7. Oktober 2025

Auf nach Tzatziki-Land

Man hat ja lange nichts von Varoufakis gehört. Schon mehrere Stunden sind vergangen, ohne dass er ein Interview gegeben und konstatiert hätte, dass an allem die Deutschen schuld sind. Derweilen kehrten Freunde von uns aus Griechenland zurück, sie hatten praktische Solidarität geübt, indem sie ihr Urlaubsgeld dort ausgegeben haben. Auch in diesem Sommer ist Griechenland ja das zweitbeliebteste Ferienland der Deutschen, nach der Türkei. Sie waren begeistert von griechischer Gastfreundschaft und erzählten, vor Ort redeten die Einheimischen ganz anders, als dies in unseren Medien berichtet werde. nämlich europafreundlich und ohne die Germanophobien ihrer kommunistischen Stammesführer.

Ich kann jetzt leider nicht nach Griechenland, keine Zeit. Aber ich liebe Griechenland. Als ich 1971 mit meiner Altgriechisch-Abiturklasse erstmals in Griechenland war (damals noch mit dem Zug ab München!), hat uns das alte Gemäuer mächtig beeindruckt. Zum Beispiel standen wir staunend in Delphi dort, wo Pythia ihr letztes Orakel sprach: „Sage dem König, das schöngefügte Haus ist gefallen/ Die Zuflucht Apollons dahin, der heilige Lorbeer verwelkt/ Die Quellen schweigen für immer, die Stimme verstummt.“ Von da an ging’s bergab in Hellas, bis zu Varoufakis.

Für mich aber war Griechenland vor allem Tzatziki-Land. Tellerweise stand das überall herum, früh, mittags, abends, zum Weißbrot, zum gegrillten Lammfleisch, zum Gemüse. Immer Tzatiki. Also habe ich dieser Tage ein kleines Griechenland-Solidaritätsessen veranstaltet und diesen Inbegriff griechischer Kulinarik selbst hergestellt. Denn in meinem Gewächshaus hängen derzeit prima Salatgurken. Auch Zucchini, Auberginen und Paprika sind fertig.

Dazu habe ich die Gurke geraspelt, das Wasser sorgfältig ausgedrückt, sie mit griechischem Joghurt und zwei zerdrückten Knoblauchzehen vermischt und Olivenöl und fein geschnittene Minzblätter dazugegeben. Lecker. Dazu kann man fingerdicke Zucchini- und Auberginenscheiben servieren, in Mehl gewendet und gebraten. Schließlich noch ein kleiner Eichblattsalat mit Paprika und Fetakäse, ein paar Oliven, eine Olivenöl-Vinaigrette: fertig.

Fast. Legen Sie noch den „Griechischen Wein“ von Udo Jürgens auf, das Heimwehlied griechischer Gastarbeiter: „Und dann erzählte sie mir von grünen Hügeln, Meer und Wind, von alten Häusern und jungen Frauen, die alleine sind, und von dem Kind, das seinen Vater noch nie sah.“ Jetzt alle: „Griechischer Wein ist so wie das Blut der Erde, komm, schenk dir ein, und wenn ich dann traurig werde, liegt es daran, dass ich immer träume von daheim; Du musst verzeih’n…“

Wenn Sie mit den griechischen Exilanten zusammen traurig sind, muss wenigstens der Wein anständig sein. Nehmen Sie einen 2010er „Mova“ vom griechischen Winzer Christos Kokkalis, der wie folgt beschrieben wird: „Sattes Schwarzrot, dichte Nase nach schwarzen Früchten, roten Waldbeeren, Gewürzen und Erde. Im Mund druckvoll und doch samtig, sehr dicht, gute Länge. Feine Frische dominiert, sehr eigenständig, tolle Frische und viel Terroir.“ So viel schweres Erdenblut als Krönung der Griechenland-Solidarität kostet keine Milliarden, sondern nur 16,50 € pro Flasche.

Verschlampte Bahn

Nicht das erste Mal ist der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn zusammengekommen, um den Vorstand mit dem Ziel besserer Zeiten zu verändern. Denn die Geschäfte des größten deutschen Verkehrsunternehmens laufen nicht gut, wohin man blickt: Im Fernverkehr nicht, im Personennahverkehr nicht und auch nicht im Güterverkehr.

