7. Oktober 2025

Franziskus und Kirill

Es ist hohe Zeit, dass sich die christlichen Kirchen der Welt auf engste Zusammenarbeit verständigen. Nie zuvor waren christliche Gläubige weltweit so unter Druck, im Nahen Osten, in Arabien und Afrika werden sie verfolgt und gemordet unabhängig davon, welcher christlichen Denomination sie angehören.
So gesehen sind die neuen Zeichen der Gemeinsamkeit, wie sie jetzt Papst Franziskus und der russisch-orthodoxe Patriarch Kirill von ihrem historischen Treffen in Havanna aussandten, enorm politisch. Russland nimmt für sich zu Recht in Anspruch, mit seinem Bombenkrieg in Syrien auch die Christen dort zu verteidigen, und es möchte dafür die Unterstützung der Religionsführer. Es ist müßig, darin auch das Motiv zu suchen, die westlichen Staaten zu spalten, das mag eine Nebenfolge sein. Tatsächlich aber lassen die gegenwärtigen Probleme den neuen Schulterschluss der Christen alternativlos erscheinen.

Alte Konflikte zwischen dem Vatikan und dem Moskauer Patriarchat nehmen sich der aktuellen Lage gegenüber eher harmlos aus. Da schwelt vor allem der Streit die mehr als 500 Sakralbauten, die die russische Orthodoxie in der westlichen Ukraine an die mit Rom verbundene griechisch-katholische Kirche verloren hat sowie die Klagen über Ungerechtigkeiten und Verfolgungen der mit dem Patriarchat von Moskau verbundenen orthodoxen Gläubigen in der Ukraine.

Dazu hatten in den letzten Jahren zahlreiche Gespräche auf Diplomatenebene stattgefunden. In regelmäßigen Kommissionstagungen hatte man all diese Fragen und Fragen grundsätzlicher theologischer Natur aufgearbeitet, theologische Unterschiede blieben, aber immer wieder betonte der russische Patriarch, schon Papst Benedikt habe für die russische Orthodoxie und für ihre Positionen „viel Verständnis“ aufgebracht, und auch der neue Papst habe „mit viel Liebe“ von der Ostkirche gesprochen. Ein Treffen war deshalb nur eine Frage der Zeit.

Hinzu kommt, dass sich die russische Orthodoxie in Fragen der Familienmoral oder einer Gender-Politik mit den Haltungen protestantischer Westkirchen gar nicht anfreunden kann. Ihre Standpunkte findet die Orthodoxie im ökumenischen Gespräch am ehesten bei der katholischen Kirche wieder, auch das macht die Annäherung leichter.

Sie wurde vor allem aktiv vom apostolischen Nuntius in Moskau betrieben. Iwan Jurkowitsch, der seit fast 25 Jahren in Russland arbeitet, ist seit fünf Jahren Chefdiplomat des Vatikan. Er lobt den engen Kontakt zwischen dem Vatikan und dem Heiligen Synod der Russischen Orthodoxie, der nicht nur auf gemeinsamer Geschichte beruhe oder dem Respekt, mit dem die Katholiken den Aufbau einer vollkommen strukturierte Weltkirche aus kleinem Ursprung verfolgt hätten. Vor allem die gemeinsamen Wertüberzeugungen hätten es ermöglicht, manche Irritationen früherer Jahre beiseite zu räumen.

Das gilt vor allem für den Vorwurf des Proselytismus, des „sheep stealing“, wenn also missionierende Weltkirchen mit universalem Anspruch sich gegenseitig die Gläubigen abjagen. Der katholischen Kirche würde das heute in Russland nicht mehr vorgeworfen, sagt Jurkowitsch, wozu ein klärender Besuch des damaligen Kurienkardinals Walter Kasper beim damaligen Patriarchen Aleksej II. im Jahre 2004 beigetragen hat. Seither nehme man es mit der gebotenen Toleranz, wenn Gläubige sich selbst entschlössen, von der einen in die andere Konfession überzutreten.

Aber selbst die verbliebenen offenen Fragen müsste einen Dialog zwischen den Kirchenführern und ein Treffen zwischen Patriarch Kyrill und Papst Franziskus nicht verhindern, prophezeite Nuntius Jurkowitsch schon vor zwei Jahren: „Strong results happen when you expect less“, sagte er damals, kraftvolle Ergebnisse gibt es oft dann, wenn man sie gerade nicht erwartet hat. Das Treffen zwischen Kyrill und Franziskus wird solche Ergebnisse zeitigen.

Vom Stolz auf die deutsche Sprache

Wer Kinder im schulpflichtigen Alter hat, der kann ein Klagelied singen über den schulischen Umgang mit der deutschen Sprache. Seit Soziologen und ihnen geneigte Politiker den Germanisten sagen, wo es langzugehen hat, sind die Lehrpläne vieler Bundesländer ideologisiert.

Ausgangspunkt ist die Entdeckung, dass Sprache nicht nur pragmatisch notwendig ist, eine Sozialisationsfunktion hat und Teilhabe am kulturellen Formungsprozess einer Gesellschaft ermöglicht. Sie lässt sich auch als Herrschaftsinstrument begreifen – wer eine Sprache korrekt und elegant zu gebrauchen weiß, bringt es weiter als andere. Wer beispielsweise „Rhythmus“ richtig schreibt, der setzt sich bei diesem „Differenz- und Modellwort“ von anderen ab. Das ärgert all jene, denen solche sprachliche Feinheiten fehlen.

