7. Oktober 2025

Die Burka – frauenverachtend

So heftig man gegenwärtig darüber debattiert, im öffentlichen Raum die Vollverschleierung von Frauen zu verbieten, so entschieden wird gleichzeitig betont, das Thema sei überbewertet. Denn zum einen handele es sich beim Tragen der Burka nicht um ein Sicherheitsrisiko, zum anderen seien Burkas in Deutschland ja kaum sichtbar.

So richtig beides ist, so wenig lässt sich die Debatte deshalb für erledigt erklären. Denn sie zeigt exemplarisch, dass man sich mit den Folgen der Globalisierung offensiv auseinandersetzen muss, die nicht nur Waren aus aller Welt nach Deutschland bringt, sondern auch Menschen von überall her. Sie kommen mit ihren politischen und kulturellen Vorstellungen und wollen sie hier auch leben.

Das ist, soweit es die Prinzipien unseres Zusammenlebens nicht tangiert, auch in Ordnung. Das Tragen einer Burka aber rührt an Grundrechte, die für unsere freiheitliche konstitutiv sind. Die Frauen verhüllen sich ja nicht freiwillig. Vielmehr wird ihnen die Vollverschleierung aufgezwungen von einer männerdominanten Gesellschaft, in der von Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht die Rede sein kann. Derart unterdrückte Frauen, die sich aus dieser Dominanz lösen wollen und ihre Schleier ablegen, werden zur Zielscheibe von religiös motivierter Selbstjustiz und erleiden oft schlimme Schicksale.

In unserem Grundgesetz heißt es im Artikel 3: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Auf dieser aktiven Rolle des Staates müssen wir bestehen, wenn uns unsere freiheitliche Lebensauffassung noch etwas wert ist. Von unseren Politikern darf man deshalb entschiedenen Einsatz für die in der Verfassung formulierten Grundrechte verlangen, denn an dieser Stelle kann es einen Kompromiss nicht geben. Andernfalls würde ein Erosionsprozess einsetzen, der den Staat schleichend umwandelt in ein totalitäres System, dessen Gesetzgeber nicht mehr frei gewählte Parlamente sind, sondern politische oder religiöse Diktatoren.

Zur freiheitlichen Gesellschaft gehört auch, einander mit offenem Visier gegenüberzutreten. Einem anderen ins Gesicht zu schauen ist wichtiger Teil des sozialen Versprechens, es mit dem anderen ehrlich zu meinen. Unsere Umgangssprache kennt diese Bilder: Wer einem anderem etwas „offen ins Gesicht“ sagt, versteckt sich nicht, trickst nicht herum. Wer sein Gesicht zeigt, lässt andere darin lesen, lässt sich erkennen. Das alles zählt zu den verteidigenswerten Elementen unserer offenen Gesellschaft. Deshalb ist es richtig, in Deutschland auf einem Verbot der Vollverschleierung zu bestehen.

Machen oder schaffen?

Es verwundert nicht, dass die Flüchtlingsthematik in den Sog der Landtagswahlkämpfe gerät. Zu deutlich zeigen die Umfragen, dass dieses Thema die Menschen am stärksten bewegt. Über die gesamtwirtschaftliche Lage müssen sie sich keine Gedanken machen – das läuft gut, daran kann sich kaum Streit entzünden. Aber die sozialpolitischen, finanziellen, ökonomischen und kulturellen Folgen der großen Einwanderungswelle, die hinter uns liegt und die wir teilweise noch immer erleben, werfen bei den Menschen Fragezeichen auf.

Festzuhalten ist: Alle Entscheidungen, die in diesem Zusammenhang in den letzten Monaten getroffen wurden, entsprangen gemeinsamem großkoalitionären Regierungshandeln von Union und SPD. Sowohl der Beschluss, die vor der Türe Deutschlands stehenden Flüchtlinge hereinzulassen, der nachfolgende Ausbau der Grenzsicherung, die Beschlüsse zur Erstunterbringung und Registrierung und auch die Maßnahmen zur Integration hat das Bundeskabinett gemeinsam beschlossen, und die Regierungsmehrheit des Bundestages hat das gemeinsam umgesetzt.

Immer war – gerade wegen der guten Wirtschaftslage – klar: Wir schaffen das, jedenfalls finanziell. Sigmar Gabriel, der SPD-Vorsitzende, setzt sich von diesem Versprechen der Bundeskanzlerin nun vorsichtig ab, es hätte, sagt er, besser heißen müssen: „Wir machen das!“ Unklar bleibt, was Gabriel damit ausdrücken will: Hat er Zweifel, dass wir die Integrationsaufgabe bewältigen? Glaubt er, dass uns für die Finanzierung der ganzen Maßnahmen und der finanziellen Unterstützung der Flüchtlinge das Geld ausgeht? Oder versucht er, durch semantische Feinarbeit den Eindruck zu erwecken, er teile die Skepsis der Mehrheit der Bevölkerung, teilt sie aber in Wirklichkeit nicht?

