7. Oktober 2025

Kinder dürfen nichts kosten

Die Debatte um die Migration wird auch die nächsten Jahren unseren politischen Diskurses beherrschen. Weltweit sind 300 Millionen Menschen unterwegs auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen, sie werden sich jene freien Plätze auf der Weltkugel suchen, die ihnen diese Existenz ermöglichen. Das lenkt den Blick auf die Bevölkerungsentwicklung. Sie zeigt, dass vor allem in den westlichen Staaten solche Leerräume entstehen, weil dort die Geburtenrate niedrig ist und die Bevölkerungszahl tendenziell sinkt.

Auch in Deutschland ist das so. Gegenwärtig leben hier mehr als 82 Millionen Menschen. Da aber jährlich mehr Menschen sterben als neu geboren werden, ist der demografische Abwärtstrend klar. Das führt zur Prognose des zuständigen Bundesamtes für Statistik, dass 2060 die Bevölkerungszahl in Deutschland auf 73 Millionen abgesunken sein wird.

Das hat Folgen. Zunächst gehen der Wirtschaft die Nachwuchskräfte aus, die Anzeichen dieser Knappheit sind schon jetzt erkennbar. Die Wirtschaft wird schrumpfen. Die Steuereinnahmen werden entsprechend sinken, die Fähigkeit zur kraftvollen Finanzierung von Sozialleistungen auch. Zugleich aber explodieren die Sozialleistungen (vor allem die Rentenversicherung), denn Deutschland wird eine alternde Gesellschaft mit einer Mehrheit von Wählern sein, die ihre eigenen Interessen abzusichern suchen und viele Lasten der jüngeren Generation aufbürden werden.

Was tun? Eine Gesellschaft, die an ihrem Fortbestand interessiert ist, muss Kinder für deren Eltern kostenfrei stellen. Das geschieht über Kindergarten-, Schul- und Hochschulplätze, deren Nutzung der Staat finanziert. Vor allem aber ist das Kindergeld eine Ausgleichsleistung, die für die meisten Eltern ein entscheidendes Kriterium bei der Frage ist: Kinder oder nicht?

Ab 2017 erhalten Eltern für das erste und das zweite Kind je 192 Euro monatlich, für das 3. Kind werden 196 Euro steuerfrei gestellt, ab dem 4. Kind sind es 223 Euro. Tatsächlich aber liegen die Kinderkosten – so haben es unsere Statistiker errechnet – bei monatlich 584 Euro pro Kind. Zum Kindergeld klafft da also noch eine beachtliche Lücke.

Haushaltspolitiker werden den Gedanken, das Kindergeld massiv anzuheben, für illusorisch erklären – das koste Milliarden. Das stimmt, aber Milliarden kostet es auch, auf Kinder zu verzichten., vor allem in der Sozialversicherung. Auch Einwanderung kostet Geld, die bei eigenem Kindermangel unausweichlich wird. Allein die Ausgaben für die Aufnahme von Flüchtlingen belaufen sich 2017 auf vermutlich mehr als 20 Milliarden Euro. Wir werden diese Summen und noch viel mehr aufbringen müssen, wenn die Kindearmut weiter anhält. Wer Einwanderung aber begrenzen möchte, der muss in der staatlichen Familienpolitik massiv umsteuern. Im Vergleich zum Notwendigen ist das Gegenwärtige nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Eine Innere Mission für Deutschland

Weihnachten, so viel haben sich die Deutschen gemerkt, ist ein christliches Fest. Damit verbunden hat sich eine Tradition des Dankes, die das vergehende Jahr resümiert und mit Grußkarten und Geschenken Zeichen für solche Dankbarkeit setzt. Es ist Zeit für innere Einkehr, und die begeht man am besten in der Kirche.

Auch in diesem Jahr waren die Weihnachtsgottesdienste voll. „Stille Nacht, heilige Nacht“ singt man ungern alleine, und so stehen sie alle eng an eng, erinnern sich an die eigene mystische Kindheitsweihnacht und man möchte, dass auch die eigenen Kinder in dieser Tradition aufwachsen. So könnte der Blick in die vollen Gotteshäuser zum gedanklichen Schluss verleiten: den Kirchen geht es gut.