Die logische Konsequenz der deutschen Bildungspolitik war nicht etwa, alle Schüler durch pädagogische Anstrengung von Schule und Eltern und durch regelmäßiges Lesen auf das bestmögliche orthografische Niveau zu bringen – vielmehr hat man das Niveau des Sprachunterrichts auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gesenkt. Mehrere „Rechtschreibreformen“ legen davon Zeugnis ab.

Die Vernachlässigung der variantenreichen und eleganten deutschen Sprache macht aber bei der Orthografie nicht halt. Vielmehr haben auch diverse Ethnolekte Karriere gemacht, Fachleute nennen sie auch „Ghetto-Slang, Türkenslang, Türkendeutsch oder Kiezdeutsch“. Aber auch hier: Sofort eilen Linguisten herbei, um solches Sprachgemetzel nicht etwa als barbarische Untat zu brandmarken, sondern als Bereicherung und besonders kreativen Umgang mit der deutschen Sprache zu rühmen.

Kann eine Mahnung von außen helfen? Yngve Slyngstad ist Chef des norwegischen Staatsfonds, eines der größten Investoren der Welt. Er gab jetzt diese Sätze zu Protokoll: „Ich glaube, die Deutschen sind nicht stolz genug auf ihre Sprache. An Heideggers Ausspruch, nur Deutsch und Griechisch seien fürs Philosophieren geeignet, ist vielleicht doch etwas dran. Ich glaube jedenfalls nicht, dass es ein Zufall ist, dass es in der Vergangenheit so viel deutsche Denker und Komponisten gab. Oder in der Gegenwart, dass die Deutschen so einzigartig gute Maschinen und Motoren bauen. Die Komplexität ihrer Sprache bereitet sie genau darauf vor.“

Vielleicht sollten sich unsere Kulturpolitiker einmal mit dem Norweger unterhalten. Da können sie mehr lernen als im herrschaftsfreien Diskurs mit Sozio- und Ideologen

Flüchtlingspolitik: Die Zeit läuft ab

Der Zustand der Europäischen Union und damit Europas ist besorgniserregend. Die Gemeinschaft erodiert von außen und von innen. Von außen, weil es machtvolle Interessen gibt, die allein kraftspendende Einheit der Europäischen Union auseinanderzudividieren. Vor allem Russlands Präsident hat es sich als Rache an der in der Ukraine-Frage zu Recht unerbittlichen deutschen Kanzlerin zur Aufgabe gemacht, sie und ihre Politik mit einer großdimensionierten Desinformations-Kampagne zu überziehen, an der sich als Journalisten getarnte russische Propagandaknechte (auch solche, die in russischen Medien in Deutschland sitzen) beteiligen.

Tragischer ist die Erosion von innen. Jahrzehntelang haben sich die EU-Mitglieder daran gewöhnt, die Profite der gemeinsamen Politik, gemeinsamer Rechts- und gemeinsamer Währungsräume einzustreichen, ohne sich um die aus der Gemeinsamkeit erwachsenden Verpflichtungen zu kümmern. So war immer klar, dass die Gegenleistung für finanzielle Solidarität ein sparsames Wirtschaften in den nationalen Haushalten sein muss. Immer lag offen, dass man die Binnengrenzen der EU nur niederreißen kann, wenn man ihre Außengrenzen wirkungsvoll sichert. Und zu den Mitgliedsbedingungen gehörte auch, den einheitlichen Rechtsrahmen der EU durch einen verlässlichen, korruptionsfreien und demokratischen Rechtsrahmen in den einzelnen Mitgliedsländer zu ermöglichen.

Das alles hat nicht funktioniert. Die Außengrenzen der EU sind löchrig, die Haushaltsdisziplin vieler Mitglieder der EU und des Euro-Raums marode, das Rechtsregime einer zunehmenden Zahl von Mitgliedern vor allem im Osten undemokratisch und anfällig für politische sowie finanzielle Korruption. Zugleich wächst beinahe überall der auch politisch prävalente Wille, die nationalen Interessen den europäischen Gesamtinteressen nicht mehr unterzuordnen. Ungarn, Polen, schon lange Großbritannien, Belgien, die Niederlande, die skandinavischen Länder, auch Italien, Frankreich, künftig verstärkt Spanien und Portugal – die deutsche Politik ist in ihrer Europa-Zentriertheit vereinsamt.

Diese besondere Zähigkeit, den europäischen Zusammenhalt hochzuhalten, ist für Deutschland alternativlos. Kein Land liegt zentraler, keines ist wirtschaftlich mächtiger, keines versammelt mehr Nachbarn um sich. Deutschland ist insofern die Zentralmacht Europas, die sich Abgrenzung und Sonderwege am wenigsten leisten kann, will man nicht Europas Frieden gefährden.

Eine solchen Sonderweg haben wir aber mit der Flüchtlingspolitik eingeschlagen, die zu lange auf unbegrenzte Aufnahme und zu wenig auf Kontrolle und Unterscheidung in Kriegs- und Wohlstandsflüchtlinge an den Grenzen setzte. Das kommt Deutschland nicht nur materiell, innen- und sicherheitspolitisch teuer zu stehen, auch innerhalb der EU haben wir uns mit dieser Politik der Selbstaufgabe nationaler Interessen isoliert. Die Zeit, das zu korrigieren, läuft ab. Im Ergebnis werden Deutschland und Europa schweren Schaden genommen haben, wenn die Korrektur nicht schnellstens erfolgt.

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