16. April 2024

Freiheit des Netzes erhalten

Ein paar Wochen erst ist es her, dass sich EU-Parlament, Kommission und EU-Rat auf eine gemeinsame Formulierung einer neuen EU-Urheberrechts-Richtlinie geeinigt hatten. Auch das deutsche Bundeskabinett stimmte zu, und zwar mit der Stimme der SPD-Justizministerin Katharina Barley. Im Text, der vom EU-Parlament und vom Rat noch beschlossen werden muss, ist auch eine Regelung zu den so genannten „Upload-Filtern“ enthalten. Mit deren Hilfe sollen Plattformen wie etwa youtube verpflichtet werden, alle von Nutzern hochgeladenen Inhalte auf Verletzungen des Urheberrechts zu prüfen.

Damit hat die Politik wieder einmal – wie schon bei vielen Grenzwerten – Vorgaben formuliert, deren präzise Einhaltung technisch unmöglich und überdies für die Freiheit der Information gefährlich ist. Ein solcher Upload-Filter kann auch bei bester technischer Konfiguration beim Hochladen nicht mit verlässlicher Genauigkeit feststellen, ob Inhalte wie Bilder, Videos, Musik oder Texte urheberrechtlich geschützt sind. Zu befürchten ist deshalb, dass er sozusagen „sicherheitshalber“ auch Inhalte sperrt, die keine Urheberechtsverletzungen darstellen. Dieser Preis wäre zu hoch. Rechtskonforme Beiträge zu sperren bedeutet eine nicht hinnehmbare Einschränkung der Informationsfreiheit im Netz. Die aber muss im Interesse unserer und auch der weltweiten Freiheit verteidigt werden, weshalb eine solche Regelung nicht sein darf.

Hinzu kommt, dass die großen Plattformbetreiber auf diese Weise noch mächtiger werden als sie es ohnehin schon sind: Sie hätten dann die Entscheidung darüber in der Hand, welche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen und welche nicht, und mit wem sie Lizenzverträge abschließen und mit wem nicht. Das ist das Gegenteil dessen, was die Kritiker der Plattformen wollen.

Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD aus diesen Gründen eigentlich vereinbart, eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von solchen Filtern als „unverhältnismäßig“ abzulehnen. Trotzdem hat Deutschland auch mit Einverständnis der federführenden Justizministerin der EU-Reform zugestimmt, die Upload-Filter im Artikel 13 zwar nicht explizit festlegt, deren Auflagen Plattformen wie YouTube aus Sicht von Kritikern aber nur mit Hilfe solcher Filter gerecht werden können.

Für diesen skandalösen Bruch des Koalitionsvertrages, dessen Formulierung an dieser Stelle einen guten Grund hatte, wird Barley nun in ihrer eigenen Partei kritisiert. Vollkommen zu Recht: Die Regelung ist nicht einfach als Problem abzutun, das die betroffenen Plattform-Unternehmen schon irgendwie lösen werden. Vielmehr handelt es sich um eine Frage grundsätzlicher demokratischer Freiheiten und um ein realitätsfern formuliertes Gesetz.Da ist es schon wunderlich, dass CDU und CSU diesen Bruch des Vertrages so einfach durchgehen lassen.

Die Behauptung, ohne Upload-Filter geriete der Urheberrechtsschutz in Gefahr, ist Unsinn: Der lässt sich auch sichern, ohne dass man die Plattformen für Urheberrechtsverletzungen von Inhalten in Anspruch nimmt, die Dritte hochgeladen haben. So hat der Bundesgerichtshof gerade den Europäischen Gerichtshof angerufen zu der Frage, ob Youtube Namen, E-Mail-Anschriften, Telefonnummern und IP-Adressen von Urheberrechtsverletzern herausgeben muss, wenn Urheber klagen. Wird das positiv entschieden, wären die Urheber dingfest zu machen, bei denen die Verantwortung auch liegt. Uploadfilter braucht es dann nicht. Auch heute schon werden Urheberrechte pauschal über Verwertungsgesellschaften abgegolten – für Plattformen ließe sich derlei auch einrichten. Insofern ist zu hoffen, dass die Richtlinie in ihrer jetzigen Form noch scheitert und der Artikel 13, der die Plattformen für Urheberrechtsverletzungen Dritter verantwortlich machen will, gestrichen wird.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Verteidigenswert

Auch 2019 wird die Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weitergehen. Zwar ist die finanzielle Fundamentierung der Anstalten ARD und ZDF gesichert, nicht zuletzt durch bisher stets solidarische Urteile des Bundesverfassungsgerichts. Aber der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat Gegner aus Prinzip, die in ihren Anfeindungen nicht lockerlassen werden und eine Abschaffung der von jedem Haushalt zu entrichtenden Rundfunkgebühr fordern.

Da sind zunächst die privaten Programmveranstalter, die der Auffassung sind, man solle das ganze Rundfunk-Angebot in Hörfunk, Fernsehen und den Internet-Medien dem Markt überlassen. Dann könne sich das geneigte Volk heraussuchen, was es selbst wolle. Die zweite Gegner-Gruppe ist ideologiegetrieben. Sie vermutet hinter dem öffentlich-rechtlichen Journalismus vornehmlich linke Gestalten, die dem rechtskonservativen Spektrum die programmliche Berücksichtigung und den demokratischen Respekt verweigerten. Zu den Gegnern zählen schlie0lich auch viele junge Menschen, denen das ganze analoge Fernsehangebot nichts sagt, weil sie ihre Informationen und auch alle Filme meist gratis aus dem Netz ziehen und deshalb die verpflichtende Mediengebühr nicht einsehen.

