19. März 2024

Inklusion, schrittweise

Das Thema der Inklusion beschäftigt die deutsche Bildungsszene nun schon seit bald einem Jahrzehnt. 2009 hatte die Bundesrepublik nach längerem Zögern die UNO-Behindertenkonvention ratifiziert und sich damit auch in die Verpflichtung begeben, sie umzusetzen. Das bedeutet: Kinder mit Behinderungen sollen nicht mehr in gesonderte Förderschulen gehen, sondern müssen in Regelschulen herangebildet werden.

Den Gleichheitsfanatikern unter den Bildungspolitikern konnte das gar nicht schnell genug gehen. So machten sie vielerorts den zweiten Schritt vor dem ersten. Sie erzwangen die umgehende Schließung von Förderschulen und den Transfer der Kinder mit besonderem Förderbedarf in Regelschulen, ohne dort für verstärkten Personaleinsatz zu sorgen.

Das konnte nicht gut gehen. Reihenweise meldeten sich Lehrer wegen Überlastung ab, die Bildungsergebnisse litten – und zwar bei allen Schülern gleichermaßen. Zuletzt schlug sich das auch in den internationalen Leistungsvergleichen für Grundschulen nieder, die die OECD regelmäßig erhebt.

Wenn Hans-Peter Meidinger, der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, nun Alarm schlägt, hat er dafür gute Gründe. Noch immer gibt es zahlreiche Bundesländer, die nicht begriffen haben, dass Kinder „mit besonderem Förderbedarf“, wie es ja heißt, auch eine besondere Förderung brauchen und es eben nicht damit getan ist, ihnen einen Stuhl in einer Regel-Grundschulklasse zuzuteilen. Es müssen schon auch zusätzliche Pädagogen da sein, die sich besonders um sie kümmern.

Ein Lehrer allein kann das nicht schaffen, schon bisher sind diese Lehrer ja mit zu großen Klassen überlastet und angesichts der Migrantenanteile ohnehin vor eine oft unlösbare Bildungsaufgabe gestellt. Ein Viertel aller Grundschulkinder und ein Drittel aller Gesamtschüler sind mittlerweile aber „besonders förderungsbedürftig“. Wie soll Schule da noch der Anforderung nachkommen, „Reparaturbetrieb der Gesellschaft“ zu sein, wie das angesichts der häufig prekären familiären Situationen immer notwendiger zu sein scheint? Antwort: Sie muss an dieser Anforderung scheitern.

Die Lösung der bildungspolitischen Probleme hat einfach einzusehende Voraussetzungen. Es sind in großer Zahl zusätzliche Lehrer notwendig. Man wird sie nur bekommen, wenn sie erstens besser bezahlt werden als bisher (vor allem im hoch stressanfälligen Grundschulbereich) und man zweitens so viele neue Stellen vorsieht, dass der besondere Förderbedarf überall auch mit besonderem Personaleinsatz abgedeckt werden kann, ohne das vorhandene Lehrpersonal zu überfordern. Diese Schritte müssen zuerst gegangen werden – dann kann man alle besonderen Fördereinrichtungen auflösen und die Inklusion überall mit allgemeinem pädagogischem Gewinn Wirklichkeit werden lassen.

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