19. April 2024

Lasst das Grundgesetz in Ruhe!

Die deutschen Schulen sollen von der Bundesregierung Geld bekommen, um Computer kaufen zu können – großspurig als „Digitalpakt“ etikettiert. An dieser Nachricht fällt auf, dass die zuständigen Finanziers Bundesland und Kommunen das offenbar bisher versäumt habe, trotz voller Kassen – ein Skandal. Zweitens werden Schüler darüber nur lächeln – praktisch alle haben ja schon ein Smartphone und einen Laptop, und sie geben ihren Lehrern meist ohnehin schon häufig Nachhilfe. Wenn FDP-Chef Lindner also mahnt: „Die Digitalisierung darf an den Schülern nicht vorbeigehen“, dann ist das so richtig wie banal. An ihnen vorbeigehen darf allerdings auch nicht die Fähigkeit, lesen, orthografisch und grammatikalisch korrekt schreiben und gut rechnen zu können. Da werden die schönsten Computer die notwendigen pädagogischen Grundbemühungen nicht ersetzen können, Computer lernen nicht für die Schüler, meist lenken sie vom Lernen eher ab.

Aber: Jeder Euro zählt, also soll man den Zahlungswillen der Bundesregierung begrüßen. Dass wegen ein paar Computern nun aber das Grundgesetz geändert werden soll und sogar CDU-Bundespolitiker dafür eintreten, ist ein Stück aus dem ideengeschichtlichen Tollhaus gegenwärtigen Regierens. Offenbar hat da niemand mehr im Sinn, mit welchem feinsinnigen Ethos unsere Verfassungsväter das Grundgesetz seinerzeit organisiert und formuliert haben. Im Föderalismus und der damit verbundenen Aufteilung von Aufgaben liegt mehr als ein materielles Distributionsprinzip. Vielmehr manifestiert sich darin eine Geisteshaltung, die zur Akzeptanz (oder eben auch Ablehnung) des demokratischen Bundesstaates entscheidend beiträgt. Die bewusste Abkehr von zentralistischen Überlegungen differenziert diese Bundesrepublik von Staaten wie Frankreich, die nur ein politisches Zentrum kennen und deshalb auch den Unmut von Teilen der Bevölkerung provozieren, die sich in dieser Zentralität nicht wahrgenommen fühlen.

Es mag Gründe geben, über manche Zuständigkeiten neu nachzudenken. Die Bildungspolitik gehört nicht auf diese Liste, sie ist Sache der Länder und damit des Wettbewerbs-Föderalismus. Das ist auch gut so, so lange die Lehrpläne mancher Länder nach einschlägigen Koalitionsbildungen mit roten oder grünen Parteien sofort ideologisiert werden. Da schaffen es die abstrusesten pädagogischen Überzeugungen in die Schulwirklichkeit mit dem bekannten Ergebnis, dass die Leistungsfähigkeit der Schüler in den kulturellen Grundtechniken rapide Schaden genommen hat. Bildungspolitik aus rot-grüner Bundeshand möchte man sich da nicht vorstellen.

Aus all diesen Gründen sollte man den Föderalismus wegen der Anschaffung von ein paar Computern nicht beschädigen. Der Bund wird leicht andere Wege finden, seine Digital-Milliarden an die Länder zu überweisen, deren Konten er ja kennt.

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