19. April 2024

Vom Stolz auf die deutsche Sprache

Wer Kinder im schulpflichtigen Alter hat, der kann ein Klagelied singen über den schulischen Umgang mit der deutschen Sprache. Seit Soziologen und ihnen geneigte Politiker den Germanisten sagen, wo es langzugehen hat, sind die Lehrpläne vieler Bundesländer ideologisiert.

Ausgangspunkt ist die Entdeckung, dass Sprache nicht nur pragmatisch notwendig ist, eine Sozialisationsfunktion hat und Teilhabe am kulturellen Formungsprozess einer Gesellschaft ermöglicht. Sie lässt sich auch als Herrschaftsinstrument begreifen – wer eine Sprache korrekt und elegant zu gebrauchen weiß, bringt es weiter als andere. Wer beispielsweise „Rhythmus“ richtig schreibt, der setzt sich bei diesem „Differenz- und Modellwort“ von anderen ab. Das ärgert all jene, denen solche sprachliche Feinheiten fehlen.

Die logische Konsequenz der deutschen Bildungspolitik war nicht etwa, alle Schüler durch pädagogische Anstrengung von Schule und Eltern und durch regelmäßiges Lesen auf das bestmögliche orthografische Niveau zu bringen – vielmehr hat man das Niveau des Sprachunterrichts auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gesenkt. Mehrere „Rechtschreibreformen“ legen davon Zeugnis ab.

Die Vernachlässigung der variantenreichen und eleganten deutschen Sprache macht aber bei der Orthografie nicht halt. Vielmehr haben auch diverse Ethnolekte Karriere gemacht, Fachleute nennen sie auch „Ghetto-Slang, Türkenslang, Türkendeutsch oder Kiezdeutsch“. Aber auch hier: Sofort eilen Linguisten herbei, um solches Sprachgemetzel nicht etwa als barbarische Untat zu brandmarken, sondern als Bereicherung und besonders kreativen Umgang mit der deutschen Sprache zu rühmen.

Kann eine Mahnung von außen helfen? Yngve Slyngstad ist Chef des norwegischen Staatsfonds, eines der größten Investoren der Welt. Er gab jetzt diese Sätze zu Protokoll: „Ich glaube, die Deutschen sind nicht stolz genug auf ihre Sprache. An Heideggers Ausspruch, nur Deutsch und Griechisch seien fürs Philosophieren geeignet, ist vielleicht doch etwas dran. Ich glaube jedenfalls nicht, dass es ein Zufall ist, dass es in der Vergangenheit so viel deutsche Denker und Komponisten gab. Oder in der Gegenwart, dass die Deutschen so einzigartig gute Maschinen und Motoren bauen. Die Komplexität ihrer Sprache bereitet sie genau darauf vor.“

Vielleicht sollten sich unsere Kulturpolitiker einmal mit dem Norweger unterhalten. Da können sie mehr lernen als im herrschaftsfreien Diskurs mit Sozio- und Ideologen

Follow

Get every new post delivered to your Inbox

Join other followers: