19. April 2024

Franziskus und Kirill

Es ist hohe Zeit, dass sich die christlichen Kirchen der Welt auf engste Zusammenarbeit verständigen. Nie zuvor waren christliche Gläubige weltweit so unter Druck, im Nahen Osten, in Arabien und Afrika werden sie verfolgt und gemordet unabhängig davon, welcher christlichen Denomination sie angehören.
So gesehen sind die neuen Zeichen der Gemeinsamkeit, wie sie jetzt Papst Franziskus und der russisch-orthodoxe Patriarch Kirill von ihrem historischen Treffen in Havanna aussandten, enorm politisch. Russland nimmt für sich zu Recht in Anspruch, mit seinem Bombenkrieg in Syrien auch die Christen dort zu verteidigen, und es möchte dafür die Unterstützung der Religionsführer. Es ist müßig, darin auch das Motiv zu suchen, die westlichen Staaten zu spalten, das mag eine Nebenfolge sein. Tatsächlich aber lassen die gegenwärtigen Probleme den neuen Schulterschluss der Christen alternativlos erscheinen.

Alte Konflikte zwischen dem Vatikan und dem Moskauer Patriarchat nehmen sich der aktuellen Lage gegenüber eher harmlos aus. Da schwelt vor allem der Streit die mehr als 500 Sakralbauten, die die russische Orthodoxie in der westlichen Ukraine an die mit Rom verbundene griechisch-katholische Kirche verloren hat sowie die Klagen über Ungerechtigkeiten und Verfolgungen der mit dem Patriarchat von Moskau verbundenen orthodoxen Gläubigen in der Ukraine.

Dazu hatten in den letzten Jahren zahlreiche Gespräche auf Diplomatenebene stattgefunden. In regelmäßigen Kommissionstagungen hatte man all diese Fragen und Fragen grundsätzlicher theologischer Natur aufgearbeitet, theologische Unterschiede blieben, aber immer wieder betonte der russische Patriarch, schon Papst Benedikt habe für die russische Orthodoxie und für ihre Positionen „viel Verständnis“ aufgebracht, und auch der neue Papst habe „mit viel Liebe“ von der Ostkirche gesprochen. Ein Treffen war deshalb nur eine Frage der Zeit.

Hinzu kommt, dass sich die russische Orthodoxie in Fragen der Familienmoral oder einer Gender-Politik mit den Haltungen protestantischer Westkirchen gar nicht anfreunden kann. Ihre Standpunkte findet die Orthodoxie im ökumenischen Gespräch am ehesten bei der katholischen Kirche wieder, auch das macht die Annäherung leichter.

Sie wurde vor allem aktiv vom apostolischen Nuntius in Moskau betrieben. Iwan Jurkowitsch, der seit fast 25 Jahren in Russland arbeitet, ist seit fünf Jahren Chefdiplomat des Vatikan. Er lobt den engen Kontakt zwischen dem Vatikan und dem Heiligen Synod der Russischen Orthodoxie, der nicht nur auf gemeinsamer Geschichte beruhe oder dem Respekt, mit dem die Katholiken den Aufbau einer vollkommen strukturierte Weltkirche aus kleinem Ursprung verfolgt hätten. Vor allem die gemeinsamen Wertüberzeugungen hätten es ermöglicht, manche Irritationen früherer Jahre beiseite zu räumen.

Das gilt vor allem für den Vorwurf des Proselytismus, des „sheep stealing“, wenn also missionierende Weltkirchen mit universalem Anspruch sich gegenseitig die Gläubigen abjagen. Der katholischen Kirche würde das heute in Russland nicht mehr vorgeworfen, sagt Jurkowitsch, wozu ein klärender Besuch des damaligen Kurienkardinals Walter Kasper beim damaligen Patriarchen Aleksej II. im Jahre 2004 beigetragen hat. Seither nehme man es mit der gebotenen Toleranz, wenn Gläubige sich selbst entschlössen, von der einen in die andere Konfession überzutreten.

Aber selbst die verbliebenen offenen Fragen müsste einen Dialog zwischen den Kirchenführern und ein Treffen zwischen Patriarch Kyrill und Papst Franziskus nicht verhindern, prophezeite Nuntius Jurkowitsch schon vor zwei Jahren: „Strong results happen when you expect less“, sagte er damals, kraftvolle Ergebnisse gibt es oft dann, wenn man sie gerade nicht erwartet hat. Das Treffen zwischen Kyrill und Franziskus wird solche Ergebnisse zeitigen.

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