19. April 2024

Lesen bildet. Zur Buchmesse.

Die Buchmesse in Frankfurt ist zunächst ein wirtschaftliches Ereignis, wie andere Messen auch: Angebot trifft Nachfrage, die Neuheiten der Branche werden illustrativ präsentiert. Das Buch freilich ist keine Werkzeugmaschine, sondern ein Kulturgut, es hat etwas mit den schönen Künsten, dem Intellekt im Leben zu tun, mit jener Ästhetik, von der die groben Zeitgenossen sagen: Ist überflüssig, kann weg.

Doch die Zahl derer, für ein Leben ohne die schönen Künste, ohne Musikhören und Lesen, nicht wirklich lebenswert scheint, ist groß geblieben in Deutschland. Lesen bildet nicht nur den Geist, sondern auch das Herz, und derlei gilt im (ehemaligen?) „Land der Dichter und Denker“ noch etwas.

Wieder werden also in Frankfurt die mehr als 70 000 Neuerscheinungen dieses Jahres hergezeigt, werden Autoren aus aller Welt und dieses Jahr vor allem aus Frankreich gefeiert, werden Verträge abgeschlossen und Vertriebswege entschieden. Da geht es längst nicht mehr nur um das gedruckte Buch und den stationären Buchhandel, sondern um das digitale Manuskript, herunterladbar im Internet und gelesen auf einem E-Reader, dem „Kindle“ oder dem „Tolino“. Und die gedruckten Bücher finden zu immer größeren Anteilen den Weg zum Leser nicht mehr über die Buchhandlung um die Ecke, sondern über den online-Versandhandel, allen voran über Amazon.

Das ist für die 4700 Buchhandlungen in Deutschland eine Gefahr. Die großen Ketten unter ihnen – 10 Prozent der Buchhandlungen erwirtschaften zwei Drittel des Gesamtumsatzes – kommen mit der Versand-Konkurrenz noch einigermaßen klar. Die 3500 kleineren selbständigen Buchhandlungen dagegen tun sich zunehmend schwer, den nötigen Umsatz zu erwirtschaften, der die Gehalts – und Mietzahlungen der Buchhandlungen sichert, und sie liegen (erfreulicherweise) in guten Innenstadtlagen – die aber sind teuer, das ist der unerfreuliche wirtschaftliche Aspekt. Er wird ein wenig gemildert durch die Buchpreisbindung, mit der der Gesetzgeber sowohl die Verlage als auch den stationären Handel und somit das Kulturgut Buch vor der Schwerstbeschädigung durch Handelsmonopole einigermaßen schützt.

Gravierender fast ist aber die Wirkung, die das zunehmende Lesen im digitalen Medium beim Leser hinterlässt. Psychologen, deren Spezialgebiet die Leseforschung ist, sind sich einig: Nur die Lektüre gedruckter Bücher erlaubt vertiefte Lernprozesse. Digitales Lesen ist anfälliger für Ablenkungen, deshalb oberflächlicher. Solche Lektüre wird schneller vergessen als jene im gedruckten Buch, in dem man hin- und herblättern, wichtige Stellen kennzeichnen und sie zur Vertiefung mehrfach lesen kann. Hier hilft nur intensive Lese-Erziehung, in der Familie und in der Schule. Schon das Schulbuch sollte kein digitales sein, sondern eines aus Papier: die erfolgreicheren Lernprozesse werden es danken.

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