24. April 2024

Barmherzigkeit

Unter den Festen, die die katholische Kirche kennt, hat das selten wiederkehrende „Heilige Jahr“ eine herausgehobene Stellung. Es ist ein Appell des Papstes an die ganze katholische Christenheit, sich das jeweilige Thema zu ihrem Herzensanliegen zu machen, es sich mit vielerlei Aktivitäten und liturgischen Formen über ein ganzes Jahr intensiv zu vergegenwärtigen. Das Thema dieses Heiligen Jahres, das nun begann, ist die Barmherzigkeit. Millionen Pilger werden nach Rom kommen, um in den nächsten zwölf Monaten für solche Barmherzigkeit Zeugnis abzulegen und den Papst in diesem Anliegen zu unterstützen.

Barmherzigkeit – die Abkehr vom griechischen Menschenbild der Wohlgeratenheit und der Perfektion, in dem Arme und Kranke abgesondert und die einen die Herren, die anderen die Knechte und Sklaven waren, ist ein Verdienst des Christentums. Das möchte der Papst unterstreichen.

Das Christentum hob solche soziale Schranken auf, definierte ein Menschenbild, in dem jedem die gleiche Würde zukommt. Im Innern wuchs daraus der Gedanke der Gemeinde und im Äußeren die Idee einer einzigen Menschheit, in der Brüderlichkeit herrschen sollte statt Haß.

Dieser Gedanken der jedem zukommenden Menschenwürde ermöglichte ein – anfangs vor allem auf Klöstern beruhendes – Armen- und Erziehungswesen und letztlich den moderne Rechts- und Sozialstaat, der menschliche Entfaltung grundlegend sichert. Es ist gut, diesen bedeutenden Verdienst des Christentums nicht zu vergessen.

Für Papst Franziskus ist solche brüderliche Barmherzigkeit der wesentliche Kern des Christentums. „Es ist wichtig, dass die Gläubigen sie leben und in alle Gesellschaftsbereiche hineintragen – vorwärts!“, rief er Anfang 2015, als er das Heilige Jahr zu diesem seinem Herzensthema ankündigte. Und: „Wie sehr möchte ich, dass die Orte, an denen sich Kirche zeigt – unsere Gemeinden und besonders unsere Gemeinschaften -, zu Inseln der Barmherzigkeit im Meer der Gleichgültigkeit werden.“

Dieses „Heilige Jahr“ soll auch einen Aufbruch signalisieren in einer Zeit, in der durch die weltweiten Migrationsbewegungen die barmherzige Nächstenliebe besonders gefordert ist. Der „Nächste“, also auch ein Flüchtling, könnte keine Solidarität mehr erwarten, sähe man in ihm nur noch den den Fremden, den Konkurrenten, den Feind. So ist es – für Christen und Nichtchristen – gut, sich der Barmherzigkeit stärker zu erinnern und sie zu leben. Sie macht auch unseren inneren Frieden aus.

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