19. April 2024

Wie weiter, CDU?

Die CDU tut gegenwärtig alles, um die eigenen Reihen nicht von der Unruhe der SPD infizieren zu lassen. Auf die Frage nach den Eventualitäten der Zukunft – Neuwahl? Kanzlerkandidat(in)? Jamaika? – heißt es nur, Originalton CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer: „Sie können davon ausgehen, dass die CDU für alles, was möglicherweise kommt oder nicht kommt, vorbereitet ist.“

Das liegt, vorsichtig gesagt, ein wenig neben der Wahrheit. Da wäre zunächst die Möglichkeit vorzeitiger Neuwahlen. CDU-Vize Armin Laschet hat wohl Recht, wenn er dieser Koalition aus SPD und CDU nur noch eine gesicherte Lebenszeit bis zum Herbst gibt, ein paar Vorhaben des Koalitionsvertrages sollen bis dahin noch Gesetz werden, das Einwanderungsgesetz etwa oder die Pflegeverbesserungen. Aber die inneren Erschütterungen der SPD werden ja weitergehen, und sie führen gewiss, aus größter programmatischer Verzweiflung, zum SPD-Ausstieg aus dieser Koalition (obwohl die SPD mit ihren Projekten hoch erfolgreich gewesen ist). Was dann? Dass die CDU auf einen rasch einsetzenden Wahlkampf in keiner Weise vorbereitet ist, lässt sich an einigen Punkten festmachen.

Erstens ist ihre politische Kommunikation hoch defizitär. Sie versteht es nicht, die heute präsenten Instrumente der politischen Kommunikation ertragreich einzusetzen. Wenn mehr als 30 Millionen – vorwiegend jüngere – Deutsche per Facebook kommunizieren und sich dort informieren, dann ist das nicht mehr vernachlässigbar. Offen ist auch die Frage, wer die einschlägigen Botschaften transportiert. Auf diese Botschafter aber kommt es ganz wesentlich an, wer in den sozialen Medien bestehen will, muss besonders frisch in der Diktion, klar und ehrlich in der Sache, glaubwürdig in der Person und charismatisch sein. Wen hat die CDU da zu bieten? Mit Matthäus 22:14 könnte man sagen: „Viele fühlen sich berufen, aber nur wenige sind auserwählt.“

Vor allem aber: Die Botschaften der CDU selbst sind ganz undeutlich. Bei seiner Klausur am Wochenende hat der Vorstand der Partei die Frage erörtert: „Wie wollen wir in 20 Jahren leben?“ Ja, wie? Den Wohlstand wollen die Menschen unbedingt, aber sie wollen auch: Energie ohne Kernkraft, Kohle und Erdgas; eine nachhaltige Industrie, nachhaltige Wirtschaft, nachhaltige und ökologisch gewendete Landwirtschaft; Mobilität ohne Umweltprobleme; eine perfekte digitale Infrastruktur; soziale Gerechtigkeit durch umfangreiche Sozialleistungen; innere und äußere Sicherheit. Kurz: Ein perfektes Leben ohne Umweltkosten und Risiko. Und alles möglichst schnell. Wofür von all dem hat die CDU wirklich schon Rezepte? Worauf ist sie im AKK-Sinne „vorbereitet“?

Dann ist da noch das Kanzlerkandidaten-Problem. Der Widerstand gegen Frau Kramp-Karrenbauer nimmt zu, bei der Jugend kommt sie mit ihrer formelhaften Rhetorik nicht an, die bürgerlichen Wähler schauen ihr ein wenig ratlos zu und die Wirtschaft verspricht sich nichts von ihr und prüft vielerorts den Absprung aus Deutschland. Die Suche nach Alternativen ist im Gange, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis das offen diskutiert wird. Und das wird bald sein.

CDU: Stolz auf die eigene Umweltpolitik

Es gehört zu den aktuellen Erfordernissen für die großkoalitionären Parteien, sich ständig an die Brust schlagen zu müssen, „mea culpa!“ ausrufend. Sie müssen sich vor einer Öffentlichkeit aus jugendlichen Freitagsdemonstranten, Youtubern und konfliktlechzenden Medien gegen den Vorwurf verteidigen, sie hätten jahrzehntelang den Klimaschutz verschleppt. Weil sie selbst erschrocken sind über die Wucht der Vorwürfe, lassen sich viele Politiker nun zu unterwürfiger Rhetorik hinreißen, gegen alle Fakten. CDU-Ministerpräsident Günther sagt beispielsweise, Klimaschutz und Nachhaltigkeit müssten nun mehr denn je zu „Kernelementen konservativer Politik“ werden.

Das waren sie schon seit langem. Nun ist Günther erst zwei Jahre auf der politischen Bühne, sein politisches Gedächtnis sollte aber weiter zurückreichen. Es war die CDU, die das rot-grüne Ausstiegsszenario aus der Kernkraft drastisch verkürzte. Es war die CDU, die den Ausstieg aus der Steinkohleförderung organisierte. Es war die CDU, die sich unter großen Opfern (der Arbeitnehmer) zu einer Beendigung der Braunkohleförderung im rheinischen Revier und in Sachsen verstand. Es war auch die CDU, die den Emissionshandel so in Szene setzte, dass große Mengen schädlichen Klimagases eingespart werden konnten. Und es war die CDU, die immense Steuer-Summen für eine Energiewende aufwendete, die in der Welt ihresgleichen nicht findet.

