19. März 2024

Männerpolitik? Nein, danke.

Also, Kristina Schröder fanden wir bisher toll. Jeder soll nach seiner Facon selig werden, das war ihre Maxime der Familienpolitik. Rollenbilder wolle sie nicht vorgeben, keineswegs und niemals. Das predigte sie landauf, landab, in Interviews und Akademien. Und wenn, dann seien es die Frauen, die Unterstützung brauchten. Das war auch in Ordnung, und wir Männer haben applaudiert, weil wir unsere Frauen lieben und niemandem im Wege stehen wollen, der sie (außer uns, sowieso) unterstützt. Wir haben auch hingenommen, dass Frau Schröderganz  in der Tradition ihrer Vorgängerin und siebenfachen niedersächsischen Mutter vom Pfad ihrer selbstdefinierten Tugend der Rollenneutralität abwich, indem sie die Rolle berufstätiger Eltern bei Kinderauszeiten finanziell besserstellte und jene leer ausgehen ließ, die sich zu Hause gleich um Kinder und Haus kümmerten und den Umweg über die Subventionsvoraussetzungen gar nicht erst nahmen.  Alles war ok, solange unsere Frauen mit dieser yuppie-Frauenpolitik auch glücklich waren und Kristina uns ansonsten in Ruhe ließ. 

Jetzt aber hat, so scheint es uns, auch Kristina Schröder dieses ganze System aus Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten und Gender Mainstreaming satt, jetzt hat auch sie gefühlt, dass das Gewese um die angeblich benachteiligten Frauen den Zenit seiner Glaubwürdigkeit überschritten hat und auch die feministischsten Frauen den biologischen Unterschied zwischen Männer und Frauen nicht werden hinwegdebattieren können. Das Ende der politischen Gleichstellungsbeglückung, von absurden Gesetzen, deren Lebensfremdheit mit zunehmender Entfernung der gesetzgebenden Instanz von der Basis steigt (Brüssel also als Maximum) scheint gekommen.

Wahrscheinlich hat neben Kristina Schröder auch Alice Schwarzer längst begriffen, dass Männer und Frauen sich längst emanzipiert haben von ihren Vormündern der Politik, dass sie keine Lust mehr haben auf die Pose der feministischen Erzieherinnen, die ihre Geschlechtsgenossinnen wie schwachsinnige Adepten an die Hand nehmen wollen, um sie in eine leuchtende, selbstbestimmte Zukunft zu führen. Vermutlich sitzen die beiden oft zusammen, beklagen einmütig die sie frustrierende Lage und beratschlagen dann, wie sich dennoch die nächste Stufe ihres öffentlichen Konfliktes schauspielerisch erstklassig inszenieren ließe. Denn sie brauchen diese Inszenierung: Ohne Streit und Hader, ohne persönliche Herabsetzung als Stilmittel bräuchte die beiden keine Talkshow mehr. Das wäre der größte anzunehmende Unfall für Politiker und publizierende Schauspieler, wie Frau Schwarzer eine ist. Also muss man das Konfliktrad weiterdrehen.

Auch das wäre noch hinzunehmen, wenn Frau Schröder jetzt nicht entdeckt hätte, dass man „vor lauter Frauenpolitik die Männer vergessen“ habe. Wir Männer hatten damit gar kein Problem. Wir wollten gar nicht entdeckt werden, alles war gut. Wir haben in der Tradition unserer seit Jahrtausenden angeborenen Jagdleidenschaft die Muskeln spielen lassen, haben uns in den jeweils anstehenden Kampf geworfen, haben Beute nach Hause gebracht. Dort saßen die Ehefrauen und haben über die Verteilung der Beute entschieden. Sie haben geboren und erzogen, gekocht und gewoben, haben die Waffen fürs Leben bereitgelegt, und haben in allem klar gemacht, wo’s lang geht.

Sie hatten und haben das Sagen, und zwar nicht erst als Ergebnis akademischer Karrieren oder politisch schicker Machtquoten (in oft sinnentleerten Tätigkeiten, die Männer für Macht halten). Frauen hatten und haben die Macht auch nicht (nur) deswegen, weil Männer – so lesen wir – durchschnittlich alle sieben Sekunden an Sex denken. Sie waren und sind deswegen am Ruder, weil sie klüger sind als wir. Zugleich haben wir damit bestens gelebt, wenn man uns  nur ein wenig Bewunderung entgegenbrachte. Und Frauen sowieso, denn das war der Deal: Den Frauen die Macht, den Männern die selbstbewußte und ein wenig eitle Vorstellung davon.

Nun will Frau Schröder die Sache umkehren, den Frauen die Macht entwinden. „Wir haben“, schreibt sie in der Frankfurter Sonntagszeitung, „uns so sehr an den Monopolanspruch der Frauenpolitik auf alle Belange der Gleichberechtigung gewöhnt, dass der Gedanke, Jungen und Männer stärker in die Gleichstellungspolitik einzubeziehen, im besten Fall ignoriert und im schlechtesten Fall als Verrat an den Zielen der Frauenbewegung gebrandmarkt wird.“ Wir lesen von „männlichen Bildungsverlierern“, vom Mangel an männlichen Fachkräften in den Kindertagesstätten, vom auf den Männern lastenden „Diktat der uneingeschränkte Verfügbarkeit in Sechzig- bis Achtzig-Stunden-Woche“ (wieviel arbeitet eigentlich eine Familienmutter?), von „mangelnder Zeit für Verantwortung“ (??). Deshalb wird dieser Donnerstag der „boy’s day“ sein, eine Initiative der Bundesfamilienministerin. Er soll „Jungen berufliche Zukunftsperspektiven jenseits typischer Männerberufe eröffnen.“

Die Lösung des Problems heißt also auch in der Exegese dieser konservativ-liberalen Bundesregierung, die Frauen mehr zu Männern und die Männern mehr zu Frauen zu machen. Man wird ja noch mal fragen dürfen, ob diese Politik in Wirklichkeit nicht die Lösung, sondern das Problem ist. 

(Erschienen am 11.4.2011 in Christ und Welt/ DIE ZEIT) 

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