26. April 2024

Merkel bleibt

Wieder ein EU-Gipfel zum Flüchtlingsthema, und wieder ist er praktisch ergebnislos. Eine Lösung ist sogar weniger wahrscheinlich als zuvor, da nun auch der türkische Premier vermittelt, dass er die rettende Idee Angela Merkels nicht mehr mitträgt, die Türkei solle – mit EU-Geld ausgestattet – das Flüchtlingsproblem auf sich nehmen.

So wird auch das Jahr 2016 werden wie das Jahr zuvor: Die Zahl der Flüchtlinge wird wiederum die Millionengrenze erreichen. Mehr als 100 000 Menschen aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und anderen Ländern sind im Januar und Februar schon in Deutschland angekommen, und auch die Maßnahmen Österreichs und der Visegrad-Staaten bürden nur Deutschland alle Lasten auf: pro Tag will Österreich 3200 Menschen durchleiten, „die um internationalen Schutz in einem Nachbarstaat ansuchen wollen“ – mit anderen Worten: in Deutschland. Das macht pro Jahr schon mehr als eine Million.

Die Folge wird auch für Deutschland sein, bereits an den deutschen Grenzen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge sondern zu müssen – die einen hereinzulassen, die anderen abzuweisen. Und lange wird es nicht mehr dauern, dass wir auch bei Kriegsflüchtlingen zahlenmäßige Grenzen setzen und viele von ihnen in das sichere Herkunftsland Österreich zurückweisen. Angela Merkel wird hier spätestens dann einknicken, wenn die anstehenden Landtagswahlen der CDU das Signal gegeben haben werden, dass ihre Wähler den Kurs unbegrenzter Aufnahme, mangelnder Differenzierung und verweigerter Abschiebung nicht mehr mittragen. Die finanziellen Folgen (von den kulturellen ganz zu schweigen) deuten sich schon jetzt im Streit zwischen Finanzminister Schäuble und den Ministerinnen Nahles und Hendricks um zusätzliche Mittel für Integration und Sozialbauten an.

Angela Merkel hat in Deutschland eine große Mehrheit hinter sich in dem Willen, Menschen in Not zu helfen. Sie fand für ihren Kurs so lange Unterstützung, als europäische Solidarität noch in Aussicht stand. Sie hat auf diese Solidarität gebaut und sie nicht erhalten. Deshalb wird auch Deutschland seine Willkommenspolitik verlassen müssen. Ist die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende also gescheitert, muss sie abtreten?

Sie muss es nicht. Wenn ihre Großherzigkeit nun der nüchternen Betrachtung der Wirklichkeit weichen wird, bleibt für den politischen Betrachter ein großer Respekt für den vergeblichen Versuch, eine humane und großzügige Flüchtlingspolitik in der Europäischen Union durchzusetzen. Deshalb wird ihre Macht in der CDU auch nicht schwinden, im Gegenteil: der Stolz auf diese Kanzlerin steigt. Sie wird zudem für viele Menschen im liberalen und linken Spektrum Deutschlands wählbar, die sich ein CDU- Wahl-Kreuzchen niemals vorstellen konnten. Die CDU rückt nach links. Zurück bleiben etwa zehn Prozent Konservative, die sich dann am rechten Rand eine neue Heimat suchen werden – und auch das ist in einer Demokratie keine Katstrophe.

Follow

Get every new post delivered to your Inbox

Join other followers: