7. Oktober 2025

Priestermangel – was tun?

Der Tagesordnungspunkt „Zukunft und Lebensweise des priesterlichen und bischöflichen Dienstes“ – sagte Kardinal Reinhard Marx dieser Tage zum Auftakt der bischöflichen Frühjahrs-Vollversammlung – sei für die katholischen Bischöfe „ein ganz herausforderndes Thema“, dieses Thema „bedrückt uns“.

Dafür gibt es ernsthaften Anlass. Denn die Zahl der Welt- und Diözesanpriester in den 27 deutschen Bistümern ist von 18 700 Anfang 1995 auf weniger als 14 000 zum Beginn des Jahres 2016 gesunken. Art und Umfang der priesterlichen Aufgaben haben freilich zugleich zugenommen. Priester sind überlastet, sie müssen nicht nur Geistlicher und Seelsorger sein mit möglichst viel Zeit für die Gläubigen, sondern auch Manager und Verwaltungsfachmann. Wo früher eine Kirche in der Pfarrei stand, sind es heute im „Pfarrverband“ drei oder mehr, und sie alle wollen „bespielt“ werden, eine normale Erwartungshaltung der Gläubigen – nicht zuletzt als Gegenleistung für die gezahlte Kirchensteuer.

„So geht es nicht weiter“, sagt der Konferenzvorsitzende Kardinal Marx, weshalb man überlegen müsse, was „das Unersetzbare des priesterlichen Dienstes“ und der Kern der „geistlichen Kompetenz“ der Priester seien, von allem anderen müsse man sie entlasten. Über die priesterliche Pflicht zur Ehelosigkeit oder gar andere Berufungsformen wollen die deutschen Bischöfe hingegen nicht reden, denn „das ist nicht unsere Kompetenz“.

Auf welcher Kompetenzebene auch immer – diese Debatte über den Zölibat, über die Berufung von verheirateten Männern oder auch von Frauen zum Priestertum muss kommen. Wirklich schlagende Gründe für das Monopol des männlichen, zölibatär lebenden Priesters gibt es ohnehin nicht. Zudem sinkt die Zahl der Priesteramtskandidaten von Jahr zu Jahr weiter, die Funktionsunfähigkeit des kirchlichen Apparates ist da abzusehen. Man kann nicht warten, bis es so weit ist.

Die Frage ist auch von gesamtgesellschaftlicher Relevanz. Beide großen christlichen Kirchen zusammen beschäftigen 1,2 Millionen Menschen, sie halten das kirchliche Leben nicht nur in Pfarrgemeinden und Verbänden aufrecht, sondern in Caritas, Religionsunterricht und Universitäten, an Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern und Akademien und in vielen Formen der Sozialarbeit. Das verpflichtet auch die Katholiken. Die Bischöfe und die Weltkirche sind ihren Gesellschaften also auch in der Priesterfrage zukunftsweisende Antworten schuldig.

Schulz: Anschlag auf die Fleißigen im Lande

Die SPD hat ihr Wahlkampfprogramm beschlossen. Es bietet nichts Neues, sondern setzt, wie nicht anders zu erwarten, auf den Begriff der „Gerechtigkeit“, der viele Vorzüge hat: Er ist beim Volk gut angesehen, denn keiner will ungerecht sein; er ist unscharf, denn jeder hat andere Gerechtigkeits-Vorstellungen, weshalb man eine klare Definition nicht abfordern kann; er ist deshalb als Ziel nie erschöpft und immer brauchbar.

Der neue SPD-Chef Martin Schulz hat seiner eigenen Partei damit ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Sie habe bei der Umsetzung von „Gerechtigkeit“ bisher „Fehler gemacht“, und „die müssen korrigiert werden“. Also: Note 6 für Gerhard Schröder, Andrea Nahles, Gabriel und Co., die in ihrer Koalitionsarbeit das Klassenziel nach Schulz-Kriterien nicht erreicht haben.

Das soll jetzt das „Arbeitslosengeld Q“ bewirken. Wer länger in Qualifizierungsmaßnahmen bleibt, soll auch länger Arbeitslosengeld I bekommen, das sind bei Verheirateten 67 Prozent vom letzten Gehalt. Wer älter als 58 ist, soll das bis zu vier Jahren nutzen können, dann schließt sich am besten die Frührente an (und die Qualifizierung und deren Kosten waren für die Katz).

Wer soll das bezahlen? Natürlich die Beitragszahler der gesetzlichen Sozialkassen, jene Arbeitnehmer also, die es vorziehen, für ihr Geld ehrlich zu arbeiten, die sich selbst bemühen und dafür viele Entbehrungen auf sich nehmen. Somit ist klar: Die Idee von Schulz, mehr Leistungsbezieher zu produzieren statt Leistungserbringer, ist ein direkter Anschlag auf die fleißigen Arbeiter in Deutschland. Sie trifft die bürgerliche Mittelschicht, Schulz reitet die anti-bourgeoise Attacke, die man in der sozialistischen Vergangenheit wähnte.

