus Prinzip und zur Profilschärfung – das ist Sache der CSU schon lange gewesen. Sie liebt es, dem Volk aufs Maul zu schauen und ihm anschließend nach dem Munde zu reden – koste es an Vernunft, was es wolle.

So hat sich die CSU auch jetzt für Volksentscheide ausgesprochen. Zwei Drittel der CSU-Mitglieder haben in einer Umfrage dafür gestimmt, heißt es, und deshalb findet sich die Forderung auch im neuen CSU-Grundsatzprogramm. „Bürgerbeteiligung ist der Kern moderner Politik“, so hat Horst Seehofer das formuliert, und diese Behauptung ist im Allgemeinen genau so richtig wie sie im Zusammenhang mit Plebisziten falsch ist. Moderne Politik ist das nämlich nicht, und es ist auch, entgegen dem ersten Anschein, das Gegenteil von Demokratie. Dafür sprechen viele Gründe.

Plebiszite entkernen die repräsentative Demokratie und entmachten die gewählten Politiker. Die haben wir ins Amt gebracht, damit sie sich mit den meist komplizierten Problemen im Detail auseinandersetzen, darüber dann entlang der grundsätzlichen Leitlinien ihrer Parteiprogramme (die wir vorher kannten) entscheiden und uns hinterher Rechenschaft ablegen. Plebiszite aber haben – die Liste der Beispiele ist ellenlang – mit Detailkenntnis oder auch nur der Bemühung darum gar nichts zu tun.

Im Gegenteil: Sachargumente sind der Feind von Plebisziten. Vielmehr geht es hier darum, die Menschen mit hoher Emotionalität auf die eine oder andere Seite zu ziehen. Die oppositionelle Haltung hat hier immer einen Charme und findet bei den Medien besonderes Gehör, wer gegen etwas ist, beweist ein für ihn kostenfreies Rebellentum, er kann es „denen da oben“ einmal zeigen, ohne Haftung. Also werden in Hamburg Olympische Spiele gekippt, die eine Großchance für die Entwicklung der Stadt gewesen wären; also tritt Großbritannien mal eben aus der Europäischen Union aus, und niemand will nun die Zeche zahlen. Politiker, die entschieden haben, kann man zur Rechenschaft ziehen. Ein ganzes Volk, das mit fragwürdigen Wahlbeteiligungen und Mehrheiten abstimmt, hingegen nicht.

Wenn nur noch Stimmungen regieren – man könnte sich davor nicht viel genug fürchten. Aus diesem Stoff sind Revolutionen gemacht, immer geht es dann ums Ganze und Grundsätzliche, Feindschaften werden gepredigt und – man muss nicht weit schauen – die Gegner in die Gefängnisse geworfen oder gleich umgebracht. Wollen wir uns weiter auf diesen Weg begeben? Die Väter unserer Demokratie haben seit Aristoteles auf eine vernünftige und verantwortungsvolle Mischform gesetzt, die heute unser System prägt. Das sollten wir stärken, nicht die dumpfe Macht der Straße.

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