17. November 2025

Christsoziale Maulhelden

Unter den 1000 Delegierten des CSU-Parteitages saßen in diesen Tagen viele, die die Probleme rund um die Flüchtlingswelle prima beschreiben können: Unkontrollierter Grenzübergang, ungebremster Flüchtlingsstrom ohne Obergrenze, überforderte Kommunen, fragwürdige Integrationschancen, zu hohe materielle Anreize. Doch keiner hat eine bessere Antwort als jene, die die Bundesregierung eben beschlossen hat. In diesen Papieren stehen – mit Zustimmung der CSU – jene „schlüssigen Konzepte“, die die Delegierten am Freitag gefordert haben. Das weiß auch Horst Seehofer, der seinen fixen Jungspund Markus Söder vor Utopien gewarnt und harsch zurückgepfiffen hat: Wer Erwartungen weckt, sollte sie auch einlösen können.

Und da wird es für Maulhelden, christliche zumal, schwierig. Denn Flucht hat einen Grund – die Menschen brauchen Hilfe. Unmöglich lässt sich heute sagen, wie viele im nächsten Jahr noch kommen. Auch kann man sie nicht aufhalten: Die Grenze zu Österreich ist 815, die zu Tschechien 811 Kilometer lang. Will man Deutschland nicht einzäunen, wird es immer Möglichkeiten geben, das Bundesgebiet zu erreichen. Die Begrenzung des Flüchtlingsstromes ist ebenfalls locker gefordert, aber schwer durchgesetzt: Es verbietet sich, die Flüchtlingsboote im Mittelmeer zu versenken, einen Weg zurück nach Libyen gibt es nicht. Und die Limitierung der materiellen Anreize hat der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts kürzlich erledigt, als er auch Asylanten einen Anspruch auf Hartz IV zusprach. Sozialleistungen in dieser Höhe bleiben für viele eine goldene Verheißung. Man müsste also die Verfassung ändern – doch dafür gibt es in dieser Sache keine Mehrheit.

Sie würde – wie gegenwärtig viele der eigentlich schon beschlossenen Begrenzungsmaßnahmen – vor allem an den Sozialdemokraten scheitern. Die SPD irrlichtert in ihrer Flüchtlingspolitik zwischen allen Flügeln. Eben noch stimmte sie einer Begrenzung medizinischer Leistungen für Flüchtlinge zu, jetzt will sie davon nichts mehr wissen. Eben noch rief sie nach konsequenter Abschiebung abgelehnter Asylanten, doch ihre Abschiebepraxis geht in den meisten SPD-Ländern gegen Null.

Ein Beispiel: Stephan Weill, der als niedersächsischer Ministerpräsident und amtierender Bundesratspräsident die Beschlüsse zur Begrenzung der Flüchtlingsströme mit ausgehandelt hat, brachte nicht einmal seine eigene rot-grüne Regierung dazu, im Bundesrat zuzustimmen. Und in der Abschiebepraxis ist er Schlusslicht: 19 000 rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber gibt es in Niedersachsen, ganze 500 davon sind tatsächlich ausgereist. Der Rest bleibt hier im Schutze staatlicher Passivität.

Horst Seehofer hat das begriffen, trotz seiner Parteitags-Rhetorik. Nicht die CDU ist das Problem der CSU, sondern die gesamte Union wird in ihrer begrenzenden Politik von der SPD und grünen Koalitionspartnern in den Landesregierungen torpediert. Deshalb ist rasche Wiederherstellung unionsinterner Harmonie ebenso zu erwarten wie beginnender Schlachtenlärm gegen die SPD. Und auch die wird, je näher Wahlen rücken, wieder koalitionszahm werden.

Flüchtlingsströme: Registrierung muss sein

Besonnen sollen wir handeln, haben uns Politiker aller Parteien nach den Anschlägen von Paris ans Herz gelegt. Gemeint ist vor allem, doch bitte keinen Zusammenhang herzustellen zwischen dem islamistischen Terror und den Flüchtlingsströmen, die unverändert nach Europa ziehen.

Es ist wahr: Bisher ist nicht beweisbar, ob der Flüchtlingsstrom auch Menschen mit ins Land bringt, die Anschlagsgelüste hegen gegen die freiheitliche Gesinnung unserer Gesellschaft und ihren Lebensstil. Wahr ist auch: Wenn Terroristen ins Land wollen, brauchen sie keine Flüchtlingstrecks – sie erreichen ihre Ziele auch anderweitig. Und schließlich: Der Terrorwillen muss nicht mehr importiert werden, er geht bereits seit Jahrzehnten von jenen aus, die längst hier wohnen und die Pässe europäischer Länder besitzen. So war es auch bei den Tätern von Paris, so war es 2001 bei den Attentätern von New York, die in Hamburg-Harburg lebten.

Wenn aber dennoch aus der CSU und Teilen der CDU der Ruf kommt, die liberale Flüchtlingspolitik zu überdenken, so hat das dringende Gründe. CSU-Chef Seehofer hat sie in einen Satz gefasst: Um Sicherheit zu gewährleisten, „müssen wir wissen, wer durch unser Land fährt. Das ist das Gebot der Stunde.“

Dem kann man schwerlich widersprechen. Man muss nicht einem einzigen der Flüchtlinge terroristische Absichten unterstellen, um es abenteuerlich zu finden, dass Deutschland Menschen zu Hunderttausenden unregistriert ins Land lässt und damit die Verteidigung seiner Grenzen aufgibt. Und man kann zugleich ein großer Freund einer liberalen, menschlichen Flüchtlingsregelung sein, um es für inakzeptabel zu halten, dass sich in unserer offenen Gesellschaft Flüchtlinge in großer Zahl zu verstecken suchen und ihre wahre Identität verbergen.