Verwunderlich ist, dass die Gewerkschaften da auch noch Beifall klatschen. Wen vertreten die eigentlich? Die Interessen der Arbeitnehmer können es nicht sein, denen hier zusätzliche Lasten aufgebürdet werden. Wer arbeitet, muss zugleich mit ansehen, wie es immer bequemer gemacht wird, sich dem Arbeitsmarkt zu entziehen und sich sein Geld vom Staat zu holen. Der Druck auf die eigene Anstrengung, die mit der Agenda 2010 von Gerhard Schröder so erfolgreich gewesen ist, soll nach Schulzens Plänen wieder nachlassen. Schulz arbeitet an einer Vergrößerung der Arbeitslosenzahl.

Das alles ist auch ein Anschlag auf den Standort Deutschland. Nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch prominente SPD-Politiker wie Franz Müntefering haben darauf verwiesen, dass Deutschland nicht zusätzliche vorzeitige Rentner brauchen wird, sondern weniger davon – und eine kontinuierliche berufliche Qualifizierung der Menschen, damit sie länger im Arbeitsleben bleiben können. Der demografische Befund ist ja klar, qualifizierte Arbeitskräfte fehlen zunehmend.

Man sieht: Schein und Wirklichkeit klaffen bei Martin Schulz auseinander. Der Wahlkampf droht, zum Illusionstheater zu verkommen.

Ein Bundespräsident des Äußeren?

Egon Bahr, den man gemeinhin den „Architekten“ der Ostpolitik zu Zeiten Willy Brandts nennt, pflegte außenpolitische Erwägungen immer mit dem Hinweis auf die Landkarte einzuleiten: Die Geografie sei hier das verlässlichste Beurteilungskriterium. Der Blick auf Europa zeigt insofern, dass deutsche und europäische Außenpolitik an Russland nicht vorbeikommen. Das ist in guten Zeiten so, und in krisenhaften ganz besonders.

Frank Walter Steinmeier hat das in seiner Zeit als Außenminister besonders beherzigt. Er hat die aggressive Außenpolitik Russlands gegenüber der Ukraine durch das unnachgiebige Insistieren auf das Minsker Abkommen einzuhegen versucht, leider mit wenig Erfolg, wenigstens sind die Dinge nicht schlechter geworden. Auch als Bundespräsident will er nun eine stärkere außenpolitische Rolle spielen als sein Vorgänger, dem es mehr um die inneren Bindungen der Deutschen und ihre Freiheitsüberzeugungen zu tun war.

Er hat die Schwerpunkte seiner Präsidentschaft damit richtig gesetzt. Denn die Außenpolitik und die damit verbundene internationale Handels- und Währungspolitik werden die Zukunft Deutschlands und Europas in den kommenden Monaten und Jahren schicksalhaft entscheiden. Wir werden von außen herausgefordert. Russland hat seinen neoimperialen Machtanspruch unverhohlen formuliert und ihn mit der Annexion der Krim im ersten Schritt umgesetzt. Zudem erleben wir die vielfältigen Aktivitäten russischer Außenpolitik, die multilateral verbundene Europäische Union im Inneren zu spalten und so über bilaterale Vereinbarungen an Einfluss zu gewinnen. Die Unterstützung Putins für die nationalistischen Bewegungen in den EU-Ländern gibt ein anschauliches Bild davon.

Das gleiche Spiel beginnen ganz offenbar nun die Vereinigten Staaten. Eben hat die US-Außenpolitik die Zusammenarbeit der EU-Länder noch gefordert und gefördert, nun treibt auch der US-Präsident Keile in die EU und die Nato und setzt die bisher intensive transatlantische Partnerschaft Zweifeln aus. „Teile und herrsche“ ist offenbar ein Prinzip Trump’scher Aussenpolitik, die an einem amerikanisch-russischen Bündnis arbeitet.

Diese Lage setzt Deutschland bisher ungekannten Herausforderungen aus. Erstens: Die Verteidigungsausgaben werden kräftig steigen müssen, gegenwärtig betragen sie 1,19 Prozent des Bruttoinlandsprozents, gefordert sind zwei Prozent. Im Bundeshaushalt beträgt der Anteil 13,67 Prozent, das Ziel sind 20 Prozent. Die innen- und außenpolitischen Verwerfungen solcher Entscheidungen sind abzusehen. Zum zweiten werden sich die Handelsströme zu unseren Lasten neu ordnen, wenn in den USA und anderen Ländern neuer Protektionismus einzieht. Zum dritten steigt die energiepolitische Abhängigkeit von Russland, wenn mit der Fertigstellung der zweiten Northstream-Gasleitung Deutschland zum einzigen Eintrittspunkt von russischem Gas in die EU wird. Das widerstrebt einer vernünftigen Autarkie-Politik.

Wenn Bundespräsident Steinmeier seine außenpolitische Kompetenz hier einbringt und klug, mahnend und wegweisend ein präzises und zukunftsträchtiges Bild von Deutschlands Zukunft in Europa skizziert, wird er ein wichtiger Bundespräsident werden.

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