25. April 2024

Atomwaffen für Deutschland?

Dem 70. Jahrestag ihres Bestehens im kommenden Jahr muss die Nato mit Bangen entgegensehen. Denn es scheint sich unter den Mitgliedern die Einigkeit aufzulösen, die „Freiheit, das gemeinsame Erbe und die Zivilisation der Völker, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts beruhen“, notfalls gemeinsam zu verteidigen. So aber sieht es Artikel 5 vor: „Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird“, also gemeinsam militärisch reagieren.

US-Präsident Trump sieht die USA da nicht mehr zwingend in der Pflicht. Montenegro beispielsweise wäre ihm einen Waffeneinsatz nicht wert. Und ob er irgendein anderes Land in einem Europa, das er für den USA feindlich gesonnen hält, verteidigen würde, muss offen bleiben. Verlassen können wir uns darauf nicht mehr, zwischen Lippenbekenntnissen und echter Überzeugung kann man bei Trump nicht mehr unterscheiden.

Der Politologe Christian Hacke hat nun einmal die Folgen durchdekliniert, die das explizit für die Bundesrepublik haben muss. Wenn Amerika uns den Schutz des amerikanischen Atomschirms entzieht, werden Frankreich oder Großbritannien kaum in die Bresche springen, wenn wir selbst entsprechende Anstrengungen nicht zeigen. Das heißt: Wir müssen auch selbst Atomwaffen produzieren, um glaubwürdige Abschreckung bieten zu können. Gelagert sind solche Waffen auf deutschem Boden ohnehin schon.

Die Notwendigkeit einer solchen neuen Selbstverteidigungs-Doktrin stellt eine weitere Konsequenz des Prozesses des Erwachsenwerdens dar, den die Bundesrepublik auf allen Feldern durchlebt. Die Zeit nach 1989 hat uns nicht nur großen nationalen Gewinn gebracht, sondern eben auch neue Pflichten. Immer deutlicher wird, dass das Ausmaß unseres internationalen diplomatischen Einflusses, auf den wir so viel Wert legen, direkt proportional von unserer Hard-Power abhängt, also von Wirtschaftskraft und unseren militärischen Fähigkeiten zu Land, zu Wasser, in der Luft und in der neuen Waffengattung Cyber-War.

Eine solche Analyse ist gegenwärtig unbequem, außenpolitisch brisant, koalitionspolitisch prekär, politisch unkorrekt, finanziell folgenreich und wird deshalb beschwiegen. Aber geführt werden muss die Debatte dennoch in einem erwachsenen Deutschland, und für den Anstoß dazu muss man dem Politologen Hacke dankbar sein.

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