19. März 2024

Keiner müsste dürsten

Dass Menschen hungern und dürsten müssen, zählt zu den großen Ungerechtigkeiten unserer Zeit. Das Problem wiegt umso schwerer, als für alle genug da wäre – wenn man mit unseren Nahrungs- und Wasserressourcen nur ideenreich, sparsam und verantwortlich umginge.

Daran aber fehlt es. In Afrika und anderswo herrschen unfähige Regierungen, die eine verlässliche Infrastruktur nicht zustande bringen. Schlimmer noch: Viele sind korrupt, und sie haben das knappe Wasser als private Einnahmequelle entdeckt. Wer genug zahlen kann, bekommt Anschluss.

Dabei geht es nicht nur um das tägliche Quantum Trinkwasser, zwei oder drei Liter pro Kopf. Den größten Wasserdurst haben die Pflanzen, die zur Ernährung der Menschen oder die Erzeugung von Grünfutter für die Viehzucht aufgewendet werden. Für ein Kilo Rindfleisch werden 16 000 Liter Wasser verbraucht, für ein Kilo Weizen immerhin noch 800 Liter. 99 Prozent unserer Wasserressourcen werden von Pflanzen konsumiert. Oder, anders berechnet: Der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch an Wasser liegt – je nach Fleischhunger – bei 2500 bis 5000 Liter.

Würde man mit dem vorhandenen Wasser sorgfältig umgehen, ließe sich das Problem entschärfen. Gegenwärtig aber laufen 97 Prozent des Regenwassers ungenutzt in die Ozeane. Vorhandene Trinkwasserreserven werden oft durch mangelnde Infrastruktur verschmutzt und dadurch unbrauchbar. Errichtete Brunnenanlagen verfallen mangels Wartung. Beispiel Indien: Dort erzeugen die wichtigsten Städte täglich 38 Milliarden Liter Abwasser, aber nur 30 Prozent davon landen in einer geordneten Kanalisation – der Rest verschmutzt die Umwelt, insbesondere die Flüsse.

Gibt es Hoffnung? Ja, sie liegt vor allem in technologischen Entwicklungen, von denen man früher nur zu träumen wagte. So lassen sich effiziente Meerwasser-Entsalzungsanlagen in großem Stil betreiben, wie es sie bereits in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder in Saudi-Arabien gibt, aber beispielsweise auch auf der Nordseeinsel Helgoland, die ihr Trinkwasser aus einer solchen Anlage bezieht. Voraussetzung ist eine ausreichende Energiequelle: Pro Kubikmeter Wasser braucht man eine Kilowattstunde Strom. Wo also durch Wind oder Sonne ausreichend Strom erzeugt werden kann, sind solche Anlagen gut zu betreiben, über Pipelines ließe sich das Wasser weit transportieren.

Nimmt man alles zusammen: Wassersparsamkeit, intelligente Bewässerung, optimierte Regenwassernutzung, strukturiertes Abwasser-Management, Wasserfilterung und Meerwasser-Entsalzung: Die Welt hätte kein Wasserproblem mehr. Das Problem ist also nicht die Technik, sondern die Melange aus Unfähigkeit und Korruption, die weite Teile der Welt leider noch beherrscht.

Dauerempörte Politiker

Empörung, das spüren wir jeden Tag, ist die Währung, in der sich politische Haltung am schnellsten auszahlt. Empörung ist wütend, sie ist schrill – und findet so am schnellsten den Weg in die für Lautstärke aufnahmebereiten Medien. Sie ist leichter zitierbar als jede differenzierte Auseinandersetzung mit Geschehnissen. Und so haben auch jetzt die Empörten die Nachrichten dominiert, als Siemens aus nachvollziehbareen Gründen die Schließung von drei deutschen Werken im Bereich der Turbinen- und der Dynamofertigung ankündigte, weil sich die Sache nicht mehr lohnt. 3000 Arbeitnehmer verlieren dort ihre Jobs.

Wie tragisch das wirklich ist, muss sich erst erweisen. Denn es ist geradezu unternehmerische Pflicht, sich von Produkten zu trennen, die sich im internationalen Wettbewerb nicht mehr rechnen. Die Ursachen dafür liegen in unterschiedlichen Fertigungskosten, oft aber auch in politischen Entscheidungen, an denen nicht selten genau jene Politiker beteiligt waren, denen die Empörung im Gesicht geschrieben steht, wenn andere die Konsequenzen aus diesen Entscheidungen ziehen.

Wenn also der Ausstieg aus der Kernenergie verfügt wird, darf man sich nicht wundern, wenn die Produktion dieser Technologien beendet wird und die Fachkräfte arbeitslos werden. Wer den Kohleausstieg ankündigt, darf sich nicht über die Stilllegung von Kraftwerksfabriken beklagen. Wenn man die Löhne nach oben treibt – etwa den Mindestlohn – werden manche Fertigungen hierzulande einfach unprofitabel. Kurz: Solche Entscheidungen haben einen Preis, zu dem man als Politiker dann ebenso öffentlich stehen muss wie zu den Folgen des von allen gewollten internationalen Wettbewerbs.