In Wahrheit ist das nicht der Fall. Zwar fehlt es, der guten Konjunktur wegen, nicht an Kirchensteuern, aber es fehlt zunehmend an Gläubigen. Die Austrittszahlen sind kontinuierlich hoch, die Menschen fühlen sich zwar als Christen, können aber mit der Organisation Kirche offenbar immer weniger anfangen. Die Überzeugung verbreitet sich, man könne auch ohne die Mitgliedschaft in einer Kirche ein guter Christ sein.

Tatsächlich ist die Kirchensteuer eine segensreiche Einrichtung, sie ist der Tribut des deutschen Christen für das breite soziale und kulturelle Engagement der Kirchen in Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und vielen sozialen und caritativen Einrichtungen hierzulande und in anderen Ländern. So trägt diese Steuer dazu bei, dass diese Welt ein wenig humaner, gerechter und empathischer ist.

Aber klar ist auch: Die Kirchensteuer ist keine notwendige Bedingung des Christseins. Vielmehr ist es der Glaube, dass mit dem Tod nicht alles vorbei ist. Es ist die Überzeugung, dass nicht der Mensch Herr des Geschehens ist, sondern es einen übergeordneten Grund für zwingende Bescheidenheit gibt, einen Gott, der frei macht von irdischem Zwang. Und viele andere Gründe mehr.

Die Kirchen aber können diese Botschaft nicht in der Breite vermitteln. Das liegt an überlieferten Formen, an alten Traditionen, an der Weigerung mancher Ober-Hirten, die Lebenswirklichkeit auch für die kirchliche Seelsorge und ihre Dogmen zu akzeptieren. Die Erneuerung der christlichen Kirche, zumal der katholischen, geht nur schleppend voran. Der gegenwärtige Papst bemüht sich, aber sein „Aggiornamento“ wird torpediert von vergreisten Kardinälen wie dem ehemaligen Bischof von Köln, die – solange es ihnen ideologisch passte – Gehorsam gegenüber dem Papst verlangten, nun ihn aber selbst verweigern.

Das zeigt schon: Die Kirchen haben ein Personalproblem, das sich kontinuierlich verschärft. Noch gibt es Pastoren, die sind mit Feuereifer Seelsorger. Sie können mit Begeisterung von der freiheitsstiftenden Wirkung des Christentums predigen. Sie sind bei den Menschen vor Ort. Aber ihre Zahl nimmt ab, die Finanzierung ausreichenden Personals ist mangelhaft, Pfarrer- und Kantorenstellen (ja, von Gott muss man auch singen) werden gestrichen oder reduziert, Gotteslob auf Dreiviertelstelle und ohne Orgelklang. Das verbleibende Pfarrpersonal ist überlastet, was die Attraktivität des Berufs mindert. Nicht mehr die besten einer Familie gehen in den Dienst Gottes, sondern viele, die das Priesteramt für eine Therapie ihrer eigenen Probleme halten. Die Qualität sinkt, die Quantität auch.

Das ist ein Teufelskreis: Weniger Pastoren und Priester, weniger persönliche Berührung. Der Pfarrer von heute ist nicht mehr Teil der kommunalen Kulisse in Vereinen oder am Stammtisch, sondern ist hochmobil, er eilt durch die Gemeinden seines „Pfarrverbandes“ von Gottesdienst zu Gottesdienst. Für Jugendarbeit bleibt wenig Zeit. Wenn aber die persönliche Ansprache und das kirchliche Vorfeld einer Gesellschaft fehlen, wird der Nutzen einer Kirchenmitgliedschaft nicht mehr erkannt.

Dabei wäre das Feld für eine neue große Kampagne der „Inneren Mission“ in Deutschland bereitet. Die Menschen suchen in oft obskuren Angeboten nach Lebenssinn. Sie wollen Christen sein, wissen aber nicht, wie. Gemeinde und Gemeinschaft, die Substrat des christlichen Miteinanders sind, wären für sie Therapie. Und wenn einer mit der frohen Botschaft an der Tür klingelt, dann kommt er von den Zeugen Jehovas. Und wenn auf den Straßen von Gott geredet wird, dann stehen da Salafisten und verteilen den Koran.

