7. Oktober 2025

Die CDU im Zug nach rechts

Der Parteitag in Essen wird in die Geschichte der CDU als das Momentum eines Rechtsrucks eingehen, einer Rückkehr in konservativere Gefilde. Zu deutlich hatte sich gezeigt, dass der starke rechte Rand der Wählerschaft, der früher noch von der Union eingehegt werden konnte, neue politische Heimat anderswo gefunden hat und das der CDU ihre Stärke nimmt. Am linken Rand konnte sie, trotz aller sozialpolitischen Ausgabefreude, diesen Verlust nicht wettmachen.

Die Kehrtwende zeigt sich vor allem in den Beschlüssen zur Migrationspolitik. Die CDU will nun die Zahl weiterer Migranten drastisch reduzieren und an ein Bleiberecht schärfere Anforderungen stellen als bisher, konsequenter auf Abschiebungen setzen und den Druck zur Integration verstärken – durch die Betonung einer „Leitkultur“, aber auch durch die Ablehnung einer doppelten Staatsbürgerschaft, die sie eben noch mit der SPD vereinbart hatte. Zudem wird die Familie wieder stärker in den Focus gerückt, jene Angebote und Finanzinstrumente sollen ausgebaut werden, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern. Schließlich verspricht die CDU, in der kommenden Legislaturperiode nicht an der Steuerschraube zu drehen.

Damit ist klar, wie der Wahlkampf der CDU und der ganzen Union thematisch ausgerichtet sein wird. Es wird heißen: Wir sind die Partei des wirtschaftlichen und sozialen Erfolges Deutschlands, wir sind die Partei für eine freiheitliche, demokratische Leitkultur, wir sind die Partei für ein restriktives Migrationsmanagement, das christliche Solidarität mit klaren Integrationspflichten für Migranten verbindet. Und: Wir sind eine Partei der europäischen Idee, aber „Deutschland zuerst“ steht auch bei uns künftig programmatisch ganz vorn.

Klar wurde in Essen allerdings auch, dass die CDU mit ihrer Vorsitzenden zunehmend fremdelt. Sie wird gefeiert, weil sie große Verdienste hat und eben momentan alternativlos scheint. Sie wird mit ordentlichem Ergebnis wiedergewählt, weil sie innenpolitisch erfolgreich ist, weil sie gegenwärtig der Fels in der europäischen Brandung ist und auch zwischen den USA und Russland als Mittlerin unentbehrlich scheint. Der Widerspruch gegen ihre Politik freilich wird freier und pointierter vorgetragen als früher und er stößt – wie man am Beschluss zur doppelten Staatsbürgerschaft sehen kann – auf eine konservative Unterströmung in der CDU, die sich bisher vernachlässigt vorkommt.

Die nächsten Jahre werden deshalb auch von personalpolitischen Spekulationen und Positionierungen geprägt sein. Nachfolgeaspiranten für die Post-Merkel-Zeit müssen sich langsam in Stellung bringen, müssen sich ein inhaltliches Profil aufbauen, das die kommende konservativere CDU anspricht. Denn es ist ja unübersehbar, dass die konservative Mehrheit des Wahlvolkes stärker wird, und die CDU wird und muss alles versuchen, dieses Wasser von den Mühlen der AfD und auch der FDP wieder in eigene Kanäle zu lenken.

Die Maut – eine Schnapsidee

Die Idee, so erzählt man, sei gleichsam als Schnapsidee aus einer bayerischen Bierzeltlaune heraus geboren: Eine Maut für Ausländer, die deutsche Autobahnen benutzen. Eigentlich alle anderen außer der CSU waren dagegen: Die Koalitionspartner CDU und SPD, die Opposition, die Autofahrer sowieso. Nun hat die Idee die europarechtlichen Hürden genommen, soweit die EU-Kommission betroffen ist. Die Maut, so scheint es, kommt.

Aus der deutschen Politik ist Widerstand nicht mehr zu erwarten: Man finde das nach wie vor für keine gute Idee, sagen CDU und SPD, aber die CSU habe das nun einmal in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt, also werde man sich daran halten. Eine Hürde aber gibt es vielleicht noch, nämlich den Europäischen Gerichtshof, den zahlreiche europäische Nachbarländer anrufen wollen, von Österreich über die Niederlande bis nach Dänemark. Man muss ihnen Glück wünschen.

Denn die Maut bleibt eine gegen den Bürger gerichtete politische Missgeburt dieser Koalition, und das aus mehreren Gründen. Zum einen ist sie europafeindlich. In Zeiten eines ohnehin gestörten Zusammengehörigkeitsgefühls gießt die Maut für europäische Ausländer Öl in dieses Feuer – eine deutsche Attacke auf die Geldbeutel unserer Nachbarn und auf ihr Sympathiepotential für unser Land. Zum zweiten ist der finanzielle Ertrag der Maut umstritten. Mit 500 Millionen Euro rechnet der Bundesverkehrsminister, aber vielfach wird ihm, nach Abzug aller administrativer Aufwendungen, ein weitaus geringerer Einnahmeschub vorausgesagt. Das führt zum dritten und wichtigsten Einwand: Die Bundesregierung installiert damit ein neues Finanzierungsinstrument für sich, das sie nach Belieben steuern kann.

