7. Oktober 2025

Gruß vom Gouvernantenstaat

Zigarettenschachteln müssen, so will es die EU, künftig großflächig mit Schockfotos und Warnhinweisen bedeckt sein, die dem Konsumenten die Folgen des Rauchens drastisch vor Augen führen. Damit muss die Zigarettenindustrie nun leben, nachdem sie mit einem Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist.

Mit Gesundheitspolitik haben sich die Karlsruher Richter bei ihrem Entscheid kaum auseinandergesetzt, sondern vor allem mit dem Geflecht nationalen und europäischen Rechts. Das Gesetz diene der Harmonisierung des EU-Binnenmarktes, es beinhalte ein Gemeinwohlziel von Verfassungsrang und mithin sei die Schwelle, jenseits derer das Verfassungsgericht ein Gesetz aussetzen könne, nicht erreicht.

Problematisch an dieser EU-Tabakverordnung ist auch nicht ihr gesundheitspolitisches Motiv, denn die negativen Folgen für die Gesundheit durch das Rauchen stehen fest, von Herz- und Kreislaufkrankheiten bis hin zu Krebserkrankungen. Es gibt freilich wohl keinen Menschen, der sich über diese möglichen Folgen im Unklaren wäre. Wer sich dennoch für das Rauchen entscheidet, der schädigt in bewusster Entscheidung sich selbst. Diese Freiheit zum Risiko muss der Mensch besitzen.

Riskante Freiheit – wir bestehen darauf ja an vielen Stellen. Wir trinken Alkohol, obwohl die negativen Folgen gesichert beschrieben sind. Wir grillen Fleisch, obwohl wir wissen, dass sich dabei krebserregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe auf dem Grillgut absetzen, die wir mitverzehren. Wir essen Gemüse vom Biobauern, obwohl nachgewiesen ist, dass das Grünzeug aus dem Supermarkt meist viel weniger Schadstoffe enthält. Wir steigen auf Berge – absturzbedroht.

Diese Freiheit zum Risiko will man uns nicht lassen. Wir sind, das ist ein Grundzug des 21. Jahrhunderts, von einer gouvernantenhaften Bürokratie umgeben, einem Gesetzgeber, der seine autoritären Züge kaum noch verbirgt. In alle Bereiche des Lebens dringt er ein, und für die fortgesetzte Einschränkung individueller Entscheidungsfreiheiten auch dort, wo Dritte nicht geschädigt werden, erfindet er immer wieder irgendeine gesinnungsethische Begründung: Gerechtigkeit, Gesundheit, Solidarität, Sicherheit… eine endlose Liste.

Ärgerlich ist aber auch die Inkonsequenz, mit der die EU da vorgeht. Der mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht gesundheitsgefährdende Unkrautvernichter Glyphosat und die für die Welternährung entscheidend wichtige grüne Gentechnik sind verboten oder vom Verbot bedroht, das sicher gesundheitsschädliche Rauchen und der Alkohol aber bleiben erlaubt. Das soll einer verstehen. Die Lehre ist: Nicht in erster Linie naturwissenschaftliche Erkenntnisse stehen hinter derartigen Entscheidungen, sondern gesellschaftsideologischer Missionierungswille. Solche Ansätze totalitärer Bevormundung gewinnen in der EU und auch in Deutschland zunehmend an Boden.

Die GroKo – leckgeschlagen

Der Zustand der Großen Koalition ist erbärmlich. Nur mit Mühe und einer gewissen Portion Selbstaufopferung schafft es die Kanzlerin, den Laden zusammenzuhalten. Beide Partner der CDU, die SPD und auch die bayerische CSU, befinden sich in beklagenswerten inneren Zuständen, selbst in der CDU macht sich Unruhe breit.

Bei der SPD herrscht Aufstand, weil die Umfragewerte auf Zahlen sinken, die einen Arbeitsplatzerhalt für den Großteil des SPD-Bundestagspersonals nach 2017 unmöglich machen würde. Über die Gründe haben sich die Sozialdemokraten zerstritten: Trägt der Vorsitzende die Schuld? Oder hat die sozialdemokratisierte Politik von CDU/CSU die SPD sozusagen von rechts überflügelt und überflüssig gemacht? In dieser Unsicherheit schlagen sie aufeinander ein: Alle auf Sigmar Gabriel, und der wiederum sucht neues Profil für seine Partei, indem er Sätze formuliert wie diesen: „Die SPD muss klar machen, dass jetzt ein für alle Mal Schluss ist mit der Herrschaft des Neoliberalismus.“