Für die Malaise, die sich unter dem gegenwärtigen Bahnchef Rüdiger Grube vergrößert hat, präsentieren die Bahnvorstände wechselnde Begründungen: Mal ist die abgedrehte Lokführergewerkschaft schuld, dann ist es die Billigkonkurrenz der Fernbusse, immer ist es die Politik, weil sie die Rahmenbedingungen nicht so setzt, wie die Bahn das gerne hätte.

Wer häufig Bahn fährt, weiß indes, woran es wirklich liegt: Die Bahn ist, nimmt man alles in allem, in einem schlampigen Zustand. Die technischen Ausfälle kennt jeder Gast: Mal funktionieren die Toiletten nicht, dann die Klimaanlage, die Küche ist kaputt oder die Türen lassen sich nicht schließen. Das Zugmaterial – vor allem im IC-Bereich – ist teilweise eine schmuddelige Zumutung,

Das größte Ärgernis freilich sind die Verspätungen im Fernverkehr. Der Kunde tut mittlerweile gut daran, auf Umsteigeverbindungen zu verzichten, weil er sich auf Pünktlichkeit nicht mehr verlassen kann. Das beginnt oft schon am Einsatzort der Züge, die nicht selten „wegen verspäteter Bereitstellung“ unpünktlich starten. Die Begründungen – der leidgeprüfte Kunde kennt sie aus den vielfältigen Lautsprecherdurchsagen – setzen sich fort: Vorausfahrende Züge, Streckenüberlastungen, besetzte Bahnsteige, fehlende Fahrpläne für den Lokführer – alles Vorkommnisse, bei denen die Bahn so tut, als fielen sie einfach vom Himmel, sie gibt sich machtlos, statt sie in den planerischen Griff zu nehmen.

Für das Industrieland Deutschland ist der Zustand der Bahn nicht hinnehmbar. Ehe wir mit Milliarden die Welt sanieren, sollten wir im eigenen Land anfangen und die Infrastruktur, die auch an anderer Stelle vor allem im Westen der Republik verfällt, mit großer Anstrengung auf den neuesten Stand bringen. Dier Bahn braucht rasch weitere Schnellbahnstrecken für den Personen- und auch den Güterverkehr mit zügigen Planungsverfahren, sie braucht mehr erstklassiges Zugmaterial, sie braucht mehr Personal, sie braucht bessere Fachleute in Technik – und vor allem im Management.

Hier freilich sind Spitzenleute, die Erfahrung mit großen technischen Strukturen hätten, nicht in Sicht. Zu sehr ist die Bahn im politischen Griff, als dass sie vor parteipolitischen Begehrlichkeiten bei Personalbesetzungen gefeit wäre. Wenn diese Führungskräfte durch ihre Beziehungen wenigstens das Investitionsproblem der Bahn lösen könnten, indem sie die notwendigen Infrastrukturmittel heranschafften, wäre immerhin diese Kümmernis gemildert.

Entsetzliches Debattenklima: Zu einem Interview von Annegret Kramp-Karrenbauer

Annegret Kramp-Karrenbauer, Saarlands CDU-Chefin und Ministerpräsidentin, hat kürzlich ein Interview gegeben zur Debatte um die Homo-Ehe. Das ist, so weiß es der geschulte Zeitgeist-Beobachter, vermintes Gelände, handelt es sich doch um ein Thema, in dem die gefühlte und von schlagkräftiger Publizistik sorgfältig bewachte politische Correctness abweicht von dem, was in der Bevölkerung mehrheitlich gedacht wird.

Wer zu dieser Mehrheit zählt, muss bei ausreichender Prominenz mit medialen und politischen Attacken rechnen. Diese Angriffe wiederum halten sich weniger mit sorgfältiger Argumentation auf, sondern arbeiten mit den Mitteln der Empörung, die der politische Aktivist von heute glänzend inkorporiert hat. Empörung, gepaart mit der Fähigkeit zu polemischer Zuspitzung, ist sozusagen sein Handwerkszeug.

