7. Oktober 2025

Ja zum TTIP

Freihandelsabkommen sind kompliziert. Sie ändern nicht nur die Beziehungen der Vertragsstaaten untereinander, sondern haben auch Auswirkungen auf Dritte. Wenn ein solches Abkommen wie das des TTIP zwischen der Europäischen Union und den USA ansteht, dessen zehnte Verhandlungsrunde gestern in Brüssel begann, kann man getrost sagen: Es verändert die Welt.

Warum ist das so? In den letzten Jahrzehnten haben sich die Gewichtungen in der Weltwirtschaft neu justiert. Neben die Märkte der EU und der USA ist die Volkswirtschaft Chinas getreten, deren Bruttoinlandsprodukt gerade das der Europäischen Union überholt.

Das bleibt nicht folgenlos. Die stärksten Wirtschaftsräume sind es, die im Welthandel den Ton angeben – bei technischen Standards, aber auch beim Niveau von Umwelt- und des Verbraucherschutz, das in Europa und den USA weit anspruchsvoller ist als in Asien. Schon deshalb muss sich Europa bewegen, und zwar im Interesse sowohl seiner Wirtschaft als auch seiner Bevölkerung, die die bisherigen hohen Standards nicht preisgeben wollen.

Hinzu kommt: Durch den weiteren Abbau von Zöllen und die Senkung vieler sogenannter nichttarifären Handelshemmnisse (vor allem Subventionen) entsteht ein einheitlicher Markt für 800 Millionen Menschen mit einer Wirtschaftsleistung von 26 000 Milliarden $. Das zieht Wachstumschancen nach sich, die die europäische und auch die amerikanische Wirtschaft dringend brauchen.

Die Kritik am TTIP richtet sich auf vier Punkte: Zum einen könnten niedrigere US-Standards nach Europa gelangen, etwa bei Umwelt, Verbraucher- und Lebensmittelstandards oder in der Sozialpolitik. Tatsächlich lässt sich aber bei gutem Verhandeln auch das Gegenteil erreichen, nämlich der Export der jeweils besseren Standards zum Handelspartner – und die USA haben in einigen Bereichen schärfere Regeln als wir.

Der zweite Kritikpunkt: Der Subventionsabbau könnte Kulturgüter betreffen, Buchpreisbindung etwa oder Filmförderung. Aber das lässt sich ebenso verhandeln wie der dritte Punkt, der den „Demokratiegehalt“ der vorgesehenen internationalen Schiedsgerichte betrifft: Das ist ein in der Globalisierung und ihren supranationalen Instanzen immer nur annähernd lösbares Problem.

Zudem – und viertens – argumentieren die Kritiker, der freie Welthandel benachteilige die Kleinen und begünstige die Großen. Das Gegenteil ist richtig: Der Subventionsabbau in der EU und den USA fördert die Exportchancen kleinerer und ärmerer Länder (auch im Agrarsektor). Das war ab 1948 beim GATT so und – ab 1995 – beim WTO-Abkommen.

Für Europa kommt ein wichtiges Argument hinzu: Es ist besser, die USA in ein Freihandelsabkommen mit der EU einzubinden als sie einem US-asiatischen Abkommen dieser Art in die Arme zu treiben. In diesem Fall wären wir in jeder Hinsicht die großen Verlierer.

Von den Gesetzen der Ökonomie

Der griechische Olivenbauer Nicos Psaltiras hat für eine deutsche Zeitung Tagebuch geführt. Er lebt in einem Dörfchen auf dem Peloponnes, und dort, schreibt er, „gibt es keine Probleme mit der Versorgung. Außerdem produziert man vieles selbst. Wir zum Beispiel haben Hühner und Ziegen, Oliven, einen riesigen Garten, in dem alles wächst: Tomaten, Salat, Zucchini, Bohnen.“ Die meisten Leute dort sagten sich: „Ich hab mein Haus, ich hab meinen Garten, ich kann fischen oder jagen.“ Und wenden sich, krisenfest, dem griechischen Alltag zu.

Tatsächlich zieht es die Menschen ja auch bei uns aufs Land nicht nur der Ruhe wegen. Im Hinterkopf schwingt der Wunsch nach Autarkie mit, nach einem unabhängigeren Leben. Manche haben Kriegserinnerungen und wissen, wie flüchtig der Reichtum eines Landes sein kann. Als wir vor mehr als 20 Jahren unser Heidehaus kauften, war der Garten vollständig mit Kartoffeln bepflanzt. Gartenmöbel gab es nicht. Auch diese Vorbesitzer hatten den zweiten Weltkrieg noch erlebt .

Wer aufs Land zieht, der möchte teilhaben am Kreislauf der Natur und sehen, wovon etwas kommt – ein Gefühl, das dem Etagenwohnungsmenschen aus München-Schwabing oder Hamburg-Eppendorf im supermarktgesteuerten Alltagsleben abhanden zu kommen droht – und erst recht seinen Kindern.

Übers Wochenende hatten wir Besuch von einigen jungen Familien. Auch Leander war da, der wird demnächst vier. Mit ihm habe ich Sonntag morgen die Beete gegossen, Buschbohnen gesät, (Horstsaat, fünf Bohnenkerne pro Pflanzloch). Wir haben Mairübchen, Kohlrabi, Salat und Erdbeeren geerntet, und auch Pfefferminze zum Trocknen für die Teekiste für den Winter. Er war begeistert bei der Sache und durfte davon auch etwas mitnehmen nach Wiesbaden.

