19. April 2024

Flüchtlinge: Fördern und Fordern

In die deutsche Asyldebatte ist mittlerweile der scharfe Wind des Realismus eingezogen. Er hat nicht nur die zunehmend skeptischen Bürger erfasst, sondern auch die Wirtschaft. Zwar stehen deren obersten Vertreter nach wie vor zur Entscheidung Angela Merkels vom September letzten Jahres, den vor der Tür Europas stehenden Flüchtlingsstrom vornehmlich nach Deutschland hereinziehen zu lassen.

Seit man aber hat feststellen müssen, dass nur etwa knapp fünf Prozent der Flüchtlinge mit Bildungsqualifikationen ankommen, die am deutschen Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit verwertbar sind, klingt die Zustimmung wenig euphorisch. Denn das heißt: 95 Prozent der Bewerber um ein Aufenthaltsrecht in Deutschland benötigen umfassende Qualifizierungsmaßnahmen, an denen die Wirtschaft breit mitwirken muss. Das lässt sich in der gegenwärtigen Hochkonjunktur noch einigermaßen organisieren. Die Zeiten aber, das lehrt die Konjunkturgeschichte, können sich rasch drehen.

Die Wirtschaftsverbände – allen voran der Arbeitgeberverband – haben deshalb mittlerweile Konzepte vorgelegt, in denen Fördern und Fordern gleichermaßen entschieden verfolgt werden. Wer unter den Flüchtlingen mit Bleibeperspektive nicht an verpflichtenden Deutschkursen teilnimmt, wer einer verschärften Schulpflicht nicht nachkommt – der soll sein Anrecht auf finanzielle Förderung verlieren und auch ausgewiesen werden können.

Dahinter steht die Erkenntnis, dass weder die Integration in die Wirtschaft noch jene in die Gesellschaft gelingen werden, wenn deutsche Sprachkenntnisse fehlen. Deshalb sind auch die gesetzgeberischen Maßnahmen mit diesem Ziel verschärft worden – Fördern ja, aber ebenso Fordern. Nach spätestens drei Monaten müssen solche Integrationsmaßnahmen greifen, ebenso die Schulpflicht für Kinder und Jugendliche – auch über das 18. Lebensjahr hinaus –, denen solche Schulbildung bisher fehlt. Und was das Fördern betrifft: Wer eine als Migrant eine Arbeitserlaubnis hat und ein Jobangebot, der darf es annehmen, ohne dass zunächst eine „deutsche“ Besetzung des Arbeitsplatzes geprüft würde.

Das alles ist freilich leicht aufgeschrieben – die Umsetzung fällt schwer. In allen Bundesländern mangelt es an Lehrern, die diese Integrationsaufgabe zu bewältigen imstande wären. Den Bundesländern fehlt überdies Geld, diese Integration optimal zu finanzieren. Es fehlt auch an Sanktionsmöglichkeiten – Ausweisungen funktionieren nicht, wenn die Auszuweisenden nicht daran mitwirken, und die haben keinen Grund dazu. Und Arbeitsplätze, die für Migranten in Frage kommen, sind – noch – selten.

Kurz: Deutschland ist, nach der menschenfreundlichen Geste der Aufnahme, in den Mühen der Etappe angekommen. Jetzt muss Integration geleistet, ja erzwungen werden, wenn die Gesellschaft in ihrem inneren Zusammenhalt keinen Schaden nehmen soll. Es wäre gut, die Parteien wären sich wenigstens in dieser Frage einer scharfen Pflicht zu Integrationskursen einig, um diesen inneren Zusammenhalt zu gewährleisten. Wenn sie dann noch gemeinsam ein klares, forderndes Einwanderungsgesetz auf den Weg brächten, wie es andere Länder längst haben, könnte der deutsche Wahlbürger beruhigter sein.

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