25. April 2024

Facebook sponsort die TU München

Facebook hat der Technischen Universität München eben ein neues Forschungsinstitut geschenkt: Für 6,5 Millionen Euro sollen dort künftig ethische Grundsätze bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz erforscht werden. Die TU München bringt dafür beste Voraussetzungen mit. Zum einen basiert das Lehrkonzept dort bereits jetzt auf einem „Human Centered Engineering“, also der Einbeziehung von Philosophie, Ethik, Soziologie und Politikwissenschaft in den Lehrplan künftiger Ingenieure. Das ist in einer technisch-wissenschaftlichen Zukunft, die den Menschen Gott spielen lässt, von größter Bedeutung. Zum anderen verfügt die TU bereits seit 2012 über das „Munich Center for Technology in Society“, das Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft verstehen und gestalten will. Dazu passt das Facebook-Institut bestens. Es wird, wie der TU-Wirtschaftsethiker Peter Löscher das formuliert hat, „Leitlinien liefern für die Identifikation und Beantwortung ethischer Fragen der Künstlichen Intelligenz für Gesellschaft, Industrie und Gesetzgeber.“

Natürlich kommen rasch alle Bedenkenträger auf den Plan: Hat sich die TU München nicht ihre wissenschaftliche Unabhängigkeit von Facebook abkaufen lassen? Nein, hat sie nicht. Facebook hat an diese Mittel keinerlei Bedingungen geknüpft, sondern möchte von den frei formulierten Forschungsfragen bzw. -ergebnissen profitieren,, die für jedermann veröffentlicht werden. Das ist völlig legitim.

Der Vorgang verweist auf die Drittmittel insgesamt. Deren Anteil an der Finanzierung deutscher Hochschulen steigt kontinuierlich und beträgt mittlerweile fast ein Viertel des gesamten Etats (medizinische Institutionen herausgerechnet). Größter Drittmittelgeber ist dabei nicht die deutsche Wirtschaft, wie man allgemein vermutet. Vielmehr ist das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), also der Staat, der in seinen verschiedenen Gliederungen ebenfalls Erkenntnisinteressen hat: Etwa in der Sozialwissenschaft, aber auch im Verteidigungsbereich oder den Naturwissenschaften .

Immer aber geht es um die Gewährleistung von Forschungsfreiheit, also um die „Förderung einer autonomen, erkenntnisgeleiteten Forschung, die frei ist von direkten politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Problemvorgaben und die sich allein aus der Eigenlogik wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse speist.“ Schöner als die Generalsekretärin der DFG kann man das nicht formulieren, und die reichlich vorhandenen wissenschaftlichen Verhaltenskodizes sichern diese Freiheit bei uns ab.

Wenn Industrie und Staat von solcher Auftragsforschung profitieren, so ist das kein Verbrechen, sondern ein erwünschter und dringend notwendiger Effekt. Deutschlands Wirtschaft, aber auch Deutschlands Stellung als Industrieland und politisch entwickeltes Gebilde in der Welt werden nur Bestand haben, wenn sie mit vereinten Kräften, also auch denen des Forschungspotentials deutscher Universitäten, an der Spitze gehalten werden. Insofern muss man der Drittmittelforschung applaudieren – und sie nicht immer wieder mit skeptizistischer Lust ins Zwielicht setzen.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Verteidigenswert

Auch 2019 wird die Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weitergehen. Zwar ist die finanzielle Fundamentierung der Anstalten ARD und ZDF gesichert, nicht zuletzt durch bisher stets solidarische Urteile des Bundesverfassungsgerichts. Aber der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat Gegner aus Prinzip, die in ihren Anfeindungen nicht lockerlassen werden und eine Abschaffung der von jedem Haushalt zu entrichtenden Rundfunkgebühr fordern.

Da sind zunächst die privaten Programmveranstalter, die der Auffassung sind, man solle das ganze Rundfunk-Angebot in Hörfunk, Fernsehen und den Internet-Medien dem Markt überlassen. Dann könne sich das geneigte Volk heraussuchen, was es selbst wolle. Die zweite Gegner-Gruppe ist ideologiegetrieben. Sie vermutet hinter dem öffentlich-rechtlichen Journalismus vornehmlich linke Gestalten, die dem rechtskonservativen Spektrum die programmliche Berücksichtigung und den demokratischen Respekt verweigerten. Zu den Gegnern zählen auch junge Menschen, denen das ganze analoge Fernsehangebot nichts sagt, weil sie ihre Informationen und auch alle Filme meist gratis aus dem Netz ziehen und deshalb die verpflichtende Mediengebühr nicht einsehen.