Was immer Gabriel meint: Politisches Handeln ist kein Selbstzweck, es ist auf einen bestimmten Erfolg gerichtet. Nur „Machen“ reicht nicht. Von unseren Politikern erwarten wir sachlichen Erfolg, und wir erwarten, dass sie zum Besseren unseres Landes handeln – das haben sie mit dem Amtseid auch geschworen. Wenn man also der Meinung ist, dass der Flüchtlingsstrom am Ende zum Wohle unseres Landes ist, weil er das Land und die Arbeitnehmerschaft verjüngt, weil er mittelfristig qualifizierte Arbeitskräfte schafft und weil er kulturelle Vielfalt bringt, dann ist das „Wir schaffen das!“ die einzig mögliche Antwort, das einzig mögliche Versprechen. Denn sonst hätte sich unsere Politik dem Flüchtlingsstrom entgegenstellen müssen. Dergleichen ist aber von Herrn Gabriel nicht bekannt, im Gegenteil.

Bundespräsident Gauck hat dieser Tage auf diesen Umstand hingewiesen: Es wäre ihm unvorstellbar, dass sich eine Bundeskanzlerin hinstellt und sagt: „Wir schaffen das nicht!“ Tatsächlich kann man es auch schaffen – wenn alle zusammenstehen, wenn klare Integrationsregeln gelten, wenn ein Einwanderungsgesetz die Zukunft absichert. Schon, weil das alternativlos ist, sollte die SPD entschieden mitwirken. Auch bei den Wählern wird das besser ankommen als der Versuch Gabriels, noch ein paar faule Wahlkampf-Früchte vom AfD-Baum zu ernten.

Flüchtlinge: Fördern und Fordern

In die deutsche Asyldebatte ist mittlerweile der scharfe Wind des Realismus eingezogen. Er hat nicht nur die zunehmend skeptischen Bürger erfasst, sondern auch die Wirtschaft. Zwar stehen deren obersten Vertreter nach wie vor zur Entscheidung Angela Merkels vom September letzten Jahres, den vor der Tür Europas stehenden Flüchtlingsstrom vornehmlich nach Deutschland hereinziehen zu lassen.

Seit man aber hat feststellen müssen, dass nur etwa knapp fünf Prozent der Flüchtlinge mit Bildungsqualifikationen ankommen, die am deutschen Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit verwertbar sind, klingt die Zustimmung wenig euphorisch. Denn das heißt: 95 Prozent der Bewerber um ein Aufenthaltsrecht in Deutschland benötigen umfassende Qualifizierungsmaßnahmen, an denen die Wirtschaft breit mitwirken muss. Das lässt sich in der gegenwärtigen Hochkonjunktur noch einigermaßen organisieren. Die Zeiten aber, das lehrt die Konjunkturgeschichte, können sich rasch drehen.

Die Wirtschaftsverbände – allen voran der Arbeitgeberverband – haben deshalb mittlerweile Konzepte vorgelegt, in denen Fördern und Fordern gleichermaßen entschieden verfolgt werden. Wer unter den Flüchtlingen mit Bleibeperspektive nicht an verpflichtenden Deutschkursen teilnimmt, wer einer verschärften Schulpflicht nicht nachkommt – der soll sein Anrecht auf finanzielle Förderung verlieren und auch ausgewiesen werden können.

Dahinter steht die Erkenntnis, dass weder die Integration in die Wirtschaft noch jene in die Gesellschaft gelingen werden, wenn deutsche Sprachkenntnisse fehlen. Deshalb sind auch die gesetzgeberischen Maßnahmen mit diesem Ziel verschärft worden – Fördern ja, aber ebenso Fordern. Nach spätestens drei Monaten müssen solche Integrationsmaßnahmen greifen, ebenso die Schulpflicht für Kinder und Jugendliche – auch über das 18. Lebensjahr hinaus –, denen solche Schulbildung bisher fehlt. Und was das Fördern betrifft: Wer eine als Migrant eine Arbeitserlaubnis hat und ein Jobangebot, der darf es annehmen, ohne dass zunächst eine „deutsche“ Besetzung des Arbeitsplatzes geprüft würde.

Das alles ist freilich leicht aufgeschrieben – die Umsetzung fällt schwer. In allen Bundesländern mangelt es an Lehrern, die diese Integrationsaufgabe zu bewältigen imstande wären. Den Bundesländern fehlt überdies Geld, diese Integration optimal zu finanzieren. Es fehlt auch an Sanktionsmöglichkeiten – Ausweisungen funktionieren nicht, wenn die Auszuweisenden nicht daran mitwirken, und die haben keinen Grund dazu. Und Arbeitsplätze, die für Migranten in Frage kommen, sind – noch – selten.

Kurz: Deutschland ist, nach der menschenfreundlichen Geste der Aufnahme, in den Mühen der Etappe angekommen. Jetzt muss Integration geleistet, ja erzwungen werden, wenn die Gesellschaft in ihrem inneren Zusammenhalt keinen Schaden nehmen soll. Es wäre gut, die Parteien wären sich wenigstens in dieser Frage einer scharfen Pflicht zu Integrationskursen einig, um diesen inneren Zusammenhalt zu gewährleisten. Wenn sie dann noch gemeinsam ein klares, forderndes Einwanderungsgesetz auf den Weg brächten, wie es andere Länder längst haben, könnte der deutsche Wahlbürger beruhigter sein.

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