19. März 2024

Umweltpolitik als Systemfrage

Die Grünen, insgesamt auf dem absteigenden Ast, haben sich in diesem Wahlkampf an einem Thema festgebissen, das ihnen an der Urne die Rettung bringen soll: dem Verbrennungsmotor. Ganz plötzlich steht er als Umwelt-Sündenbock da, alle umweltpolitische Wut, zu der die Grünen in der Lage sind, konzentrieren sie auf ihn.

Tatsächlich aber handelt es sich beim Verbrennungsmotor – wie es der Karlsruher Maschinenbau-Professor Thomas Koch jetzt in einem Interview ausgedrückt hat – um die „anspruchsvollste Maschine der Welt“, und sie werde noch viele Jahrzehnte gebraucht. Denn auf absehbare Zeit wird keine Alternative zu ihm möglich sein, wenn es um starke Einsätze geht: Ein Wohnwagen beispielsweise lässt sich mit einem E-Motor nicht weit ziehen, alle Einsätze mit großer Kraft, im Gelände und anderswo, sind ohne Verbrennungsmotor nicht denkbar. Alle Fachleute aller Parteien wissen das, und dennoch lassen ideologiebesessene Umweltpolitiker das Volk in seiner physikalischen Ahnungslosigkeit, statt ihm reinen Wein einzuschenken, der da heißt: Ohne Verbrennungsmotor geht es nicht.

Ohne CO2, ohne Stickoxide und Ruß allerdings schon, und so sieht die differenzierte Wahrheit aus: Es ist ein Verbrennungsmotor vorstellbar, der die Vorzüge behält, aber zugleich umweltpolitisch nachhaltig und schadstofffrei arbeitet. Daran muss man arbeiten, die Technologie also verbessern, statt sie in Bausch und Bogen zu kriminalisieren. Da das aber geschieht, folgert der Karlsruher Professor zu Recht: „Es gibt kein anderes Land, in dem der eigene Wohlstand mit so viel Hass und Ideologie torpediert wird“, die „verlogene Diskussion“ gleiche einer „regelrechten Selbstzerfleischung“.

Tatsächlich muss man fragen: Wer hat ein Interesse daran, auf diese Weise dem Standort Deutschland, seiner Spitzentechnologie, seinen Arbeitnehmern so massiv zu schaden? Sind es die Konkurrenten im Ausland, die uns die Spitzenstellung neiden? Sind es Ideologen, die das Wirtschaftssystem und seine Freiheiten ablehnen? Wer bei den Grünen hat welche Absichten? Man kennt sich in dieser Partei nicht aus. Da gibt es Menschen mit Vernunft wie den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann oder den Nord-Grünen Robert Habeck, aber eben auch umweltpolitische und wirtschaftsfeindliche gleichsam stalinistische Figuren wie die Thüringer Umweltministerin Anja Siegesmund, die jedes Gespräch mit der Wirtschaft ablehnt.

Es ist Zeit, dass den Menschen in Deutschland die tatsächlichen Hintergründe klar werden. Die umweltpolitische Diskussion hat längst nicht mehr einen vernünftigen Umweltschutz zum Ziel, sie zielt auf das System und damit auf unseren Wohlstand, unsere Arbeitsplätze, unsere Freiheit. Die muss erhalten werden. Da ist es gut, dass sich jetzt auch die Wissenschaft zu Wort meldet.

Gegen die Feinde der offenen Gesellschaft

Wahlkämpfe, so erinnern wir uns, fanden Ihre Spannung früher in Themen der Sozial- und Wirtschaftspolitik. Gegenwärtig aber geht es Deutschland blendend, das Land eilt von einem Export-Rekord zum nächsten, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Löhne sind hoch. Diese Leerstelle nutzen rechte Parteien, Themen wieder hoffähig zu machen, von denen wir glaubten, sie gehörten der Vergangenheit an: Nationalismus, Rassismus, Intoleranz. Alte Blut- und Bodenideologien werden hervorgeholt, und mit ihnen die Instrumente der Propaganda der Nazizeit: wer anderer Meinung ist, wird niedergebrüllt.

Diese finsterste Seite Deutschlands erlebt die Bundeskanzlerin gegenwärtig bei beinahe jedem ihrer Wahlkampfauftritte im Osten Deutschlands und auch manchen im Westen. Das zeigt: Durch Deutschland geht ein Riss, die Anfälligkeit für Rechtsextremismus, Fremden- und Europafeindlichkeit ist in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ungleich größer als im Westen. Damit einher geht eine Intoleranz, die Andersdenkenden mit Trillerpfeifen, Vuvuzelas, mit Lärm und Schmähungen, mit Herabsetzungen und physischer Verfolgung den Mund verbieten will.

Was dieser Tage beispielsweise in Finsterwalde oder Bitterfeld passierte, darf nicht einfach hingenommen werden. Wer die Versammlungsfreiheit durch organisierte Tumulte stört und Kundgebungen unmöglich macht, der begeht einen Anschlag auf die Demokratie. Wenn die Polizei vor Ort schulterzuckend erklärt, sie sei da machtlos, setzt sie sich dem Verdacht heimlicher Sympathie mit den Rechtsradikalen aus.