Und schließlich gibt es Anhänger der öffentlich-rechtlichen Rundfunkidee, die im zwangsfinanzierten Programm jedoch eine erhebliche Überlastung mit Krimis, seichter Unterhaltung und langweiligen Sportübertragungen wahrnehmen, also Inhalten, die nicht das Ziel des Kerns der öffentlich-rechtlichen Rundfunkidee sind, also Information, Kultur und Bildung. Mithin sei dies ein Missbrauch der Gebührengelder.

Warum also gibt es das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot noch? Es ist immer wieder notwendig, daran zu erinnern, dass seine Gründung in Deutschland eine Antwort war auf die Reichspropaganda der Nazis, auf eine mediale Gleichschaltung, die politisch inszeniert und mit wirtschaftlichen Methoden (etwa: Anzeigenentzug) betrieben wurde – Muster, die wir heute in anderen demokratischen Staaten wiedererkennen. Das wollen wir in Deutschland nicht wieder erleben, weshalb die Idee eines staatsfernen und kommerzunabhängigen Rundfunks unverändert brillant bleibt. Es ist notwendig, dass sich die Angestellten in den Funkhäusern diese Gründungsidee immer wieder klarmachen und danach handeln. Sie sollen und müssen die freiheitliche Demokratie verteidigen. Darüber hinaus tendenziöse Nachrichten, Berichte, Reportagen und Talkshows haben in diesen Programmen allerdings nichts zu suchen.

ARD und ZDF sollten insofern ihre Programme auf den Prüfstand stellen. Auch könnten die Sparanstrengungen größer sein: 71 öffentlich-rechtliche Hörfunkprogramme, die sich doch auf nur eine Handvoll Grundmuster zurückführen lassen, braucht kein Mensch. Auch die Kosten für Sportrechte, Unterhaltungssendungen und Krimiproduktionen könnten drastisch gekürzt werden, das alles liefert auch „der Markt“. Was aber fehlt, sind mehr erstklassige Informationsprogramme, im Hörfunk etwa ein europäisches Hörfunkprogramm und eine Ausweitung der europäischen Fernsehprogramme über arte hinaus. Hier und auch in einer hochqualifizierten Netzpräsenz von Informations- und Kulturangeboten liegen Zukunftschancen – nicht in der Verteidigung dessen, was letztlich nicht zu verteidigen sein wird.

Steuersenkungen: Untätigkeit schadet

Wenn man der Großen Koalition etwas zugute halten kann, dann ist es die bisher ruhige Hand in der Steuerpolitik: Keine Erhöhungen, das war das Versprechen. Aber die schleichende Geldentwertung und nachfolgende Tarifrunden haben viele Arbeitnehmer dennoch in höhere Steuerbelastungen wachsen lassen, weil die Steuertarifgrenzen statisch sind. Zudem ist die Welt um Deutschland herum auch nicht stehengeblieben: Andere Länder haben teilweise drastische Steuersenkungen für die Wirtschaft beschlossen, weil sich die Konjunktur einzutrüben beginnt und das Steuerniveau ein wichtiger Wettbewerbsfaktor ist.

Das Ergebnis: Deutschland ist Hochsteuerland, die Wirtschaft hat insofern viel Grund zur Klage und ist versucht, in steuergünstigere Gefilde auszuweichen oder Firmenkonstrukte zu prüfen, die die Steuerlast mindern. Derlei ist völlig legal, und wer solches Verhalten dann kriminalisiert („Steuerschlupflöcher“), der hat Ursache und Wirkung des wirtschaftlichen Prozesses und der Verteilung der Produktivkräfte im Raum nicht verstanden.

Nun scheint es, als nähme die Steuerdebatte wieder Fahrt auf. Die Unionsfraktion möchte die Steuern für Kapital- wie Personengesellschaften bei 25 Prozent deckeln. Das soll vor allem durch die Anrechnung der Gewerbesteuer bei der Einkommen- und Körperschaftssteuer geschehen sowie durch die Abschaffung des Solidaritätszuschlages. Ein Wunder wäre es freilich, wenn der sozialdemokratische Widerpart in Gestalt des Bundesfinanzministers Scholz da nicht widersprochen hätte: „Steuersenkungen zu versprechen, für die es keine Gegenfinanzierung gibt, ist unredlich und schafft kein Vertrauen“, sagt er (um zugleich den immer neuen sozialpolitischen Ideen seiner sozialdemokratischen Ministerkollegen willig die Hand zu reichen). Darin liegt bereits der Scholz’sche Unwille, eine Gegenfinanzierung überhaupt zu suchen, weil ihm die ganze CDU/CSU-Richtung nicht passt und er sogar den Spitzensteuersatz anheben will.

Fündig könnte er im ausgeuferten Sozialetat werden, bei dem eine neue Leistung auf die andere getürmt wird. Auch das belastet die Wirtschaft immer mehr. Hier freilich gibt sich die CDU wenig einsichtig: Der CDU-Bundeswirtschaftsminister Altmaier will nicht etwa für niedrigere Sozialleistungen sorgen, um die Beiträge zu senken, vielmehr will er die Beiträge „deckeln“. Im Klartext heißt das: Mehr Steuerfinanzierung für die Sozialsysteme. Altmaier unterminiert damit die Absichten der Steuerkollegen der Unions-Fraktion und spielt der SPD in die Hände, die Steuersenkungen sowohl für die Wirtschaft als auch für die Bürger für überflüssig hält und den Spitzensteuersatz gar noch erhöhen will.

Wenn aber die eine Hand der Koalition das Gegenteil der anderen will, dann ist eines wahrscheinlich: Stillstand bis zum nächsten Wahltag. Der aber ist, voraussichtlich, erst 2021. Steuersenkende Untätigkeit bis dahin wird Schaden anrichten.

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