Richtig bleibt auch: Mit jedem muslimischen Flüchtling, dem wir in Deutschland Schutz gewähren, wächst das Potential für eine Parallelgesellschaft, die wir nicht mehr kontrollieren können. Wenn auch nur ein winziger Prozentsatz dieser Menschen in unlauterer Absicht käme oder für Islamisten ansprechbar wäre – es wären genug, um größtmöglichen Schaden anzurichten. Umso wichtiger ist es, von all diesen hilfsbedürftigen Menschen jene Offenheit und Transparenz zu verlangen, wie sie für jeden Bürger unseres Landes selbstverständlich sind.

Wenn nun also „Krieg“ ist nach den Anschlägen von Paris und wir den Franzosen „jedwede Unterstützung“ versprochen haben – dann wird jede Maßnahme zugunsten höherer Sicherheit das Maß unserer Freiheit unweigerlich einschränken müssen. Beides zugleich in je maximaler Ausformung ist nicht zu haben.

Und wenn man sich entscheiden muss, wird die Abwägung zugunsten der Sicherheit ausgehen, in Inneren wie im Äußeren. Versagt die Politik hier, ist es mit der Freiheit rasch gänzlich dahin. Diese Debatte muss man jetzt entschieden führen – unter Einschluss der Folgen der Flüchtlingssströme. Daran kommen auch die Union und Angela Merkel nicht mehr vorbei.

Neue Lufthansa-Streiks im Advent?

Die Flugbegleiter der Lufthansa verdienen nicht schlecht. Schon beim Einstieg gibt es 1942 €, die Gehaltsleiter endet derzeit bei 7150 €, jeweils plus Spesen. Wer schon mit 55 in Frührente will, bekommt bereits 60 Prozent des letzten Bruttogehalts, je später der Ruhestand, umso mehr. Solche Pensionslasten kann die Lufthansa in Zeiten weltweiten Wettbewerbs samt drastischem Preisverfall und verschwundener Zinsen nicht weiter tragen. Sie muss hier die Notbremse ziehen.

Verständlich ist, dass die Flugbegleiter und ihre Gewerkschaft Ufo ihre Pfründe verteidigen. Die Lufthansa hat ihnen Gehaltssteigerungen angeboten, will von einer Umstrukturierung der Alterslasten aber nicht lassen. Auch dieser Konflikt ließe sich schlichten, wenn es der Gewerkschaft nicht – wie schon bei den Piloten – um mehr ginge: Sie lehnt die Umstrukturierung der Lufthansa-Gruppe ab. Das aber darf nicht Gegenstand von Tarifverhandlungen sein, das hat das zuständige Arbeitsgericht zuletzt schon den Piloten ins Stammbuch geschrieben, die es geschafft hatten, innerhalb von 19 Monaten 13 mal zu streiken. Dennoch sagt nun auch Ufo-Chef Baublies, er könne sich ein vorübergehendes Streikende vorstellen, wenn es einen runden Tisch gebe mit Unternehmensführung, Piloten und Flugbegleitern, um diese Unternehmensneuordnung zu besprechen. Es ist anzunehmen, dass sich diese Haltung trotz der erstinstanzlichen Urteile aus Düsseldorf und Darmstadt auch juristisch wieder durchsetzen wird.

Ufo-Chef Baublies nicht als Tarif-, sondern als Konzernpolitiker – solche Anmaßung ist nicht hinnehmbar. Sie ist eine Zumutung für die täglich nach Hunderttausenden zählenden Kunden der Lufthansa. Sie ist eine Zumutung für den Aufsichtsrat des Unternehmens, in dem schließlich Arbeitnehmervertreter sitzen. Sie ist eine Zumutung für den weltweit vernetzten Standort Deutschland, der auf verlässliche Verkehrs-Infrastruktur angewiesen ist und auch eine eigene, weltweite Fluglinie braucht.

Was ist die Lehre aus den von Egomanen angeführten Streiks bei Bahn und Lufthansa? Deutschland braucht ein anderes Streikrecht, wie es beispielsweise auch die Vereinigten Staaten haben. Es belegt im „Railway Labor Act“ das Verkehrswesen mit besonderen Streikregeln, die den Streikausbruch durch Präsidentendirektive verzögern, den Streikumfang beschränken und eine faire Eingung durch Zwangsschlichtung herbeiführen können. Der Sinn ist klar: Es geht darum, die überlebenswichtigen Strukturen eines Landes vor der Blockade zu schützen.

Diese Aufgabe zählt zu den wirklich wichtigen Gesetzen, die sich diese Große Koalition noch vornehmen sollte. Sie handelt damit nicht im Sinne eines einzelnen Unternehmens, sondern aller Menschen und Arbeitnehmer in Deutschland, die von einer funktionsfähigen Infrastruktur abhängig sind.

Oder: Diese Kleingewerkschaften hören mit ihrer erpresserischen Politik auf. Ufo-Chef Baublies sagte über die Personalvorständin der Lufthansa: „Entweder sie bekommt das hin mit uns oder sie ist überfordert.“ In Wahrheit verhält es sich wohl umgekehrt.

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