19. März 2024

Das nationale Interesse zählt

Die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland befinden sich auf dem Tiefpunkt. Die Weigerung Ankaras, deutsche Bundestagsabgeordnete zu den Bundeswehrsoldaten nach Incirlik zu lassen, kann die Bundeswehr zwar gut verschmerzen, ist ihre Funktion doch nicht von der Reiselust Berliner Politiker abhängig. Aber da die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist (der türkische Staatspräsident Erdogan wird solche Gewaltenteilung mit Abscheu sehen), liegt in der Weigerung Ankaras ein nicht akzeptabler Affront. Die Bundesregierung tut deshalb gut daran, den Umzug dieser Soldaten und Kampfjets nach Jordanien zügig umzusetzen.

Denn es gilt jetzt, der Türkei klare Kante zu zeigen. Das Land gehört zum Europarat, zur OSZE, zur Nato, tut aber so, als gingen die in den Gründungspapieren dieser Organisationen verankerten Grundsätze und gemeinsamen Werte sie nichts an. Mit Besserung ist nicht zu rechnen. Präsident Erdogan fährt unbeirrt einen Kurs der nationalen Islamisierung, er verwandelt das Land Schritt für Schritt in eine neoosmanische Autokratie.

So ist es gut, sich darauf einzustellen, dass die Türkei nicht mehr zum Westen gezählt werden will. Also wird auch die NATO künftig nicht mehr sein, was sie war – wenn sich die Türkei zurückzieht und andere Nationen, voran die USA, zu unsicheren Kantonisten werden. Ja, wir müssen lernen, unsere Dinge künftig in einer kleinen Koalition europäischer und friedenswilliger Freunde selbst zu regeln.

Dass es so weit kommen konnte, liegt auch an deutschem Verhalten. Die sachlich sinnlose und politisch unkluge Erklärung des Deutschen Bundestages zum Völkermord in Armenien, der hundert Jahre zurückliegt, konnte keinem anderen als einem provokatorischen Ziel dienen. Hinzu kam das Unverständnis für den radikalen Durchgriff nach dem Putsch in der Türkei, mit der Erdogan den „tiefen Staat“, der dort schon viel Unheil angerichtet hat, beseitigen will. Dass die deutsche Politik und auch die Medien dann auch noch dem deutschen so genannten Kabarettisten Jan Böhmermann, der gröbste Beleidigungen für einen Scherz hält, die Stange gehalten haben – das hat nicht nur die Türkei befremdet.

Was mittlerweile viele andere Staaten nervt, ist die moralische Überheblichkeit, mit der die deutsche Außenpolitik im Verbund mit Nichtregierungs-Organisationen daherkommt. In Deutschland reicht es offenbar nicht, selbst Vorbild zu sein und das Leben in unserem Land demokratie- und menschenrechtsperfekt zu organisieren. Vielmehr mischen wir uns mit immer neuen Forderungen und Kritiklawinen in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten ein. Die mögen wirklich beklagenswert sein, aber es ist zuerst Sache der Bevölkerung dort, sich die Regierung zu wählen oder hinwegzufegen, die sie möchte.

Derweil kassiert Deutschland einen Positionsnachteil nach dem anderen ein. Alles ließe sich ändern, wenn wir in der Außenpolitik – wie andere Staaten auch – nun endlich daran Maß nehmen, was wirklich zählt: Das nationale Interesse.

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