18. April 2024

Tue Buße und schreibe darüber…

Im 12. Kapitel seines Evangeliums berichtet Lukas von einem Gespräch mit den deutschen Finanzministern und Stadtkämmerern:  „Und er sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier, denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.“  Der Appell von höchster Stelle hatte offenkundig wenig Wirkung, wovon jeder Steuer- und Gebührenzahler ehrlich Zeugnis ablegen kann. Vielmehr gehen unsere Politiker mit ihrer Raffgier unverändert ganz offen um, das neunte Gebot: „Du sollst nicht begehren  deines Nächsten Hab und Gut“ ist ihnen einerlei. Aber Hochmut kommt vor dem Fall: Denn die Avaritia, die Habsucht, zählt immerhin zu den sieben Hauptsünden, die wiederum als Wurzeln der Todsünden betrachtet werden. Und was dann folgt, wissen wir ja: Hölle und ewige Verdammnis.

Aber es ist ja noch schlimmer, denn mit Steuern und Abgaben hat es kein Bewenden. Mit gewaltigem Hirnschmalz und Personalaufwand haben sich vor allem die Kommunen dem sogenannten Bußgeld zugewendet, dem Sahnehäubchen staatlicher Raffgier. Seine Aufkommensdynamik lässt sich wunderbar steuern. Das beste Beispiel dafür sind die festen und mobilen Radaranlagen im Straßenverkehr. Hier betätigen sich Kommunen als abgezockte Fallensteller, das erhoffte Geld aus den „Bußgeldern“ wird als Zielgröße fest in den Etat eingestellt. Zehn Millionen Euro sind das zum Beispiel allein in Bielefeld, durch deren Territorium die A 2 läuft. Wenn die zuständigen Beamten nicht ausreichend viele Verkehrssünder produzieren, sieht es schlecht aus mit der Karriere, und da ist es diesseits kein Trost, dass der Kämmerer wegen seiner Habgier später in die Hölle muss.

Das heißt: Mit der Sünde wird fest gerechnet. Nur ein Sündenbürger ist ein guter Bürger. Deshalb wird die Verkehrssünde zum Segen des Fiskus auch gerne provoziert. Beliebt ist beispielsweise, kurz vor solchen Radarfallen eine Baustelle einzurichten, in deren Stau man stundenlang verharren muss – um dann im frischen Schwung wiedergewonnener kreatürlicher Freiheit und in höchster Zeitnot durch den  gierigen Blitz der Radarfalle signalisiert zu bekommen: Freiheit ist nicht umsonst. Als erfolgreich hat sich auch erwiesen,  zu mitternächtlicher Stunde auf beinahe leeren Autobahnen dort zu blitzen, wo  Geschwindigkeitsbegrenzungen den Fahrer zu Stoßzeiten des Berufsverkehrs disziplinieren sollen. Ansonsten hilft dem Fiskus, alle paar Hundert Meter die Höchstgeschwindigkeit neu auszurufen: 100, dann 130, dann unbegrenzt, plötzlich wieder 80: Da verliert der Gutwilligste den Überblick.

Als Christ würde man in einem christlichen Land, dessen Verfassung den Bezug auf Gott nimmt, Hilfestellung bei der Sündenvermeidung erwarten. Hier aber kujoniert der größere Sünder den Kleinen. Und er versucht zugleich, seine Missetat klein- und die seines Opfers großzureden, indem er die Moral für sich pachtet. Das geschieht, indem er in Kumpanei mit den Ingenieuren der veröffentlichten Meinung die Normen so setzt, dass Steuerschröpfen sowie die staatliche Beihilfe zur Sünde als politisch korrekt, die folgenlose Geschwindigkeitsübertretung aber als übler Anschlag auf das Gemeinwohl gelten, eben als „Sünde“. Und ganz unerhört ist es, wenn man sich auf den oft höchst unscharfen Fotos der Bußgeldbescheide gar nicht wiedererkennt – sofort wird ein Verstoß gegen das  achte Gebot unterstellt: „Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider Deinen nächsten“.

Der Staat bedient sich zwar des theologischen Vokabulars („Sünder“, „Bußgeld“), kennt aber den reuigen Sünder nicht. Auch anerkennt er nicht die sündentilgende Beichte („Lieber Herr Ramsauer, es tut mir leid, ich entschuldige mich dafür, dass ich auf der A 7 zwischen Thieshope und Ramelsloh 21 km schneller als erlaubt gefahren bin“), lehnt also jeden seelsorgerlichen Akt ab. Vielmehr besteht er auf einer Praxis, die schon Luther auf die Nerven ging: Erst wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt – ein Ablasshandel im Ordnungswidrigkeiten-Geschäft, dessen Sinnhaftigkeit heute nicht größer ist als damals. Obendrein schlägt noch der Punktehammer zu, wie seinerzeit der Hexenhammer: bei 8 Punkten wird der Führerschein künftig verbrannt.  Man sieht: Der Staat ist sündenvoll, doch gnadenlos.

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