Die andere Seite ist ja: Der Strukturwandel kreiert ständig neue Arbeitsplätze, auch für Entlassenen aus Görlitz, Erfurt und Berlin. Neue Technologien bieten große Zukunftschancen. Sie zu befördern ist vornehmste Aufgabe der Politik, vor allem durch eine exzellente und leistungsorientierte Schulpolitik (an der es in Teilen Deutschlands fehlt), hervorragend ausgestattete Universitäten (die Deutschlands leider nicht in ganzer Breite aufweisen kann) und eine innovative und finanziell kraftvolle Forschungspolitik (die auch verbesserungsbedürftig ist).

Der Ort eines Politikers ist also dort, wo er einen schnellen und chancenwahrenden Strukturwandel unterstützen kann – und nicht in den ersten Reihen der Protestmärsche gegen solche Unternehmen, die die notwendigen Folgen aus dem Strukturwandel ziehen.

Dass die meisten Journalisten wirtschaftssystem-kritisch sind, ist schlimm genug. Dass auch Politiker Eigentümer- und Auftragsunternehmer, Unternehmen und Konzerne für eher menschenfeindlich halten und sie diskreditieren, ist unverzeihlich. Denn nur die raschen Anpassungs-Entscheidungen unserer Wirtschaft sichern deren Wohlergehen und damit die Steuereinnahmen, mit denen unsere Politiker so gerne und ausgabenfreudig spielen.

E-Autos – nur mit asiatischen Batterien?

Die Energiewende – von allen Parteien politisch gewollt – ist aus nachvollziehbaren Gründen gut gemeint. Eine stromreiche Welt ohne Atom und Kohle und ohne fossile Brennstoffe – wer wollte das nicht? Zugleich aber ist dieser Energie-U-Turn schlecht gemacht. Es fehlen alternative Erzeugungskapazitäten und Überlandleitungen, und für eine Welt voller Elektroautos sind weder Infrastruktur noch ein interessanter Massenmarkt vorhanden. Vor allem aber sind wir von einer ausgereiften Technologie der Speichermedien, die ihre Produktion und einen Massenmarkt erst möglich machen, noch weit entfernt.

Die Schuld daran tragen wir selbst. Seit Jahrzehnten wissen wir um die Bedeutung von leistungsfähigen Energiespeichern. Wir haben daran geforscht, eher zaghaft – gebaut haben sie andere. Ob für Mobiltelefone oder Computer – die Lithium-Ionen-Speicher entstehen in Asien. In der Forschung übernahmen erst die Japaner, dann die Koreaner die Führung, sie bauten auch große Fertigungskapazitäten auf, bevor diese Technologie nun nach China weiterwanderte. Dort werden gegenwärtig viele Milliarden US-Dollar in Forschungs- und Fertigungskapazitäten investiert , um die aufkommende Elektromobilität zu ermöglichen. Das ist ein gewaltiges Geschäft, denn 40 Prozent der Kosten eines Elektrofahrzeuges entfallen auf die Batterie. Europa hat sich abhängen lassen.

Das Ziel Chinas ist klar: Über Menge und Preis wollen sie alle Konkurrenz vernichten. Groß ist diese Konkurrenz in Europa ohnehin nicht. Ob SAFT in Frankreich, Leclanché in der Schweiz oder EAS Batterien in Deutschland – sie alle erfahren nur schwache öffentliche Förderung in einem Moment, in dem sie solche Unterstützung dringend bräuchten, da der Massenmarkt, der Investitionen rentabel machen könnte, noch nicht sichtbar und politisch ganz ungenügend gefördert wird. Auch hier legen die Chinesen vor: Sie betreiben massive Industriepolitik und subventionieren Produkte der E-Mobilität mit bis zu 50 Prozent.

Die Europäische Kommission und auch die Bundesregierung sind demgegenüber geizig, langsam und bürokratisch. Deshalb wird es auch auf dem Markt der Massenspeicher so kommen wie schon bei der Mikrotechnologie, der Chipherstellung, den Mobiltelefonen, der Computerproduktion oder der Photovoltaik: Wir haben die Ideen, die anderen machen erfolgreiche Produkte daraus, in Asien oder auch in den USA.

Was tun? Notwendig ist ein entschiedenes Bekenntnis zur Industriepolitik in drei entscheidenden Zukunftsbereichen: der Digitalisierung aller Lebensbereiche, der Lithium-Ionen-Speichertechnologie und der zukunftswichtigen Brennstoffzellen, also der Wasserstoff-Technologie. Es gilt, Vorsorge zu treffen für das eigene wirtschaftliche Überleben.

Dass Europa Industriepolitik kann, hat der Aufbau des Airbus-Konzerns bewiesen. Sie kostete anfangs Subventionen, stellt heute aber einen unerlässlichen europäischen Wirtschaftsfaktor dar. Hätten die deutsche, die französische, die britische und die spanische Regierung damals versagt, stünden europäische Fluglinien heute einem Monopolanbieter gegenüber. Genau das gilt es in der Speichertechnologie und beim Wasserstoff zu verhindern. Im Energiebereich ist Industriepolitik Zukunftssicherung.

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