28. März 2024

Wissenschaftlich brillant, politisch nützlich

Angus Deaton, so schrieb dieser Tage ein Kommentator, sei nicht nur ein preiswürdiger Wissenschaftler, er sehe auch wie ein glanzvoller Professor aus: „Ein schlaues Gesicht, ein Körper, der durch Geistesarbeit an zu viel Bewegung gehindert wurde, und eine Fliege machen ihn auch äußerlich zur ersten Wahl.“

Dennoch ist es allein die wissenschaftliche Leistung Deatons, die ihm nun den Wirtschaftsnobelpreis eingebracht hat. Diese Verleihung an den gebürtigen Schotten passt genau in die Zeit. Denn der Princeton-Ökonom hat sich der Gesundheits- und Entwicklungsökonomie sowie Fragen der Wohlfahrt zugewendet, in englischer Sprache schöner: dem „Wellbeing“. Wann empfinden Menschen Glück? Was veranlasst sie, Geld auszugeben – oft mehr, als sie gegenwärtig haben? Warum funktioniert die tradierte Form von Entwicklungshilfe nicht? Ist die Bekämpfung von Krankheit sinnvoll? Warum sind Zölle armutsfördernd? Gibt es eine Tyrannei der Experten – oder sind sie notwendige Voraussetzung sinnvoller Entscheidungen? Empfinden ältere Menschen Kinder als Glück – und unter welchen sozialen Umständen?

Die Fragen, die Deaton stellt, sind stets hochpolitisch. Die Antwort darauf sucht er nicht in abstrakten Modellen. Erst die detaillierte Bestandsaufnahme der Wirklichkeit gibt ihm den Mut, darauf eine Theorie zu bauen, die wirklichkeitsnah Zusammenhänge erklärt. Damit hat er weltweit viele politische Entscheidungen beeinflusst – in den Steuersystemen ebenso wie in der Welt-Handelspolitik oder in der Entwicklungsökonomie. Aus diesem Grunde werden nicht nur Wissenschaftskollegen herzlich gratulieren, sondern auch Politiker, deren Entscheidungskompetenz Deaton vielfach gestärkt hat.

Mit dieser Wahl hat das Preiskomitee dieses jüngsten Nobelpreises – den Wirtschaftsnobelpreis gibt es erst seit 1968 – die Kritiker solcher Preisauszeichnungen erneut aufs Schönste widerlegt. Zu ihnen zählte auch August von Hayek, selbst Nobelpreisträger, der die Intelligenz der Vielen für wirksamer und wichtiger hielt als einzelne wissenschaftliche Leistungen. Das verkennt, dass Preise im allgemeinen und ein Nobelpreis im Besonderen Ehrgeizpotentiale freisetzen, deren Ziel nicht nur das Preisgeld, sondern vor allem die mit der Preisverleihung verbundene soziale Differenzierung ist. Nobelpreisträger – viel mehr kann man nicht werden in dieser Welt. Für Deaton wird der Nobelpreis nicht Ruhekissen sein, sondern weiterer Ansporn. Und er ist nicht alt genug, als dass er seinen wissenschaftlichen Zenit bereits überschritten hätte.

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