19. April 2024

Nachfolgedebatte beenden

Kaum hat Joachim Gauck angekündigt, nicht wieder zum Amt des Bundespräsidenten kandidieren zu wollen, hat eine Debatte um seine Nachfolge eingesetzt. Sie ist zu diesem Zeitpunkt vollkommen überflüssig, und unwürdig ist sie auch.

Zum einen wird seine Amtszei erst am 17. März des kommenden Jahres enden, also in mehr als neun Monaten. Bis dahin wird Joachim Gauck das Amt des Bundespräsidenten noch auszuüben haben. Es ist unangemessen, diese Amtszeit des höchsten Repräsentanten unseres Staates mit boulevardesken Nachfolgedebatten zu belasten, denn sie beschädigen die Autorität des Amtes. Gauck braucht sie, denn in den gegenwärtigen Zeiten ist die einheitsstiftende Wirkung des Amts bedeutsam.

Zum zweiten: Es lässt sich noch nicht absehen, in welchen Mehrheitsverhältnissen die Bundesversammlung mit ihren 1260 Mitgliedern im kommenden Jahr zur Wahl schreitet. In Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin stehen bis dahin noch Landtagswahlen an, die Auswirkung auf diese Zusammensetzung haben werden. Sicher aber ist: Keine Partei wird die Wahl des Bundespräsidenten alleine entscheiden können. Welche Kombinationen möglich sind, wird sich auch entlang der politischen Vorkommnisse definieren, die in den nächsten Monaten auf uns warten. Sie bestimmen darüber, welche Koalitionen nach der Bundestagswahl 2017 denkbar sind. Das wiederum wird bei der Wahl jenes Kandidaten entscheidend sein, der die kommende Legislaturperiode als Bundespräsident begleiten soll.

Ein drittes Argument kommt hinzu: Die Debatte zu diesem Zeitpunkt lädiert mögliche Kandidaten. Alle Parteien fordern die anderen auf, sich aus jeweils unterstellten „Umklammerungen“ zu lösen, die SPD schließt einen Unions-, und die Union einen SPD-Kandidaten aus, alle wollen jemanden, der für „Weltoffenheit und Zusammenhalt“ steht und außerdem könnte es zur Abwechslung mal eine Frau sein. Solche Debatten haben schon viele Persönlichkeiten des Landes beschädigt, denen man das Amt schon in die Hand versprochen hatte, Steffen Heitmann etwa oder Paul Kirchhof. Das sollte man sich diesmal ersparen.

Des weiteren: Die Bedeutung des Amtes gibt eine solch aufgeblasene Debatte nicht her. Der Bundespräsident hat praktisch keine legislative oder exekutive Gewalt, er kann Gesetze aufhalten, aber letztlich nicht verhindern. Er ist oberster Repräsentant der Nation, er kann durch das Wort wirken und durch natürliche Autorität einheitsstiftend wirken. Das ist – wenn er es vermag – viel, aber mehr ist es auch nicht.

Schließlich: Eine spekulative Debatte zur Unzeit, die Menschen beschädigt und zwangsläufig ergebnislos bleiben muss, ist auch kein Ruhmesblatt für die Medien. Sie tun, im Interesse ihrer Glaubwürdigkeit, gut daran, sich zuerst jenen relevanten Fragen zuzuwenden, an denen sich die Zukunft unseres Landes entscheidet. Die Besetzung des Amts im Schloss Bellevue gehört nicht dazu.

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