Sie muss vielmehr hart und entschieden durchgreifen. Die Extremisten haben sich, zuletzt wieder nach den für sie weitgehend folgenlosen G 20-Krawallen, daran gewöhnt, dass der Staat ihre rechtsfreien Räume nicht schließt. Was man ihnen in Hamburg mit der Roten Flora, in Berlin am Görlitzer Park oder in der Rigaer Straße durchgehen lässt, das nehmen sie auch in Finsterwalde und anderswo für sich in Anspruch. Sie wissen: der Staat ist zu schwach, die demokratischen Kräfte zu uneins, als dass sie etwas zu fürchten hätten.

Ein auf Toleranz und Freiheit gebauter Staat braucht aber harte Intoleranz gegen jene, die Toleranz und Demokratie abschaffen wollen – die Feinde der offenen Gesellschaft. An dieser notwendigen Entschiedenheit fehlt es. Zu den größten Aufgaben der nächsten Jahre wird deshalb die Verständigung darüber zählen, wie es mit unserer Demokratie weitergehen soll. Sie ist in hohem Maße gefährdet.

Sedierter Wahlkampf

Wahlkampf in Deutschland – und keiner geht hin? Ganz so ist es nicht: Wo immer Angela Merkel auftritt, sind die Kundgebungen voll. Die Leute hören zu, Protest gibt es kaum (und wenn, dann nur im Osten Deutschlands). Aber es ist eine ruhige Kampagne, eine, die beinahe unter der öffentlichen Wahrnehmungsschwelle liegt. Das wundert Wahlbeobachter, und selbst die New York Times, die deutsche Vorgänge eher als Randnotiz wahrnimmt, titelte dieser Tage: „Der deutsche Wahlkampf ist ruhig – zu ruhig“.

Diese Ruhe hat vor allem einen Grund: Die Wirtschaftslage in der Bundesrepublik. Wer einen ordentlich bezahlten Arbeitsplatz hat, der kommt nicht in Wechselstimmung, in Revolutionsstimmung schon gar nicht. Er neigt dazu, die bestehende Lage verlängern zu wollen, das von der SPD so hingebungsvoll aufgerufene Thema „Gerechtigkeit“ tangiert ihn nicht. Selbst eingefleischte Sozialdemokraten finden deshalb, es wäre nicht das Schlechteste, wenn Angela Merkel weiter Kanzlerin bliebe. Und so sagen die Demoskopen bei den Bundestagswahlen, die in vier Wochen stattfinden werden, einen klaren Sieg der Union voraus.

Der zweite Grund liegt im Zustand der SPD: Sie verliert zunehmend die klassische Stammwählerschaft aus Arbeiterschichten. Aus Arbeitern sind oft anspruchsvoll qualifizierte Arbeitnehmer geworden, und die zieht es nicht mehr selbstverständlich zur SPD, weil auch sie über Eigentum verfügen und sich der bürgerlichen Mittelschicht zurechnen.

Hinzu kommt, dass es sich die SPD-Minister der gegenwärtigen Großen Koalition im Kabinett gut eingerichtet haben. Und sie wissen: Eine nächste Bundesregierung unter SPD-Führung wird es nicht geben, also wäre für sie das Angenehmste, es käme wieder eine große Koalition heraus unter gleichzeitiger Arbeitsplatzgarantie. Außenminister Gabriel, Sozialministerin Nahles, Familienministerin Barley – sie alle würden gerne weitermachen im Amt. Daraus erwächst eine gewisse politische Beißhemmung gegenüber der Bundeskanzlerin, die noch dadurch verstärkt wird, dass alle wesentlichen politischen Projekte der vergangenen Jahre von der SPD in dieser Koalition mitbeschlossen worden sind.

Diese Ruhe eines Wahlkampfes kann man nicht ohne Sorge sehen. Denn es gibt genug für die Zukunft Deutschlands entscheidende Themen, die eigentlich Gegenstand der Wahlkampfdebatten sein müssten. Diese Themen wären etwa: Wie geht es weiter mit der Migrationspolitik der deutschen Regierung? Wie soll die Integration gelingen? Wie sieht die Zukunft der deutschen Autoindustrie aus, die gegenwärtig auch durch regierungseigenes Zutun in Frage gestellt wird? Schaffen wir den Anschluss an die digitale Welt? Auch außenpolitisch sind alle Fragen offen: Das deutsch-amerikanische Verhältnis belastet, das deutsch-russische noch mehr, die Rolle Deutschlands in Europa ungeklärt, die Zukunft der Europäischen Union verschwommen. Hinzu kommen Unsicherheiten in der Wirtschafts-, in der Finanz- und der Infrastrukturpolitik, von der Energiewende ganz zu schweigen.

Die Deutschen aber sind der Hoffnung erlegen, das alles werde sich mit einer ruhigen Regierungshand, wie Angela Merkel sie führt, schon zum Guten wenden. Das allein wird nicht reichen, wenn nicht die ganze Gesellschaft die Größe der Herausforderungen begreift und die Maßnahmen und Unsicherheiten mitträgt.

Der ehemalige Bundespräsident Herzog würde gesagt haben: Durch die Gesellschaft muss ein Ruck gehen. Darauf wartet man gegenwärtig noch, die Wirtschaftslage und immer neue Ausfuhrrekorde haben eine sedierende Wirkung. Vielleicht erwacht die Debatte, wenn der Wahltag vorbei ist. Notwendig jedenfalls ist sie.

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