19. April 2024

Von den Gesetzen der Ökonomie

Der griechische Olivenbauer Nicos Psaltiras hat für eine deutsche Zeitung Tagebuch geführt. Er lebt in einem Dörfchen auf dem Peloponnes, und dort, schreibt er, „gibt es keine Probleme mit der Versorgung. Außerdem produziert man vieles selbst. Wir zum Beispiel haben Hühner und Ziegen, Oliven, einen riesigen Garten, in dem alles wächst: Tomaten, Salat, Zucchini, Bohnen.“ Die meisten Leute dort sagten sich: „Ich hab mein Haus, ich hab meinen Garten, ich kann fischen oder jagen.“ Und wenden sich, krisenfest, dem griechischen Alltag zu.

Tatsächlich zieht es die Menschen ja auch bei uns aufs Land nicht nur der Ruhe wegen. Im Hinterkopf schwingt der Wunsch nach Autarkie mit, nach einem unabhängigeren Leben. Manche haben Kriegserinnerungen und wissen, wie flüchtig der Reichtum eines Landes sein kann. Als wir vor mehr als 20 Jahren unser Heidehaus kauften, war der Garten vollständig mit Kartoffeln bepflanzt. Gartenmöbel gab es nicht. Auch diese Vorbesitzer hatten den zweiten Weltkrieg noch erlebt .

Wer aufs Land zieht, der möchte teilhaben am Kreislauf der Natur und sehen, wovon etwas kommt – ein Gefühl, das dem Etagenwohnungsmenschen aus München-Schwabing oder Hamburg-Eppendorf im supermarktgesteuerten Alltagsleben abhanden zu kommen droht – und erst recht seinen Kindern.

Übers Wochenende hatten wir Besuch von einigen jungen Familien. Auch Leander war da, der wird demnächst vier. Mit ihm habe ich Sonntag morgen die Beete gegossen, Buschbohnen gesät, (Horstsaat, fünf Bohnenkerne pro Pflanzloch). Wir haben Mairübchen, Kohlrabi, Salat und Erdbeeren geerntet, und auch Pfefferminze zum Trocknen für die Teekiste für den Winter. Er war begeistert bei der Sache und durfte davon auch etwas mitnehmen nach Wiesbaden.

Jeder Gärtner weiß: Wenn man die Pflanzen nicht richtig pflegt, wird daraus nichts. Die Gesetzmäßigkeiten der Natur lassen sich nicht überlisten. Ohne Wasser kein Wachstum, ohne Wachstum kein Ertrag, ohne regelmäßiges Schneckensammeln kein Salat. Wer sich daran nicht hält, wird von diesen Gesetzmäßigkeiten bestraft, da nutzt es nichts, Wünsche für die Wirklichkeit zu nehmen.

Giannis Varoufakis – ja, genau der – hat vor seinen unrühmlichen Ministerzeiten einmal rühmlicherweise geschrieben, es sei unrealistisch, „den europäischen Kapitalismus durch ein anderes vernünftigeres System ersetzen“ zu wollen. Denn ebenfalls realistischerweise sei man ja nicht in der Lage, diese Lücke „mit einem funktionierendes sozialistischen System zu überbrücken.“ Mit anderen Worten: Auch wirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten lassen sich, wie jene im Garten, nicht aushebeln, wie sehr man sich das ideologisch auch wünschen mag.

Mein Leser Ludwig Hengstmann beispielsweise hätte gerne, dass es ein Ende hat mit dem Wachstum, er schrieb mir zu meiner Enzyklika-Kritik: „Wenn Volkswirte tatsächlich so begrenzt sind, dann braucht man sich über die Krisen selbst im Alten Europa nicht zu wundern, denn Lösungen gibt es ja nur, wenn man immer so weiter macht, wie bisher.“ Ja, ohne Wachstum geht es nicht. Aber es kann nachhaltiger und ökologischer sein, das wäre für niemanden ein Schaden.

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