Hier freilich weiß kein Kundiger, was er eigentlich meint. Denn die Politik dieser Großen Koalition seit 2013 war nichts anderes als eine fortgesetzte Ausweitung der Staatsquote, auf Steuerzahlers und der Unternehmer Kosten wurde eifrig umverteilt. Zunächst hat man den Mindestlohn unter Missachtung der bis dahin gültigen Tarifautonomie auf 8,50 Euro angehoben. Dann wurde die Leiharbeit gesetzlich schärfer reguliert. Das Rentensystem wurde um die „Lebensleistungsrente“ ergänzt, die Mütterrente verbessert, und ein früherer Renteneintritt ohne Abschlag ermöglicht. Die Liste ließe sich fortsetzen. Auf Neoliberalismus jedenfalls weist alles das nicht hin, im Gegenteil. Aber Gabriels Satz gibt einen tiefen Einblick in die Verzweiflung, die unter Sozialdemokraten herrscht, nachdem die Union zwar alle SPD-Wünsche erfüllt hat, das aber offenbar politisch dem Konto Angela Merkels zugeschrieben wird.
Der andere Koalitionspartner Merkels, die CSU, ist ihr mittlerweile auch deshalb in tiefer Abneigung verbunden. Seehofer sitzt die Flüchtlings-Willkommenskultur der Kanzlerin noch in den Knochen, er macht sie persönlich verantwortlich für den Aufstieg der AfD, und seine potentiellen Nachfolger bringen sich gehorsam ebenso CDU-kritisch in Stellung. „Es ist erkennbar, dass mit dem Weg nach links, den die CDU eingeschlagen hat, rechts dieser Platz entstanden ist“, sagt Bayerns Finanzminister Markus Söder, und Alexander Dobrindt, derzeit Bundesverkehrsminister, sekundiert: „Die CDU versteht sich seit Jahren nicht mehr als Mitte-Rechts-Partei“, und ergänzt: „Ich hätte übrigens grundsätzlich Zweifel an der Richtigkeit meiner Politik, wenn sie von Linken und Grünen bejubelt wird“. Deshalb findet die Mehrzahl der bayerischen CSU-Granden: Merkel muss weg, die Herren brechen damit besinnungslos einen Streit innerhalb der Union los, der am Ende vor allem auch der CSU schaden wird.
Angela Merkel muss sich mit ihrer Großen Koalition gegenwärtig fühlen wie auf der Titanic: Der Untergang ist nahe, aber die Musik spielt noch. Da wird es für sie nicht leichter, dass auch aus der eigenen Partei wegen wachsender Sorgen aufgrund der AfD-Erfolge der Gegenwind zunimmt. Bei so vielen Feinden wird es Zeit, dass die Kanzlerin ihre zurückhaltende Rhetorik aufgibt und angemessen zurückschlägt. Ihre Freunde warten darauf.

Nicht AfD, sondern AdZ

Die „Alternative für Deutschland“, die diese Partei auf ihrem Programmparteitag in Stuttgart aufgezeigt hat, ist eine Alternative der Zerstörung Deutschlands. Das fängt mit den Außenbeziehungen an: Unter dem Vorwand, die nationale Größe und Stärke Deutschlands wieder herstellen zu wollen, möchten die Politiker der Rechten die Europäische Union auflösen, und damit die Grundlage einer europäischen Zusammenarbeit, die über Jahrzehnte den Frieden des Kontinents gesichert hat. Sie wollen Deutschland aus der NATO entfernen und auf diese Weise die Sicherheit unseres Landes in russische Hände geben – ein an Verantwortungslosigkeit nicht zu überbietender, abenteuerlicher Vorschlag.

Sie wollen den Euro abschaffen und mit der Wiedereinführung der Deutschen Mark die außerordentlich florierende deutsche Wirtschaft wieder mit Wechselkursrisiken und Umtauschkosten belasten, deren Wegfall Kunden in und außerhalb Deutschlands um Milliarden entlastet hatte. Sie möchten die repräsentative Demokratie weiter demolieren und sie mit ständigen Volksabstimmungen zu allen Themen durchsetzen – eine Verstärkung vom Stimmungsdemokratie, deren bereits existente Bestandteile schon jetzt durch ständige polemische Kurz-Wahlkämpfe bei Volksentscheiden in manchen Bundesländern und Kommunen vernünftiges perspektivisches Regieren erschweren.

Die AfD diskreditiert auch mit Hingabe jene Menschen in unserem Land, die sich für politische Ämter zur Verfügung gestellt haben, als Typen, „deren vordringliches Interesse ihrer Macht, ihrem Status und ihrem materiellen Wohlergehen gilt“ und sorgt mit solchen Schmähungen dafür, dass sich qualifiziertes politisches Personal nicht mehr wird finden lassen. Nicht zu vergessen: Die AfD unternimmt alles, den Islam bewusst auszugrenzen und fördern damit religiöse Spannungen und die Radikalisierung eines bisher vernünftigen Miteinanders in Deutschland – wohl wissend, dass sie Millionen Muslime in Deutschland, die deutsche Pässe haben, nicht aus dem Land werfen kann und die zu allermeist vollkommen friedlich und konstruktiv wesentlich zu Deutschlands wirtschaftlichem Wohlergehen beitragen..

Kurz: Die AfD zieht stimmungsmachend durchs Land, sie zerstört, sie redet den Bürgern ein, sie seien das Objekt irgendwelcher finsterer Mächte. Konstruktive Ideen hat die AfD nicht anzubieten. Das macht diese Partei auch für viele bisherige Unionswähler gänzlich unwählbar, die mit der ultrahumanen Flüchtlings-, der gefühligen Energie-, der übertriebenen Umwelt- oder der steuerverschwendenden Sozialpolitik der Merkel-Regierung unzufrieden sind. Hier wird eine Großchance der FDP liegen, indem sie jene Wähler auffängt, die sich von der Union, den Sozialdemokraten oder auch der AfD auf der Suche nach konstruktiver Vernunft in der Fortentwicklung eines friedfertigen Europa abwenden.

(veröffentlicht für „Pressekorrespondenz“)

Follow

Get every new post delivered to your Inbox

Join other followers: