7. Oktober 2025

Die CDU: Auf nach Bayern!

Der Streit innerhalb der Christen-Union zehrt mittlerweile an ihrer Substanz. Immer mehr Wähler wenden sich ab, denn sie mögen solchen Zwist nicht, vermittelt er doch ein Signal der Orientierungslosigkeit und des Zielkonflikts des politischen Führungspersonals.

Tatsächlich liegen die beiden Schwesterparteien inhaltlich auch auseinander. Die CDU hat sich entschieden, den nationalkonservativen Rand der Republik, der für 10 Prozent der Wählerstimmen immer gut ist, nicht mehr zu bedienen. Sie hat sich weiter in die Mitte bewegt und dort politische Beschlüsse kreiert oder mitgetragen, die die ganze Republik ein Stückchen nach links verschoben haben.

Zwar wurden die einschlägigen Beschlüsse im Bundestag von der CSU immer mitgetragen. Die Partei hat freilich zugleich den „rechten Rand“ nie vergessen und die simplifizierende populistische Rhetorik stets beibehalten, die an bayerischen Stammtischen ankommt und zur Mehrheitsbildung in Bayern unerlässlich ist. Auf diese Weise hoffen die Christsozialen nicht ohne Grund, von der AfD verschont zu bleiben.

Wenn diese Taktik aber für Bayern richtig ist und funktioniert, dann ist sie für den Rest der Republik nicht falsch. Das sollte man in der CDU erkennen und den Streit mit der CSU auf klare Weise lösen: Die CDU dehnt sich auf Bayern, die CSU auf den Rest des Bundesgebietes aus. So ließe sich die Mehrheitsfähigkeit des Unions-Bündnisses wieder herstellen.

CSU-Chef Horst Seehofer glaubt nicht, dass die CDU den Mumm dazu hat. Deswegen pokert er hoch, fordert Entschuldigungen von Angela Merkel für ihre Flüchtlingspolitik des vergangenen Jahres, Zuwanderungsgrenzen für die Zukunft und allerlei Restriktionen im Umgang mit dem Islam. Nun ist es an der Zeit, dass Angela Merkel Seehofers Attacken, die sehr persönlich geworden sind, einen Schlussstrich setzt: Die CDU kann mit ihrem Marsch nach Bayern nur gewinnen.

Für die CSU gilt das nicht. Franz Josef Strauß hat schon gewusst, warum er es 1976 nach Kreuth bei der Drohung der Trennung beließ. Organisatorisch würde die bundesweite Ausdehnung die CSU überfordern, während für die CDU der Einmarsch in Bayern ein Kinderspiel wäre. Schon 1976 standen zahlreiche prominente bayerische CSU-Politiker aus Oberbayern, Franken und Schwaben zur Gründung einer weiß-blauen CDU bereit. Umgekehrt hätte die CSU auf wenige Persönlichkeiten in der Bundesrepublik zurückgreifen können, mit denen man eine außerbayerische CSU hätte starten können.

Käme die CDU nach Bayern: Das innere Lebensgefühl der CSU müsste sich massiv ändern. Sie müsste sich von der Idee trennen, dass die CSU und Bayerns Land und Kultur eine kongeniale Einheit seien. Ihre Protagonisten wären zudem gezwungen, sich dann auch im wesensfremden Preußen (was alles nördlich bayerischer Grenzen ist) zu akklimatisieren, aus bayerischer Sicht eine unverdiente Mühsal.

Mit diesem ernsthaften Beschluss der CDU also ließe sich das Ende des Zwists innerhalb der Union rasch herbeiführen: Die CDU kommt nach Bayern. Nach wenigen Minuten schon würde Horst Seehofer die Friedensfahne schwenken.

Die Armenien-Resolution – politisch unklug

Der Bundestag hat eine Resolution zu systematischer Vertreibung und Massenmord in Armenien durch die Türkei vor hundert Jahren beschlossen. Darin werden die Vorgänge von 1915 und 1916 als „Völkermord“ eingestuft, eine Klassifizierung, gegen die sich die Türkei seit Jahrzehnten massiv wehrt.

Bei Betrachtung der Fakten wird man kaum bezweifeln können, dass diese furchtbaren Massaker ein Genozid waren, so, wie die UNO das definiert: Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, „begangen in der Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören.“ Genau das ist dort geschehen. Frankreich, Russland, Italien, der Papst – sie alle haben sich hier bereits begrifflich festgelegt und den Genozid auch so genannt.

Auch in Deutschland steht es jedem frei, sich dieser Beurteilung anzuschließen. Wenn aber das deutsche Parlament als Gesetzgeber diesen Begriff des „Genozid“ explizit in einer Resolution verwendet und auch nur zum Zwecke dieser Klassifizierung diese Resolution überhaupt beschließt, dann ist das ein Politikum, ein bewusster Teil deutscher Außenpolitik. Da darf man fragen: Welche Absicht verfolgt das Parlament damit? Wem nützt das?

Dem Verhältnis zur Türkei oder einer Verbesserung ihrer inneren Verhältnisse sicherlich nicht. In Ankara verweist man darauf, dass Vertreibung und Morde damals Ausfluss von Kriegsgeschehen und der Kollaboration mit dem damaligen russischen Kriegsgegner gewesen seien. Man möchte nicht als Völkermörder gebrandmarkt werden, und das schon gar nicht von den Deutschen, die im letzten Jahrhundert selbst völkermörderisch unterwegs waren und diese Resolution als Relativierung ihrer eigenen Schuld nutzten.