Was hat sie gesagt? Zuerst lobt sie die Anpassungsfähigkeit der CDU hin zur rechtlichen Angleichung von eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe und freut sich, „dass dies ohne Bruch in der Partei selbst gelungen ist.“ Allerdings sei es ihre Wahrnehmung an der Basis der Partei, dass dort „das Thema in einer anderen Tendenz diskutiert“ werde.

Zwar sei sie sich mit anderen einig, „dass bestehende Diskriminierungen zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft abgebaut werden müssen.“ Aber sie sei gegen ein volles Adoptionsrecht. Seit Jahren rede man davon, „dass für die Entwicklung von Kindern Vater und Mutter die beste Konstellation ist. In der Kita beklagen wir, dass es zu wenige männliche Vorbilder gibt.“ Und Annegret Kramp-Karrenbauer zieht daraus den naheliegenden Schluss: „Mir will nicht ganz einleuchten, dass das im engsten Umfeld, in dem Kinder geprägt werden, gar keine Rolle spielen soll. Gerade diese Frage dürfen wir nicht daran festmachen, ob sich jemand diskriminiert fühlt oder nicht – sondern allein am Kindeswohl.“

So gesehen möchte sie auch den Ehe-Begriff nicht aufweichen. Sie sei in der Bundesrepublik bisher klar „als Gemeinschaft von Mann und Frau“ definiert, sagt sie, und fügt hinzu: „Wenn wir diese Definition öffnen in eine auf Dauer angelegte Verantwortungspartnerschaft zweier erwachsener Menschen, sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen. Wollen wir das wirklich?“

Nichts an dem, was Frau Kramp-Karrenbauer da sagt, ist falsch. Für ihre Feststellung, dass Kinder am besten in einer funktionierenden Familie mit heterosexuellen Eltern aufwachsen, hat sie überwältigenden wissenschaftlichen Rückhalt. Das gilt auch für ihren Hinweis auf die pädagogischen Folgen des Defizits von männlichen Erziehungskräften in Kitas und Schulen.

Auch die Sinnhaftigkeit der Ehedefinition als Verbindung von Mann und Frau ist evident. Nichts anderes als das hat der Gesetzgeber gemeint, als er die Ehe unter den besonderen Schutz des Staates stellte. Denn politisches Handeln muss auf Verteidigung und Mehrung der Nation angelegt sein, mithin auf die besondere Förderung reproduktiven Verhaltens. Das alles lässt sich in jedem Grundgesetzkommentar nachlesen. Ehe ist dort „das auf Dauer angelegte und zuvor staatlich beurkundete Zusammenleben von Mann und Frau“, „Ehemerkmal ist die Geschlechtsverschiedenheit der Ehegatten“, Begriffsmerkmal ist „ihre zumindest prinzipielle Offenheit in Richtung der Familie“, mit der schützenden Aufgabe des Staates, „Ehe und Familie vor Drittbeeinträchtigung zu bewahren und durch geeignete Maßnahmen zu fördern.“ (Hier aus: Sachs, Grundgesetzkommentar, C.H. Beck).

Diese Reproduktionsfähigkeit ist, bei aller selbstverständlichen Toleranz gegenüber solchen Beziehungen, in homosexuellen Partnerschaften nicht vorzufinden. Da hilft auch der Hinweis auf mögliche Adoptionen nicht, die an sich kein reproduktives Verhalten sind, sondern Kinder vom einen zum anderen Ort umverteilen (was anlasshalber, angesichts des Zustandes mancher „normaler“ Familien, sogar angezeigt sein kann).

Für die staatliche Notifizierung von homosexuellen Beziehungen als „eingetragene“ Lebenspartnerschaft haben Lesen und Schwule bisher einzig mit dem wichtigen und zutreffenden Argument geworben, sie trügen füreinander die gleiche, auf Dauer angelegte Verantwortung, wie man sie in einer Ehe eingehe. So sagt etwa der homosexuelle CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn: „Wenn Schwule und Lesben sich rechtlich verbindlich binden wollen, leben sie genau die Werte, die uns wichtig sind.“

Das stimmt, und deshalb waren alle bisherigen rechtlichen Gleichstellungen auch vollauf angemessen – im Erbrecht, im Rentenrecht, im Versicherungsrecht, im Betreuungsrecht und auch im Steuerrecht.

