25. April 2024

Katastrophaler Separatismus

Der Wunsch vieler Katalanen nach Unabhängigkeit von Spanien hat in Europa eine nationalistische Debatte losgetreten, die in ihrer Geschichtsvergessenheit obszön und in ihren schiefen Vergleichen bewusst irreführend ist.

Erstens geht es um die Frage, ob sich nationale Regierungen dem Wunsch nach Unabhängigkeit von regionalen Minderheiten auf Dauer widersetzen können, mit anderen Worten: Lassen sich Staatsgrenzen im Laufe der Geschichte verändern? Historisch gesehen muss man das bejahen, denn andernfalls, so lautet ein berechtigter Vergleich, wären die Neuenglandstaaten an der amerikanischen Ostküste noch immer Teil des britischen Imperiums. Es gibt allerdings einen Unterschied: Die meisten Sezessionen wurden kriegerisch durchgesetzt. Wer das heute anders lösen will, muss sich an die eingegangenen völker- und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen halten. Die lauten: einer Abspaltung muss der „abgebende“ Staat zustimmen. Das ist kein zu bespöttelnder „legalistischer“ Standpunkt, sondern die Basis unseres ganzen friedlichen Zusammenlebens.

Zweitens wird ins Feld geführt, angesichts der wirtschaftlichen Stärke separatistisch gesinnter Regionen sei es doch ganz verständlich, wenn sie zu einem Finanztransfer an ärmere Regionen ihres Landes keine Lust hätten und ihren Reichtum für sich behalten wollten. Ja, in Katalonien, in Südtirol oder auch in Bayern übersteigt das dortige Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf jenes des Landesdurchschnitts bei weitem. Das Argument freilich bedeutet nicht nur die Loslösung von jedweder Solidarität. Es blendet auch aus, dass eben jene Regionen zu ihrem Reichtum nur durch die oft jahrzehntelange Solidarität anderer Regionen gekommen sind.

Bayern ist das beste Beispiel. Die 41 600 € BIP/Kopf waren ja nicht gott- oder naturgegeben, sondern entstanden durch den vor allem aus Nordrhein-Westfalen jahrzehntelang finanzierten Nettotransfer dorthin, der aus dem Agrarland ein Industrieland hat werden lassen. Käme es zu einer Abspaltung Bayerns, würde es wohl nicht lange dauern, bis die reichen Oberbayern oder die Schwaben es einträglicher fänden, Franken oder Niederbayern nicht mehr zu subventionieren und sich ihrerseits selbständig machen wollten. Das Ergebnis wäre eine solidaritätslose, konfliktreiche Kleinstaaterei wie im 19. Jahrhundert.

Niemand kann das wollen. Deshalb muss man der entweder fahrlässigen oder gewollt politisch zerstörenden Förderung separatistischer Bewegungen innerhalb der Europäischen Union entschieden entgegentreten. Das ist nicht nur konstruktiv legalistisch, sondern zugleich wirtschaftlich weise. Denn Kleinstaaten können von ihrem wirtschaftlichen Status quo nicht ausgehen, Katalonien spürt schon, was auch die Engländer massiv erleben: Unternehmen und Firmensitze verlassen das Land, weil ihnen an einer gut funktionierenden, in ihrem Innern grenzenlosen Europäischen Union massiv gelegen ist. Separatismus ist, alles in allem, eine wirklich katastrophale Idee.

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