Die Türken sehen sich in ihrem Stolz verletzt, und sie wenden sich vom Westen weiter ab als bisher schon. Sie folgen dem Religionsnationalismus ihres Präsidenten, der den Wertekanon der Türkei so manifestieren will, dass er nicht mehr zum als dekadent empfundenen Westen passt. Und Erdogan selbst wird zum immer schwierigeren Partner, der aber in der Flüchtlingsfrage und allen anderen Lösungsansätzen der Krise in der Region vom Westen und zumal von der Bundeskanzlerin dringend gebraucht wird. Da wird die Armenien-Resolution speziell zu diesem Zeitpunkt von der Türkei als Schlag ins Gesicht empfunden.

Der Bundestag hat offenbar nichts gelernt aus den Folgen seiner Anti-Russland-Resolution im November 2012. Dort wurden, unter Führung der CDU und der Grünen, die Menschenrechtsprobleme in Russland angeprangert, die zu Recht kritisiert werden können. In Russland aber wurde diese offizielle Resolution als Signal der außenpolitischen Abwendung und des mangelnden Respekts verstanden, die Präsident Putin mit Rückendeckung der Bevölkerung dann seinerseits vollzog. Innenpolitisch wurden die Zügel noch fester angezogen, Deutschland wurde vom Kreml als Partner herabgestuft, westliche Interessen wurden und werden negiert und die Gültigkeit von Verträgen fortan relativiert. Was folgte, ist bekannt. Seither ist das Verhältnis zu Russland katastrophal schlecht.

Kluge Außenpolitik geht anders, sie fragt zuerst nach unseren nationalen Interessen und nicht danach, wen in der Welt wir noch belehren könnten. Dass diese Sichtweise jedenfalls im Kanzleramt mittlerweile geschwächt ist, hat zu unserer Isolation in Europa geführt – ein Drama mit noch nicht absehbaren Folgen, auch für die Europäische Union.

Aufbruch aus christlicher Müdigkeit

Katholikentage messen sich auch an politischen Zeitläuften. Wenn die Politik als Drama abläuft, ergreift die Brisanz regelmäßig auch diese Treffen katholischer Laien. Das war so in Zeiten des Kalten Krieges, der Nachrüstung, der Wiedervereinigung, und das ist jetzt so, da der Flüchtlingsstrom nach Europa und speziell nach Deutschland Fragen aufgeworfen hat, deren Beantwortung uns bisher entbehrlich schien. Denn wir waren uns selber gewiss, selbstzufrieden.

Nun aber hat uns das Fremde erreicht, Hilfsbedürftige meist, die ihre eigene Kultur mitbringen, auch Lebensüberzeugungen, die nicht die unseren sind. Wir stellen uns Fragen: Sind unsere Freiheiten in Gefahr? Sind Menschenwürde und Gleichberechtigung von Mann und Frau noch allgemein gültig? Wird unser Rechtsstaat herausgefordert? Wie fest verankert sind jene liberalen Qualitäten unseres Lebens, die wir zum großen Teil auch dem Christentum und seinem Menschenbild zu verdanken haben? Kurz: Es greift Verlustangst um sich.

Das alles wird dieser Katholikentag thematisieren. Er tut dies in einem Umfeld, das der Weltoffenheit des Christentums nicht nur freundlich gesonnen ist. Der dumpfe Protest gegen das Fremde, den die Pegida-Bewegung auch auf Leipzigs Straßen trägt und der sich auch in der AfD niederschlägt, bedarf des Widerspruchs der Christen. Aber auch die großartigen Freiheiten unserer Zeit, der Genuss europäischen und weltweiten Denkens und Reisens, der interkulturelle Austausch brauchen zugleich die christlich motivierte Verteidigung durch klare Grenzen. Christen sind es, die den Feinden der offenen Gesellschaft entgegentreten müssen, um unsere Freiheit zu sichern. Das heißt auch: Toleranz kann nicht grenzenlos, und Zuwanderung nicht unlimitiert sein.

In Leipzig wird man darüber reden – nicht aber mit der AfD. Deren Menschenbild des Nationalen, deren unchristliche Fremdenfeindlichkeit teile man nicht, heißt es, man werte sie durch Teilnahme nur auf. Der kritische Blick der Katholiken muss freilich auch nach innen gerichtet sein. Nicht nur Österreich hat bewiesen, wie weit die Fremdenfurcht bereits in bürgerlich-christliche Schichten vorgedrungen ist. Diese Beobachtung macht es notwendig, die Debatte von formalen Unterscheidungen wie Ethnien oder Religionen wegzuführen, hin zur harten Auseinandersetzung um die Werte, die unsere liberalen Gesellschaften des Westens ausmachen und die sie schwer genug erworben haben. Das ist auch der Maßstab, wenn wir anderen Ethnien und anderen Religionen bei uns klare Grenzen ziehen.

Darum muss man in Leipzig streiten. Die Verlustängste, die sich in Deutschland breitgemacht haben, schärfen zugleich den Sinn für unsere Aktiva, für das Wertvolle des Christentums. So kann man hoffen, dass in Leipzig ein entschiedener Selbstbehauptungswille des Christentums und seiner Werte seinen Ausgang nimmt, der seit langem überfällig ist. Der 100. Katholikentag in Leipzig als Aufbruchssignal für ein müde gewordenes Christentum: Das wäre eine gute Bilanz.

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