Und schließlich gibt es Anhänger der öffentlich-rechtlichen Rundfunkidee, die im zwangsfinanzierten Programm jedoch eine erhebliche Überlastung mit Krimis, seichter Unterhaltung und langweiligen Sportübertragungen wahrnehmen, also Inhalten, die nicht das Ziel des Kerns der öffentlich-rechtlichen Rundfunkidee sind, also Information, Kultur und Bildung. Mithin sei dies ein Missbrauch der Gebührengelder.

Warum also gibt es das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot noch? Es ist immer wieder notwendig, daran zu erinnern, dass seine Gründung in Deutschland eine Antwort war auf die Reichspropaganda der Nazis, auf eine mediale Gleichschaltung, die politisch inszeniert und mit wirtschaftlichen Methoden (etwa: Anzeigenentzug) betrieben wurde – Muster, die wir heute in anderen demokratischen Staaten wiedererkennen. Das wollen wir in Deutschland nicht wieder erleben, weshalb die Idee eines staatsfernen und kommerzunabhängigen Rundfunks unverändert brillant bleibt. Es ist notwendig, dass sich die Angestellten in den Funkhäusern diese Gründungsidee immer wieder klarmachen und danach handeln. Sie sollen und müssen die freiheitliche Demokratie verteidigen. Darüber hinaus tendenziöse Nachrichten, Berichte, Reportagen und Talkshows haben in diesen Programmen allerdings nichts zu suchen.

ARD und ZDF sollten insofern ihre Programme auf den Prüfstand stellen. Auch könnten die Sparanstrengungen größer sein: 71 öffentlich-rechtliche Hörfunkprogramme, die sich doch auf nur eine Handvoll Grundmuster zurückführen lassen, braucht kein Mensch. Auch die Kosten für Sportrechte, Unterhaltungssendungen und Krimiproduktionen könnten drastisch gekürzt werden, das alles liefert auch „der Markt“. Was aber fehlt, sind mehr erstklassige Informationsprogramme, im Hörfunk etwa ein europäisches Hörfunkprogramm und eine Ausweitung der europäischen Fernsehprogramme über arte hinaus. Hier und auch in einer hochqualifizierten Netzpräsenz von Informations- und Kulturangeboten liegen Zukunftschancen – nicht in der Verteidigung dessen, was letztlich nicht zu verteidigen sein wird.

Alle Netze auf Rot

In einigen Jahren erst werden wir mit Wucht spüren, was das schon lang anhaltende und sich fortsetzende politische Versagen vor allem dieser, aber auch vorangegangener Bundesregierungen bedeutet: Sie haben die deutsche Infrastruktur auf den Hund kommen lassen. Das wird sich bitter rächen, denn der Zustand unserer Verkehrssysteme, unserer Energieversorgung und der digitalen Netze wird bestimmend sein für unsere Zukunftschancen.

Da sieht es schlecht aus. Das Jahr 2018 hat mit einer Gesamtlänge von 1,5 Millionen Kilometern (!) einen Staurekord auf deutschen Autobahnen gebracht, 495 000 Stunden erzwungener Stillstand, volkswirtschaftlicher Schaden allein im vergangenen Jahr von mindestens 60 Milliarden Euro. Die deutsche Straßen-Katastrophe hat drei Gründe: Zum einen wurden die Verkehrsprognosen gesenkt, weil die Grünen die ideologiegetriebene Hoffnung hatten (und haben), wenn man Autofahrer nur lange genug malträtiere, werde der Verkehr freiwillig abnehmen. Daraus resultierten viel zu geringe Investitionen in den Neubau von Autobahnen und Straßen, die auch gegenwärtig nur so hoch sind, dass es lediglich zur Instandhaltung reicht. Und schließlich wird alles von einem Baustellenmanagement gekrönt, das lieber zehn verschiedene kleine Baustellen eröffnet als mit vereinten Kräften eine zügig fertigzustellen, bevor man die nächste beginnt.

Die verkehrspolitische Unfähigkeit setzt sich bei der Bahn fort. Ein Unternehmen, bei dem jeder vierte Zug verspätet ist, wird für die Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene nicht attraktiv sein. Auch hier: Falsche Zukunftsprognosen und ein Unternehmenskonzept der Bahn AG, das an Wirrnis nicht zu überbieten ist: mehr als 500 der 700 Gesellschaften der Deutsche Bahn AG sitzen im Ausland, sie binden Managementkapazitäten, ohne dass daraus für das hiesige Kerngeschäft ein Gewinn erwüchse. Aus den Gewinnen jedenfalls kann die Bahn die notwendigen Investitionen nicht mehr finanzieren. Der Bund als 100-Prozent-Aktionär der Deutschen Bahn steht da in der Pflicht, zumal er grundgesetzlich für die Verkehrsinfrastruktur verantwortlich ist. Diesen Verfassungsauftrag hat er bisher verfehlt. Er kann nicht zulassen, dass die Bahn wie ein beliebiges Unternehmen mit kurzfristigem betriebswirtschaftlichem Denken geführt wird, oder, um es mit den Worten des Bundesrechnungshof-Präsidenten Kay Scheller zu sagen: „Der Bund muss jetzt Klarheit schaffen, ob es um Gewinne geht oder um Gemeinwohl“. Das gilt auch für den Flugverkehr – wenn ein paar kurz angelernte Sicherheitskontrolleure den Flugbetrieb in ganz Deutschland lahmlegen können, stimmt auch dort etwas an der Gesetzeslage nicht.

Auch die Infrastruktur beim Thema Energie ist marode. Ständig werden neue Kraftwerksschließungen beschlossen, ohne dass klar wäre, woher die Energie künftig kommen soll. Der Beschluss zur Abschaltung der Kernkraft, der bis 2021 umgesetzt sein soll, war einem emotionalen Affekt der Bundeskanzlerin geschuldet, ohne dass unsere CO 2-freien Kernkraftwerke irgendwelche erheblichen Sicherheitsmängel gezeigt hätten. Auch das Ende der Steinkohleförderung in Deutschland hat nichts mit energiepolitischer Weitsicht angesichts etwa vorhandener Alternativtechnologien zu tun, sondern ist haushalts- bzw. subventionspolitischen Überlegungen geschuldet. Auch der Ausstieg aus der Braunkohleförderung verzichtet auf solche Weitsicht, etwa auf die Erforschung der Frage, ob man das Kohlendioxid nicht einfangen und chemisch aufbereiten könnte (was übrigens geht). So ist Deutschland auf Solar- und Windenergie zurückgeworfen, aber auch hier: Der Neubau von Stromtrassen für den Windstrom aus der Nordsee stockt der vielen Einsprüche wegen bei einem Bruchteil des Solls, ohne dass man solche hochwichtigen infrastrukturpolitischen Maßnahmen gegen willkürliche Klagen einzelner Anwohner oder ideologiebesetzter Verbände durch eine Neugestaltung des Verbandsklagerechts geschützt hätte.

Bei der digitalen Infrastruktur wird die Katstrophe vollständig. Keines ihrer diesbezüglichen Versprechen („flächendeckendes Breitband, gigabitfähige Netze, die beste digitale Infrastruktur der Welt“, und alles bis spätestens 2025) hat die Bundesregierung gehalten, obwohl auch diese Infrastruktur ihre direkte gesetzliche Zuständigkeit ist. Statt dessen lässt sie die Deutsche Telekom und andere herumwerkeln mit dem längst überholten technischen Standard von Kupferkabeln, statt alle auf Glasfaser zu verpflichten und das mit Staatsmitteln so entschieden zu fördern wie alle sonstigen Anliegen lautstarker Interessengruppen.

Die große Krise der Infrastrukturpolitik in allen ihren Teilen offenbart einen dramatischen Verlust an Realitätssinn der politischen Akteure. Nur erstklassige Systeme bei Verkehr, Energie und digitaler Kommunikation ermöglichen den wirtschaftlichen Erfolg, den man morgen für die Finanzierung der heute großzügig gegebenen sozialpolitischen Versprechen und den Ansprüchen einer alternden Gesellschaft bräuchte. Aber offenbar lernt keiner dazu.

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