Das mag im einen oder anderen Fall nicht das Maximum gewesen sein. Es war aber das Optimum, das angesichts konkurrierender Ziele (um die sich die jungen Umweltprotestler wenig Sorgen machen) erreichbar gewesen ist. Diese konkurrierenden Ziele heißen: stabile Energieversorgung, sichere Arbeitsplätze in der deutschen Industrie, soziale Sicherheit, regionale Steuereinnahmen – zum Beispiel.

Wieso also lässt die CDU sich widerstandslos abwatschen für politische Maßnahmen, auf die sie eigentlich lauthals stolz sein sollte? Wenn man der CDU und auch der SPD einen Vorwurf machen kann, dann den, dass sie dieses Optimum nicht entschieden genug umsetzen. Die Energiewende misslingt gegenwärtig, weil der Bau der Leitungen für den Windstrom der Nordsee nach Süden nicht durchsetzbar ist – er wird blockiert von hysterischen Umweltaktivisten und einem Verbandsklagerecht für NGOs, das längst auf den Müllhaufen der Legislativgeschichte gehörte. Dorthin hat es die Große Koalition aber aus lauter Angst vor irgendwelchen Aktivisten nicht befördert, mit der Folge, dass von den notwendigen 7000 Kilometern Stromleitungen erst 700 Kilometer stehen, ein Zehntel.

Der Weg in die energiepolitische Zukunft muss mit technischem und politischem Verstand gegangen werden, ruhig und zielsicher. Nervosität ist nicht angesagt, sondern wissenschaftlich begründetes, unideologisches Handeln. Dass gegenwärtig allenthalben Ideologie und Emotion planvolle Sachlichkeit ablösen, gehört zu den folgenreichsten Fehlentwicklungen unserer Zeit.

Nicht anklagen, reden!

Die katholische Kirche wird das Missbrauchsthema nicht los. Was immer die Bischöfe zur Aufarbeitung beschließen, immer melden sich medial wirksam neue Bedenkenträger von innerhalb und außerhalb der Kirche. Nun hat auch der Leiter der Forschergruppe, die im Herbst im Auftrag der Bischöfe eine wissenschaftliche Studie über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche vorgelegt hatte, kritisiert, noch immer könne er „bisher keine gemeinsame Strategie erkennen, weitere Forschungsarbeiten in Gang zu setzen.“

Das ist unredlich. Denn die Maßnahmen, die in den letzten Monaten und Jahren von den deutschen Bischöfen beschlossen wurden, sind sehr weitreichend. Sie umfassen ein verbindliches überdiözesanes Monitoring für die Bereiche Aufarbeitung, Intervention und Prävention; eine unabhängige Aufarbeitung auch der Frage, wer die institutionelle Verantwortung dafür trug, dass all das möglich wurde; die Fortentwicklung eines Verfahrens zur Anerkennung erlittenen Leids; das Angebot externer Anlaufstellen; die Standardisierung in der Führung der Personalakten von Klerikern. Besondere Aufmerksamkeit hat auch das bischöfliche Angebot verdient, in einem synodalen Weg über Macht, Partizipation und Gewaltenteilung in der Kirche und über Aspekte der katholischen Sexualmoral zu sprechen, ebenso über die bisherige priesterliche zölibatäre Lebensform.

Das sind große Schritte, die zu bedeutenden Ergebnissen führen können, wenn auch die katholischen Laien sich konstruktiv an diesem Weg beteiligen. Dort aber, so scheint es, wollen manche Interessengruppen die Fragen zur Aufarbeitung und zur Prävention von Missbrauchsfällen verbinden mit anderen offenen Zukunftsproblemen der Kirche – vorweg mit der Rolle der Frauen und ihrem Zugang zu kirchlichen Weiheämtern. Um ihrem (berechtigten) Anliegen Dringlichkeit zu verschaffen, ordnen sie Ungelöstheit der Frauenfrage ein in die Ursachen des geschehenen Missbrauchs.

Dort freilich gehört die Debatte um Frauen in der Kirche nicht hin. Das macht schon der Umstand deutlich, dass es Missbrauchsfälle größeren Ausmaßes auch in vielen anderen Organisationen gibt, in denen Frauen ebenso vertreten sind wie Männer. Weder waren die evangelische Kirche vor solchen Vorfällen gefeit noch Sportvereine, Internate, Hochschulen oder andere Institutionen. Missbrauch kann überall geschehen.

Es ist an der Zeit, dass sich die Laien und Kleriker in der katholischen Kirche aufeinander zubewegen, an vielen runden, anstrengenden Tischen und in Synoden alle Fragen aufarbeiten. Jede Frage für sich. Die Frauenfrage hat ihre eigene, besondere Würde und Bedeutung, sie braucht keine Hilfsargumente. Und Ursachen und Prävention des Missbrauchs bearbeitet man am besten, wenn alle diese Gespräche jetzt miteinander aufgenommen werden, mit Respekt und Vertrauen. Nicht anders haben es auch die unzähligen Geistlichen verdient, die ihren Dienst in und an der Kirche moralisch tadellos und unter großem persönlichen Einsatz tagtäglich versehen und die unter den Missbrauchsvorfällen mindestens ebenso leiden wie viele Laien.

Hinzu kommt: In Rom wird man gar nichts bewirken, wenn die Reformvorschläge aus Deutschland nicht von Laien und Klerus gemeinsam getragen werden. Auch deshalb ist dieses Miteinander jetzt dringend geboten.

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