28. März 2024

Die Infrastruktur – Bürgerverhöhnung

Auf 2018 kann man in Deutschland dankbar zurückschauen: Ein Jahr des wirtschaftlichen Wohlstandes, des sozialen Friedens, des Fortbestands einer freiheitlichen Demokratie. Um all das beneidet uns die Welt. Zu manchem hat die Bundesregierung aktiv beigetragen, anderem stand sie zumindest nicht im Wege.

Es ist dennoch keine Häresie, wenn man zum Jahresende einen kritischen Blick auf eines der größten Probleme Deutschlands wirft: Die Infrastruktur. Sie ist in einem maroden Zustand, und die Politik hat ihn verursacht. Das beginnt mit dem Blick auf die Deutsche Bahn. Deren Probleme hat praktisch jeder Bundesbürger persönlich erfahren: Unpünktlichkeit, schlechtes Wagenmaterial, technische Ausfälle, zu wenig Bahnstrecken. Über anderthalb Jahrzehnte wurden diese Schieflagen aufgehäuft: Falsche Prognosen für den Passagierzuwachs, zu wenig Geld für modernste Züge, Kürzungen beim Personal, zu wenige und verschleppte Neubaustrecken.

Ähnlich ist es bei den Straßen: Ihre Leistungsfähigkeit konnte mit dem Zuwachs des Straßenverkehrs nicht mithalten, die Folge sind (meist schlecht organisierte) Baustellen und deshalb kilometerlange Staus. An Neubaustrecken traut man sich politisch kaum noch heran: Die Planungs- und Genehmigungszeiten erstrecken sich über Jahrzehnte, eine politisch verursachte Kompliziertheit vor allem des Umweltrechts und das undemokratische und überflüssige Verbandsklagerecht sorgen für ständigen Gegenwind von allerlei Verbänden, deren Bedeutsamkeit durch eine grün-willfährige Publizistik aufgeblasen wird. Gleiches gilt beim Bau von Schifffahrtsstraßen und der Erweiterung von Flughäfen.

Maroden Straßen folgen insuffiziente Energienetze. Die Energiewende – gut gemeint, aber miserabel gemanagt – braucht leistungsstarke Transportwege, um den Windkraftstrom der Nordsee nach Süden zu bringen: Doch auch hier behindern die politisch eingeräumten Blockademöglichkeiten von undemokratischen Nichtregierungs-Organisationen die Realisierung über Jahrzehnte. Derweil schließt die Bundesregierung Atomkraft- und Kohlekraftwerke, promoviert aber zugleich eine batteriegespeiste Elektromobilität: Das führt Deutschlands in energiepolitische Armenhaus Europas, belastet die Bürger finanziell massiv, führt zu sozialen Schieflagen und hohen Budgetkosten. Zudem werden wir mehr denn je abhängig von den Nachbarn und entfernteren Lieferanten wie Russland oder Saudi-Arabien: Schlechte Politik.

Auch die digitale Infrastruktur ist eine wirkliche Katastrophe. Städte, Ballungszentren und ländliche Regionen sind mit Mobilfunk und Internet schlecht versorgt, Deutschland ist Entwicklungsland, steht auf dem Niveau von Albanien. Die vielen Akteure, die in diesem Zukunftsspiel mitmischen, vermitteln indessen nicht den Eindruck, als sei es ihnen eilig, die Bundesnetzagentur im Bremserhäuschen allen voran. Leidtragende sind auch hier die Bürger und die Zukunftschancen der Wirtschaft.

Betrachtet man diese Beispiele oder auch die vollkommen verfehlte regierungsamtlich beförderte Hatz auf die deutsche Automobilindustrie und ihre Arbeitsplätze, dann kann man verstehen, dass viele Bürger den Respekt vor dem Staat und seinen Instanzen verlieren. Wer merkt, dass zwar die Finanzämter sowie alle Blitzgeräte an deutschen Straßenrändern zum Wohle der öffentlichen Finanzen funktionieren, nicht aber die Infrastruktur, der fühlt sich ausgenommen, unbeachtet, ja: verhöhnt. Hier hat der Staat 2019 Korrekturbedarf: Die Interessen der Bürger wieder in den Mittelpunkt zu rücken.

Werbung für Abtreibung? Nein!

Erneut gibt es in Deutschland eine heftige Debatte um die Abtreibung. Diesmal geht es um die Frage, ob man für Abtreibung werben darf, wenn auch nur insoweit, als auf den Webseiten der einschlägigen Arztpraxen alle Informationen dazu bereitgestellt werden dürfen. Die Argumente sind jene, die auch schon bei der heute gültigen Neuregelung der rechtlichen Folgen eines Schwangerschaftsabbruches ins Feld geführt wurden: Während die eine Seite argumentiert, über das Lebensrecht eines Embryos dürfe nur die schwangere Frau selbst entscheiden, billigen die Gegner einer Abtreibung dem Embryo ein eigenes Lebensrecht zu, das strafrechtlich vom Staat zu schützen sei.

So ist auch heute noch die Lage. Abtreibung ist strafbar, wird aber unter bestimmten festgelegten Voraussetzungen (Pflicht zur Schwangerschaftskonfliktberatung und dann dreitätige Bedenkzeit) nicht verfolgt. Diese Rechtslage zwingt auch dazu, Werbung für die Abtreibung nicht einfach zu erlauben. Deshalb hatte eine Gießener Ärztin vor Gericht auch eine Geldstrafe hinnehmen müssen, die auf ihrer Webseite auf ihre Abtreibungspraxis hingewiesen und Informationen dazu ins Netz gestellt hatte. Das war „illegale Werbung“.

