29. März 2024

Ein Nobelpreis als Ermutigung zum Frieden

Buchmacher und politische Beobachter hatten Tunesien nicht im Blick, als sie über die Vergabe des diesjährigen Friedensnobelpreises spekulierten. Dennoch: Dies ist eine gute Entscheidung des Osloer Komitees. Es ist einer Auszeichnung wert, wenn sich aus der Mitte der Gesellschaft – in Tunesien aus Gewerkschaftsverband, Arbeitgeberverband, Menschenrechtsliga und Anwaltskammer – eine Initiative bildet, die die demokratische Stabilisierung eines Landes schafft und es vor Zerfall und fundamentalistisch motivierten Kriegen bewahrt.

Solche politische Intelligenz ist im Nahen Osten keine Selbstverständlichkeit. Während der Jemen und Libyen darin scheiterten, die politischen Kräfte des Landes mit dem Ziel der Stabilisierung des Landes zu einigen, während der Irak und vor allem Syrien in mörderischen Kriegen versinken und Ägypten nur durch eine Militärdiktatur befriedet ist, konnten die zivilgesellschaftlichen Kräfte vorhandene Hindernisse überwinden und das Heft des Handelns in der Hand behalten.

Der Umstand, dass Tunesien Ausgangspunkt des „arabischen Frühlings“ gewesen ist, ließ dabei aus dem Protest gegen totalitäre Machtstrukturen nicht automatisch eine Demokratie werden. Vielmehr versank auch Tunesien zunächst in Chaos, als der linksgerichtete Politiker Mohammed Brahmi Opfer eines Attentats geworden war und die Opposition daraufhin das Parlament boykottierte.

Tunesien ist also zum Musterfall arabischer Demokratisierung geworden. Zwar ist der Ausgang des 2013 begonnenen Einigungswerkes immer noch ungewiss, doch die in den letzten zwei Jahren erzielten Erfolge rechtfertigen eine bedeutende Ermutigung. Als solche ist die Vergabe dieses Friedensnobelpreises auch gemeint in einem Nahen Osten, der zum Pulverfass der Welt geworden ist.

Angela Merkel, die bei den Buchmachern beste Chancen hatte, bekam den Preis nicht. Chancen hatte sie, weil die humanistische und christliche Überzeugung, die hinter ihrer Willkommenskultur für Flüchtlinge steht, international außergewöhnlich und mit hohem persönlich-politischen Risiko verbunden ist. Aber: Es muss sich erst noch erweisen, ob die Flüchtlingsströme in der Bundesrepublik auch so organisiert, kanalisiert und integriert werden können, dass Deutschland am Ende nicht politisch zerreißt. Anzeichen dafür gibt es bereits. Der wirkliche Erfolgsmesser für die gewagte Politik Angela Merkels steht also noch aus, und diese Bilanz wird eher in Jahrzehnten als in ein oder zwei Jahren zu ziehen sein. Bis dahin, zum Trost für die Kanzlerin, werden noch viele Friedensnobelpreise vergeben.

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