19. März 2024

Keine Rundfunkgebühr für Private

Was Conrad Albert, den Vorstand der ProSieben-Fernsehgruppe, auf die Idee brachte, auch für seine Programme Gebührengelder einzufordern, bleibt ein Rätsel. Armut kann es nicht gewesen sein: Die Sendergruppe, die 2016 einen Umsatz von 3,8 Milliarden Euro ausgewiesen hat, ist hoch profitabel, was sich – bei einem Gruppenumsatz von 2,2 Milliarden Euro – auch von der konkurrierenden RTL-Group sagen lässt. Diese glücklichen finanziellen Umstände des Privatfernsehens würden es zulassen, auch jeden publizistischen Ehrgeiz zu befriedigen und wirklich relevante Informations- und Kulturformate für jüngere Zielgruppen ins Programm zu nehmen – von einer Rundfunkgebühr könnte also auch eine solche etwaige Absicht nicht abhängen. Schlimmer noch: Solche Formate bräuchten, macht man sie erstklassig, auch im Privat-TV gar keine Subvention, wie nach 1990 beispielsweise die Urmutter aller politischen Talkshows, „Talk im Turm“ bei SAT 1 bewiesen hat.

Für erstklassiges Informations- und Kulturprogramm freilich fehlen in den meisten Privatsendern vor allem der Wille und mittlerweile wohl auch das Personal. Mit Serien und Spielfilmen lässt sich, das ist klar, auf preiswertere und einfachere Weise ein guter Deckungsbeitrag erzielen, vor allem, wenn sie international eingekauft sind und man sich die eigenen Produktionsmühen spart. Das war auch der Grund, warum im Privatfernsehen Informationssendungen Stück und Stück verschwanden.

Nichts an dieser Programmpolitik ist kritikwürdig. So war es von Anfang an gewollt: Im dualen System, das es seit 1990 gibt, sollte die Freiheit der Privaten zu beliebiger Programmgestaltung ermöglicht werden durch die Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen Anstalten auf einen programmlichen Schwerpunkt bei Information und Kultur, garniert durch Unterhaltung und Sport. Dahinter stand die Idee einer garantierten hohen Informationsqualität, ohne die eine Demokratie nicht gut funktionieren kann. Nimmt man heute alles in allem, haben wir mit Fernsehen, Funk, Online und Print wohl das beste, inhaltsreichste Mediensystem der Welt, das es unbedingt zu verteidigen gilt.

ARD und ZDF machen einem das gelegentlich schwer durch immer wieder aufflackernde missionarische journalistische Arroganz und eine ideenlose Besetzung der meist lähmenden politischen Talkshows. Auch ist eine Programmpolitik mühsam, die offenbar nur noch auf Krimis setzt, auf Unterhaltung und Sport und die den eigentlichen Programmauftrag in den Hintergrund rückt. Werbeblöcke vor den Hauptnachrichten, in denen nur noch Mittelchen gegen Demenz, Harnschwäche, Gelenkschmerzen, Venenleiden sowie Treppenlifte beworben werden, verschrecken auch das letzte gutwillige jüngere Publikum. Eine Reform der öffentlich-rechtlichen Programmphilosophie ist deshalb unerlässlich. Sie kann nur ein Ziel haben: Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu stärken und ihn in der öffentlichen Debatte unverwundbarer zu machen – auch dadurch, dass man ihm eine inhaltliche Entwicklungsgarantie auch für die sozialen Medien einräumt. Nur so kann man dem Privatfernsehen seine Freiheit zur Beliebigkeit zu erhalten.

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