Tatsächlich kann vom Staat nicht Werbung für eine Handlung hingenommen werden, die unter Strafe steht, in diesem Fall die Schwangerschaftsunterbrechung durch Abtreibung. Das macht auch einen Kompromiss eigentlich unmöglich, es sei denn, man verrenkt sich so, wie man das schon bei der gegenwärtigen Konfliktlösung 1995 getan hat: Strafbar ja, aber keine Verfolgung. Dieses Prinzip der Nichtverfolgung einer strafbaren Handlung darf aber keine Schule machen. Unser Rechtssystem ist auf Verlässlichkeit aufgebaut, alle getroffenen Regelungen müssen für alle gleichermaßen gelten, sie müssen einklagbar und überprüfbar sein. Das Parlament sollte sich hüten, die Eindeutigkeit des Strafrechts weiter zu unterhöhlen.

Die Gegner des Werbeverbots argumentieren, es ginge ja nicht um Werbung, sondern nur darum, abtreibungswilligen Frauen entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen. Dazu reicht es freilich aus, die Arztpraxen zu benennen, in denen solche Eingriffe durchgeführt werden. Dort sind dann alle notwendigen Informationen zu bekommen, und dieser Gang zu einer Beratung ist angesichts der Schwere des Eingriffs und auch der Entscheidung dazu zumutbar. Mit Antifeminismus hat das gar nichts zu tun.

Es ist auch unfair, jene zu diffamieren, die dem Embryo schon ein Lebensrecht zusprechen und dabei den Satz zitieren: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Denn wer dem Menschen, der im Embryo vollends angelegt ist, ein eigenes Lebensrecht zuspricht, steht ethisch jedenfalls auf jenem sicheren Boden, auf den sich eine humane Gesellschaft unbedingt begeben muss.

Lasst das Grundgesetz in Ruhe!

Die deutschen Schulen sollen von der Bundesregierung Geld bekommen, um Computer kaufen zu können – großspurig als „Digitalpakt“ etikettiert. An dieser Nachricht fällt auf, dass die zuständigen Finanziers Bundesland und Kommunen das offenbar bisher versäumt habe, trotz voller Kassen – ein Skandal. Zweitens werden Schüler darüber nur lächeln – praktisch alle haben ja schon ein Smartphone und einen Laptop, und sie geben ihren Lehrern meist ohnehin schon häufig Nachhilfe. Wenn FDP-Chef Lindner also mahnt: „Die Digitalisierung darf an den Schülern nicht vorbeigehen“, dann ist das so richtig wie banal. An ihnen vorbeigehen darf allerdings auch nicht die Fähigkeit, lesen, orthografisch und grammatikalisch korrekt schreiben und gut rechnen zu können. Da werden die schönsten Computer die notwendigen pädagogischen Grundbemühungen nicht ersetzen können, Computer lernen nicht für die Schüler, meist lenken sie vom Lernen eher ab.

Aber: Jeder Euro zählt, also soll man den Zahlungswillen der Bundesregierung begrüßen. Dass wegen ein paar Computern nun aber das Grundgesetz geändert werden soll und sogar CDU-Bundespolitiker dafür eintreten, ist ein Stück aus dem ideengeschichtlichen Tollhaus gegenwärtigen Regierens. Offenbar hat da niemand mehr im Sinn, mit welchem feinsinnigen Ethos unsere Verfassungsväter das Grundgesetz seinerzeit organisiert und formuliert haben. Im Föderalismus und der damit verbundenen Aufteilung von Aufgaben liegt mehr als ein materielles Distributionsprinzip. Vielmehr manifestiert sich darin eine Geisteshaltung, die zur Akzeptanz (oder eben auch Ablehnung) des demokratischen Bundesstaates entscheidend beiträgt. Die bewusste Abkehr von zentralistischen Überlegungen differenziert diese Bundesrepublik von Staaten wie Frankreich, die nur ein politisches Zentrum kennen und deshalb auch den Unmut von Teilen der Bevölkerung provozieren, die sich in dieser Zentralität nicht wahrgenommen fühlen.

Es mag Gründe geben, über manche Zuständigkeiten neu nachzudenken. Die Bildungspolitik gehört nicht auf diese Liste, sie ist Sache der Länder und damit des Wettbewerbs-Föderalismus. Das ist auch gut so, so lange die Lehrpläne mancher Länder nach einschlägigen Koalitionsbildungen mit roten oder grünen Parteien sofort ideologisiert werden. Da schaffen es die abstrusesten pädagogischen Überzeugungen in die Schulwirklichkeit mit dem bekannten Ergebnis, dass die Leistungsfähigkeit der Schüler in den kulturellen Grundtechniken rapide Schaden genommen hat. Bildungspolitik aus rot-grüner Bundeshand möchte man sich da nicht vorstellen.

Aus all diesen Gründen sollte man den Föderalismus wegen der Anschaffung von ein paar Computern nicht beschädigen. Der Bund wird leicht andere Wege finden, seine Digital-Milliarden an die Länder zu überweisen, deren Konten er ja kennt.

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