25. April 2024

Merkel bleibt sich treu

Koalitionen, deren Mitglieder unter Wahlstress stehen, geben kein gutes Bild ab. Das ist schon immer so gewesen, und jetzt ist es wieder so: Die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, in Sachsen-Anhalt und in Baden-Württemberg sagen der CDU, vor allem aber der SPD durch das Aufwachsen der AfD schlechte bis verheerende Ergebnisse voraus.

Da rettet sich, wer kann. Sigmar Gabriel, der SPD-Chef, vergisst auf sein Amt als Vizekanzler und Koalitionspartner und fordert, panisch geradezu und ohne Absprache, umfangreiche Sozialpakete für die maßvoll situierten Teile der einheimischen Bevölkerung, damit deren Zorn auf die materiellen Leistungen für die bis 1,5 Millionen Flüchtlinge (und damit auf die mitregierende SPD) gemildert werde.

Über diese Forderung nach einem „Sozialpaket“ wiederum kann sich Wolfgang Schäuble gar nicht genug ereifern, er hält das für puren Populismus, für „erbarmungswürdig“ obendrein, „wenn wir Flüchtlingen in bitterer Not nur noch helfen dürfen, wenn wir anderen, die diese Not nicht haben, das gleiche geben oder mehr.“ Und da bremst es Schäuble auch nicht, dass er diese Gabriel-Watsche bei einer Pressekonferenz in Shanghai austeilt.

Horst Seehofer, der CSU-Chef, scheut die AfD wie der Teufel das Weihwasser und möchte diesen rechten Rand in Bayern gar nicht erst entstehen lassen. Deshalb gebärdet er sich selbst wie ein AfD-Agitator und fällt in regelmäßigen Abständen rhetorisch über die Kanzlerin her, fordert Flüchtlingsobergrenzen oder attestiert ihr, sie verwalte ein Regime des Unrechts. Das Gesamtbild: Eine Koalition, die streitet wie die Kesselflicker.

Unbeirrt und stoisch ruhig, auch eindrucksvoll prinzipienfest, bleibt allein die Kanzlerin. Einen Wechsel ihrer Politik stellt sie, auch am Sonntag bei Anne Will, nicht in Aussicht – es gebe, so sagt sie, keine Alternative zu einer europäischen Lösung und einer Zusammenarbeit mit der Türkei. Beides werde kommen, wenn es auch dauere. Also gibt es mit ihr auch keine Obergrenzen. Und schon gar nicht wird bis zum Wahltag am 13. März in den drei Bundesländern irgendein Sozialpaket Gabrielscher Vorstellung im Kabinett auch nur diskutiert.

Tatsächlich verfügen weder Seehofer noch Gabriel über wirklich praktikable und zugleich humane Ideen, wie man es anders machen könnte als die Kanzlerin. Auch sie wissen, dass der von Österreich organisierte Rückstau auf der Balkanroute nur vorübergehend Erleichterung schafft. Weder Griechenland noch die Türkei können das Flüchtlingsproblem ohne europäische und damit deutsche Solidarität lösen, der jetzt schmalere Flüchtlingsstrom wird wieder anschwellen. Viel wäre gewonnen, wenn es dabei gelänge, die tatsächlichen Kriegsflüchtlinge von den Wirtschaftsflüchtlingen wirksam bereits vor Einreise zu trennen.

Streit bis zum Wahltag am 13. März, erst einmal Ruhe danach. Man wird analysieren, Wunden lecken, Lehren ziehen. Diese Ruhe wird nicht lange anhalten, schließlich stehen schon ab Frühjahr 2017 in Ländern und dem Bund vier wichtige Wahlen an. Deren politische Agenda ist freilich heute noch gar nicht absehbar – zu unruhig sind die Zeiten.

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