Eine neue Innere Mission mit großem Einsatz ist also dringlich, wenn das Christentum sich behaupten will. Diese Botschaft aber ist in den Ämtern der Kirche noch nicht angekommen. Noch lebt es sich ja bequem. Das wird sich rasch ändern, und so wird es notwendig, in beiden Kirchen beim Personal an der Front aufzurüsten und das Geld dorthin umzuverteilen. Für die katholische Kirche stellen sich weitergehende Fragen: Warum müssen dort Priester unverheiratet sein? Warum wird Frauen der Zugang zum Priesterberuf verwehrt? Die Lehre aus allem ist: Die Kirchenhierarchen müssen sich ändern, dann ändern sich auch die zweifelnd Gläubigen. Nicht umgekehrt.

Von Ängsten und Tatsachen

Es gibt Grund zu der Annahme, dass der Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz ein Ausländer ist. Auch ist es nicht unwahrscheinlich, dass er mit einem Flüchtlingsausweis in Deutschland lebte, geduldet. Wenn es wo wäre: Was folgt daraus, und was nicht?

Was nicht daraus folgt, ist die Unterstellung, dass deswegen alle Migranten potentielle Terroristen sind. Da die meisten Morde hierzulande von Deutschen verübt werden, würden wir eine solche Verallgemeinerung auch nicht für alle anderen Deutsche zulassen. Wenn ein Münchner einen Mord begeht, dann sind deshalb noch längst nicht alle Münchner potentielle Mörder. Weil Anders Breivik 2012 in Oslo 77 junge Menschen ermordete, ist nicht der Rückschluss möglich: Alle Norweger sind gefährlich, man darf sie nicht mehr ins Land lassen. Die Amokläufer von Winnenden und Erfurt waren Deutsche, die RAF-Terroristen auch. Und auch sonst gilt: Von persönlichen Attributen eines Täters auf eine Mitschuld seiner soziologischen, religiösen, ethnischen oder geografischen Herkunftsgruppe zu schließen, ist logisch unstatthaft, schäbig und absichtsvoll demagogisch. Unser Strafrecht kennt keine Sippenhaft.

Auch ermöglicht die Annahme, der Täter von Berlin sei als Flüchtling gekommen, nicht die Feststellung, ohne den Einwandererstrom von 2015 wäre das nicht passiert. Das „Zwillingsattentat“ von Berlin, nämlich der mit einem Lastwagen begangene Massenmord in Nizza, wurde von einem Mann ausgeführt, der zuvor schon 13 Jahre in Frankreich gelebt hatte. Auch die Täter von Brüssel und Paris waren nicht frische Einwanderer, die irgendein Premierminister ins Land „eingeladen“ hatte.

Aus all dem folgt: Unter die vielen guten Gründe, die es für eine scharfe Begrenzung und Kontrolle des Zuzugs nach Deutschland gibt, kann man eine steigende Gefahr für Anschläge nicht einordnen. Wer Anschläge ausführen will, der findet seine Wege. Das war immer so, die Geschichte ist voll von politischen Attentaten in aller Welt, auch in Deutschland, auch in den letzten 50 Jahren.

Was also hilft, wenn es objektiv wirksame, einfache Rezepte nicht gibt? Das erste: Unsere Sicherheitskräfte sind zu schwach. Wenn es stimmt, dass der gesuchte Tatverdächtige von Berlin ein vorbestrafter Mann mit erkanntem Gefährderpotential war, der unter Beobachtung der Polizei stehen sollte und er dieser Beobachtung entwischt ist, dann ist das ein objektiver Skandal. Aber Politik muss auch auf die subjektiven Ängste reagieren. Die Polizeipräsenz ist in den Städten und auch den ländlichen Regionen Deutschlands auf ein nicht (mehr) akzeptables Maß heruntergefahren worden. Das machen sich mit objektiv steigenden Zahlen Einbrecherbanden zunutze, auf die endlich eine Antwort der Sicherheitsbehörden gefunden werden muss.

Zudem muss der Kontrollverlust an deutschen und europäischen Grenzen beendet und seine im letzten Jahr aufgetretenen verheerenden Folgen aufgearbeitet werden. Beides bedeutet: Sehr vielmehr Personal und eine sehr viel bessere Ausstattung für die Sicherheitskräfte. Das ist viel entscheidender für Deutschland, als viele sozialpolitische Töpfchen wahlkampfgezielt mit zusätzlichem Steuergeld zu füllen.

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