Jeder Gärtner weiß: Wenn man die Pflanzen nicht richtig pflegt, wird daraus nichts. Die Gesetzmäßigkeiten der Natur lassen sich nicht überlisten. Ohne Wasser kein Wachstum, ohne Wachstum kein Ertrag, ohne regelmäßiges Schneckensammeln kein Salat. Wer sich daran nicht hält, wird von diesen Gesetzmäßigkeiten bestraft, da nutzt es nichts, Wünsche für die Wirklichkeit zu nehmen.

Giannis Varoufakis – ja, genau der – hat vor seinen unrühmlichen Ministerzeiten einmal rühmlicherweise geschrieben, es sei unrealistisch, „den europäischen Kapitalismus durch ein anderes vernünftigeres System ersetzen“ zu wollen. Denn ebenfalls realistischerweise sei man ja nicht in der Lage, diese Lücke „mit einem funktionierendes sozialistischen System zu überbrücken.“ Mit anderen Worten: Auch wirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten lassen sich, wie jene im Garten, nicht aushebeln, wie sehr man sich das ideologisch auch wünschen mag.

Mein Leser Ludwig Hengstmann beispielsweise hätte gerne, dass es ein Ende hat mit dem Wachstum, er schrieb mir zu meiner Enzyklika-Kritik: „Wenn Volkswirte tatsächlich so begrenzt sind, dann braucht man sich über die Krisen selbst im Alten Europa nicht zu wundern, denn Lösungen gibt es ja nur, wenn man immer so weiter macht, wie bisher.“ Ja, ohne Wachstum geht es nicht. Aber es kann nachhaltiger und ökologischer sein, das wäre für niemanden ein Schaden.

70 Jahre CDU: Eine Erfolgsgeschichte

Die CDU begeht ihren 70. Geburtstag in starker Verfassung: Sie ist an der Regierung, und ihre Vorsitzende führt als Kanzlerin ein Land, das wirtschaftlich hoch lebendig und – auch deshalb – politisch einflussreich ist.
Aus allem erwächst der CDU eine große Verantwortung.

Sie hat diese Verantwortung in ihrer Geschichte immer zum Nutzen Deutschlands wahrgenommen: Konrad Adenauer, indem er den freien Teil Deutschlands in die durch eine bis heute anhaltende Wertegemeinschaft fundierte Westbindung führte und die Grundlagen für Europa legte. Ludwig Erhard, der seinen Namen mit der sozialen Marktwirtschaft verband, einem bis heute mustergütigen Modell zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Helmut Kohl, der mit größtem außenpolitischen Geschick die deutsche Einheit ermöglichen half, der Europa weiter festigte und es um eine Einheitswährung ergänzte. Und Angela Merkel, die seit 2000 der Partei vorsitzt und – gemeinsam mit Wolfgang Schäuble – die Partei und die Regierung national und international exzellent führt.

Der Erfolg der CDU beruht auf ihrer Fähigkeit, Volkspartei zu bleiben – Partei der Mitte. Flügel hat sie sich gelegentlich gehalten, sie aber nie ins Zentrum ihrer Programmatik gestellt. Extreme sind ihr fremd, der Preis dafür war und ist eine Anpassungsbereitschaft an Zeitströmungen, die ihr manche als Prinzipienlosigkeit auslegen. „Bereitschaft zum Kompromiss“, hat Angela Merkel das in ihrer gestrigen Festrede genannt. Anders aber lassen sich Optionen auf Regierungsmacht nicht verteidigen.

Der Vorwurf der Prinzipienlosigkeit trifft die CDU zu Unrecht. Merkel hat auf den Einsatz für die Menschenwürde, für Freiheit und die Verantwortungsbereitschaft der CDU hingewiesen, und sie ist ein kompetenter Partner sowohl für Wirtschaft als auch für die Gewerkschaften geblieben.

Das ist die Basis, auf der das CDU-Programm der Zukunft entstehen muss. Seine Prägungen sind Weltoffenheit und nicht Abschottung, Supranationalität und nicht nationale Enge, Freiheit und nicht Kontrolle, Solidarität bei gleichzeitiger individueller Risiko- und Verantwortungsübernahme. Zudem hat die CDU die Aufgabe, die Bedeutung Deutschlands und Europas zu wahren.

Das erfordert, Europa in eine neue Phase der Integration zu führen. Treibender Motor für die Stärkung Europas waren stets Europas Krisen. So bietet auch die Griechenland-Krise die Chance, die aufgedeckten institutionellen Schwächen der Europäischen Union und auch der Euro-Gemeinschaft zu beheben. Die Diagnose ist: Einzelstaatliche Souveränität hat sich überholt, sie ist in Zeiten großer Wirtschafts- und Währungsräume längst zur leeren Hülse verkommen. Angela Merkel und ihre Partei haben nun die Aufgabe, das den Menschen begreiflich zu machen und einen Europäischen Bundestaat mit stolzen Vaterländern zu schaffen.

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