Deshalb ist auch das Versprechen, kein deutscher Autofahrer werde mehr zahlen als bisher, keine Sekunde glaubwürdig. Es gilt ohnehin nur für diese Koalition und diese Legislaturperiode, und die ist im kommenden Jahr zu Ende. Nachfolgende Regierungen werden an dieser Einnahmeschraube sofort drehen, und die Begründungen dafür werden entweder „Gerechtigkeit“ sein oder „Ökologie“: Wer mehr verdient, soll mehr zahlen; wer schmutzigere Autos fährt, auch.

Was Maut an Raffgier auslösen kann, zeigt die LKW-Maut. Mit annähernd viereinhalb Milliarden Euro jährlich ist sie zu einem wichtigen Finanzier des Verkehrsetats aufgestiegen. 800 Millionen kommen von den Bahnen in Deutschland, die Kfz-Steuer bringt es auf fast neun Milliarden Euro. Auch aus den 40 Milliarden, die jährlich aus der Energiesteuer (ehedem: Mineralölsteuer) fließen, bedient sich zum Teil der Verkehrsetat. Nun also ein neuer Topf.

Man kann darauf wetten, dass schon in zwei Jahren das Versprechen, kein deutscher Autofahrer werde mit Einführung der Maut mehr zahlen als zuvor, gebrochen sein wird.

Nicht zimperlich im Cyber-War

Früher ging Wahlkampf so: Die Parteizentralen erfanden Plakate mit einem heimeligen Slogan („Für Deutschland“, oder ähnlich), stellten an die Laternenpfähle der Republik Plakate und an Ortseingänge Großplakate („Wesselmänner“) und schalteten in den Printmedien Anzeigen und im TV ein paar Spots. Die Spitzenkandidaten zogen über die Marktplätze, redeten den Wählern ins Gewissen und versprachen ihnen höhere Renten und niedrigere Steuern.

Heute reicht das nicht mehr. Wahlkämpfer müssen sich gegen Informationskampagnen wehren, die sie selber nicht steuern können, die oft nicht einmal vom politischen Gegner kommen. Über das weltweite Netz mischen Agitatoren aus anderen Ländern mit, die mit Schmähkampagnen für den einen und Lob für den anderen Kandidaten ihre eigene geopolitische Agenda verfolgen. Russland tut das gewiss, auch andere Regierungen werden sich solchen Möglichkeiten nicht verschließen, es geht ja um etwas.

Die Werkzeuge für solche aktiven Kampagnen sind mittlerweile ausgefeilt. Das ganze ist bereits zu einer Wissenschaft gediehen: Psychometrik heißt sie, und sie tut das, was ihr Name verheißt: Die Psyche der Menschen zu vermessen. Das geschieht mindestens nach fünf Kategorien: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Geselligkeit, Verträglichkeit und der persönlichen Verletzlichkeit.

Aus den Bewegungen der Nutzer in den sozialen Netzwerken können Spezialisten so im Handumdrehen persönliche Profile erstellen. Alle Vorlieben werden aufgelistet: Aus Seitenaufrufen bei google, aus den „Likes“ bei facebook, dem Filmkonsum bei youtube oder den Musik- und Filmkäufen über die Streamingdienste lässt sich ziemlich exakt ein klarer Plan zusammenfügen, mit welchen Argumenten dieser Wähler anzusprechen ist.

Hinzu kommt, dass die Hacker gezielt Unterlagen aus dem Computern stehlen und so Halb- oder Unwahrheiten streuen. Auch sind sie in der Lage, Unsicherheit zu verbreiten und Ängste zu schüren – ein kleiner Angriff auf die Stromversorgung würde ausreichen, um eine Nation ins Chaos zu stürzen und den Ruf nach einer politisch „harten Hand“ auszulösen.

Als sicher gilt: Über Desinformationskampagnen im Netz und die Veröffentlichung gehackter Dokumente haben Russlands Geheimdienste beim Brexit und auf die Oststaaten der EU eingewirkt (Ziel: Die Zerstörung der EU), haben im US-Wahlkampf Donald Trump unterstützt (Ziel: Verhinderung der außenpolitisch härteren Gangart Hillary Clintons) und werden dies aus ähnlicher Motivation im französischen und deutschen Wahlkampf tun, um die Putin-Freundin Marine Le Pen zu fördern und die Putin-Skeptikerin Angela Merkel zu verhindern.

Merkel hat das zunächst Vernünftigste getan: Sie hat über diese Gefahren öffentlich gesprochen, um den Deutschen die Augen für solche Desinformation zu öffnen. Zugleich aber wird die Bundesregierung die Behörden in die Lage versetzen müssen, Angriffe abzuwehren – und selbst solche Kampagnen fahren zu können. Denn klar ist: Nur ein Cyber-Waffengleichstand hat jene abschreckende Wirkung, wie wir sie aus dem kalten Frieden der Nachkriegszeit noch kennen, und zimperlich dürfen wir da nicht sein.

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