18. April 2024

Nicht anklagen, reden!

Die katholische Kirche wird das Missbrauchsthema nicht los. Was immer die Bischöfe zur Aufarbeitung beschließen, immer melden sich medial wirksam neue Bedenkenträger von innerhalb und außerhalb der Kirche. Nun hat auch der Leiter der Forschergruppe, die im Herbst im Auftrag der Bischöfe eine wissenschaftliche Studie über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche vorgelegt hatte, kritisiert, noch immer könne er „bisher keine gemeinsame Strategie erkennen, weitere Forschungsarbeiten in Gang zu setzen.“

Das ist unredlich. Denn die Maßnahmen, die in den letzten Monaten und Jahren von den deutschen Bischöfen beschlossen wurden, sind sehr weitreichend. Sie umfassen ein verbindliches überdiözesanes Monitoring für die Bereiche Aufarbeitung, Intervention und Prävention; eine unabhängige Aufarbeitung auch der Frage, wer die institutionelle Verantwortung dafür trug, dass all das möglich wurde; die Fortentwicklung eines Verfahrens zur Anerkennung erlittenen Leids; das Angebot externer Anlaufstellen; die Standardisierung in der Führung der Personalakten von Klerikern. Besondere Aufmerksamkeit hat auch das bischöfliche Angebot verdient, in einem synodalen Weg über Macht, Partizipation und Gewaltenteilung in der Kirche und über Aspekte der katholischen Sexualmoral zu sprechen, ebenso über die bisherige priesterliche zölibatäre Lebensform.

Das sind große Schritte, die zu bedeutenden Ergebnissen führen können, wenn auch die katholischen Laien sich konstruktiv an diesem Weg beteiligen. Dort aber, so scheint es, wollen manche Interessengruppen die Fragen zur Aufarbeitung und zur Prävention von Missbrauchsfällen verbinden mit anderen offenen Zukunftsproblemen der Kirche – vorweg mit der Rolle der Frauen und ihrem Zugang zu kirchlichen Weiheämtern. Um ihrem (berechtigten) Anliegen Dringlichkeit zu verschaffen, ordnen sie Ungelöstheit der Frauenfrage ein in die Ursachen des geschehenen Missbrauchs.

Dort freilich gehört die Debatte um Frauen in der Kirche nicht hin. Das macht schon der Umstand deutlich, dass es Missbrauchsfälle größeren Ausmaßes auch in vielen anderen Organisationen gibt, in denen Frauen ebenso vertreten sind wie Männer. Weder waren die evangelische Kirche vor solchen Vorfällen gefeit noch Sportvereine, Internate, Hochschulen oder andere Institutionen. Missbrauch kann überall geschehen.

Es ist an der Zeit, dass sich die Laien und Kleriker in der katholischen Kirche aufeinander zubewegen, an vielen runden, anstrengenden Tischen und in Synoden alle Fragen aufarbeiten. Jede Frage für sich. Die Frauenfrage hat ihre eigene, besondere Würde und Bedeutung, sie braucht keine Hilfsargumente. Und Ursachen und Prävention des Missbrauchs bearbeitet man am besten, wenn alle diese Gespräche jetzt miteinander aufgenommen werden, mit Respekt und Vertrauen. Nicht anders haben es auch die unzähligen Geistlichen verdient, die ihren Dienst in und an der Kirche moralisch tadellos und unter großem persönlichen Einsatz tagtäglich versehen und die unter den Missbrauchsvorfällen mindestens ebenso leiden wie viele Laien.

Hinzu kommt: In Rom wird man gar nichts bewirken, wenn die Reformvorschläge aus Deutschland nicht von Laien und Klerus gemeinsam getragen werden. Auch deshalb ist dieses Miteinander jetzt dringend geboten.

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