Die Logik freilich sagt: In vielen anderen Beziehungen wird ebenfalls dauerhafte Verantwortung übernommen, ohne dass den Beteiligten alle diese finanziellen Vorteile zuwüchsen. Sie werden insofern gegenwärtig gegenüber gleichgeschlechtlichen eingetragenen Lebenspartnerschaften diskriminiert. Was ist mit der alleinstehenden Tochter, die jahrzehntelang ihre Mutter oder die Großeltern pflegt? Was mit füreinander sorgenden Geschwistern? Was ist mit Menschen, die sich hingebungsvoll um Nachbarn kümmern? Was ist bei Lebensgemeinschaften, die mehr als zwei Menschen umfassen? Hätten die alle mit jenem Argument nicht den gleichen Anspruch auf eine „eingetragene Lebenspartnerschaft“ mit allen ihren finanziellen Vorteilen? Oder eben, auf die Schließung einer „Ehe“, wie sie gegenwärtig so lautstark gefordert wird?

Es muss möglich sein, alle diese Fragen zu stellen und vor allem jene nach der besonderen Verantwortung des Staates in dieser Situation: Er darf nicht dem medialen Zeitgeist hinterherlaufen, sondern muss sich auf den Grundauftrag staatlichen Handelns besinnen, der in der auf Zukunft gerichteten Entwicklung der Nation liegen muss. Es ist naheliegend, dass die Reproduktionsrate hier den wichtigsten Faktor darstellt. Deshalb wird auch so intensiv darüber gesprochen und über Möglichkeiten, die Zahl der Geburten im Lande zu erhöhen: Deutschland ist ja Schlusslicht in Europa, die Milliardenausgaben der Familienpolitik haben bisher nur unzureichend (oder muss man sagen: keine?) Wirkung gezeigt. Dennoch bleibt es dabei: Aus allen diesen Gründen ist die auf Familiengründung gerichtete Ehe hervorgehoben zu fördern.

In einem Klima der Meinungsfreiheit, die wir ja lautstark für uns beanspruchen, muss über all das offen diskutiert werden dürfen. Frau Kramp-Karrenbauer aber erntete nicht etwa bedachte Gegenargumente, sondern “Empörung“, man zeigte sie wegen Beleidigung und Volksverhetzung an, warf ihr vor, sie betreibe „ein gefährliches Spiel mit bösen Ressentiments und Vorurteilen (Katja Suding, FDP), sie begebe sich „in zutiefst homophobe und menschenfeindliche Fahrwasser, sie „verlasse den politisch statthaften Diskurs“ (Johannes Kahrs, SPD), und Baden-Württembergs SPD-Chef Nils Schmid behauptete gar, Frau Kramp-Karrenbauer setze Homosexualität mit Inzest gleich – nichts davon hat sie gesagt.

Wieso muss eine abweichende Meinung mit persönlich verletzenden Angriffen beantwortet werden? Was an den Argumenten von Frau Kramp-Karrenbauer ist falsch – und was „politisch nicht statthaft“? Welche Zensoren schwingen sich da auf? Wohin ist unsere Demokratie geraten, wenn Minderheitenmeinungen nicht mehr angezweifelt werden dürfen?

Der saarländische Staatsrechtler Christoph Gröpl zeigte sich zu Recht entsetzt über dieses Debattenklima und wies darauf hin: „Seit einiger Zeit geht es im Recht nicht mehr um Freiheit für und Toleranz gegenüber Minderheiten, die haben wir längst. Es geht auch nicht mehr um Gleichbehandlung von Gleichem, sondern es geht um die Gleichbehandlung von Ungleichem unter dem Deckmantel der Gleichstellung. Ungleiche Sachverhalte werden verglichen und sollen rechtlich gleichgestellt werden. Ich kann nicht ausschließen, dass irgendwann auch andere Lebensformen besonders geschützt werden sollen.“

Insofern war Frau Kramp-Karrenbauers das Interview beschließende Anmerkung lediglich eine, die offen in die Zukunft blickt.

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