19. März 2024

Flüchtlinge, grenzenlos

Es ist ein einfacher Satz, den der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Udo di Fabio, eben in einem Gutachten für die Bayerische Staatsregierung aufgeschrieben hat: „Das Grundgesetz setzt die Beherrschbarkeit der Staatsgrenzen und die Kontrolle über die auf dem Staatsgebiet befindlichen Personen voraus.“

Beides ist nicht mehr gegeben. Weder lässt sich bei einer Mehrheit der Flüchtlinge, die täglich ins Land strömen, feststellen, wer sie wirklich sind und woher sie kommen. Noch weiß man, wo sich die Mehrzahl derjenigen aufhält, die schon in Deutschland sind. Das ist (bei einer Million aufgenommener Migranten allein 2015) eine Katastrophe.

Es handelt sich um einen unerhörten Kontrollverlust, einen Zusammenbruch staatlicher Souveränität und des staatlichen Sicherheitsversprechens an seine Bürger. Mit mangelnder Menschlichkeit oder gar Ausländerfeindlichkeit hat es nicht zu tun, wenn die Mehrzahl der Deutschen (und auch der Unions-Anhänger) dies nicht länger hinnehmen will.

Dafür gibt es gute Gründe. Zum einen macht die Aufnahme von Migranten nur Sinn, wenn eine vernünftige Integration garantiert werden kann. Das ist ohnehin jetzt schon eine nicht zu bewältigende Aufgabe, da die Migranten zu großen Teilen aus anderen Sprach- und Kulturkreisen kommen und entsprechend ausgebildetes pädagogisches Personal gar nicht zur Verfügung steht. Zum anderen bedeuten jene, die sich innerhalb unseres Landes staatlicher Registrierung und damit der Integration entziehen, ein Sicherheitsrisiko, das auch schon sichtbar geworden ist. Und schließlich besteht eine offen zugegebene Unfähigkeit der Behörden, abgelehnte Asylbewerber wieder in ihre Herkunftsländer zurückzuführen.

Kein Wunder, dass sich die CDU-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, dem Abwärtssog ihrer Partei zu entziehen sucht. Ihre Forderung nach täglichen Flüchtlings-Höchstzahlen ist eine Absage an Frau Merkels grenzenlose Flüchtlingspolitik. Der Vorschlag Klöckners verlagert den Migrationsdruck auf Österreich, das ihn wiederum nach Süden weitergeben wird, immer entlang der Balkanroute. Am Ende steht Griechenland, das offenkundig mit der Sicherung der EU-Außengrenze überfordert ist, weshalb Österreichs Überlegung, Griechenland aus dem Schengen-Raum herauszunehmen, nicht von der Hand zu weisen ist. Mazedonien hat deshalb seine Grenzen nun geschlossen.

Klar ist auch: Die Flüchtlinge, die jetzt kommen, suchen in großer Mehrheit ein wirtschaftlich besseres Leben. Deutschland allein kann das all jenen in der Welt, die wirtschaftlich nicht so gut gestellt sind, nicht bieten. Selbst eine EU-Lösung garantierte das nicht.

Deshalb bleibt nur: Die Grenzen hart sichern und nur, aber selbstverständlich jene, genau kontrolliert, hereinlassen, die in ihren Herkunftsländern um ihr Leben fürchten müssen oder die nach den Maßstäben einer geregelten Einwanderungspolitik für Deutschland von Nutzen sind. Andere westliche Länder machen das genau so, und so sieht es auch das Bundesrecht vor, und das Völkerrecht widerspricht dem nicht.

Daran muss sich auch die Regierung in Berlin halten. Durch ein Wort der Kanzlerin allein jedenfalls kann dieses Recht nicht geändert werden.

Mein Freund, der „grüne Klaus“

Es gibt glückliche Menschen, die dürfen ihre innersten Neigungen zum Beruf machen. Einer von ihnen war mein Freund Klaus Deckert. Wenn man mit ihm, dem Garten- und Landschaftsarchitekten, über Bäume und Pflanzen sprach, dann rührte man an ein schier unerschöpfliches Wissen, das er sich in Studien, in Reisen und durch seine Erfahrung angesammelt hatte. Zuletzt war er der Gartenbaudirektor von Hamburg, also der Chef aller Parks und Friedhöfe – und von beidem hat Hamburg nicht wenige.

Klaus war nicht so sehr Freund der zum Prunk neigenden französischen Gärten mit ihren logischen Symmetrien, ihren Alleen und Wasserfontänen. Er liebte beiläufig- effektvoll gestaltete Gärten, die sich in die weite Natur öffneten. Es kam ihm auf die Kulisse an: Auf milden Vordergrund, eine Mittelszene und eine eher dramatischen Horizont. In seinen Landschaften sollte mit weitem Blick Meditation möglich sein, so wie einst in den alten chinesischen Gärten und Parks oder denen der römischen Antike. Und wer heute den schönen Hamburger Friedhof Ohlsdorf besucht oder den Jenisch-Park an der Elbe, der findet Deckerts Nachwirkungen.

Auch die englischen Parks und Gärten beeindruckten ihn, die im 18. Jahrhundert überall auf der Insel in Szene gesetzt wurden und dort, wo englischer Einfluss erwünscht war, auch auf dem Kontinent. Es ist zehn Jahre her, da animierte Klaus seinen Freundeskreis, mit ihm einmal nach Muskau zu fahren, in die Lausitz direkt an die polnische Grenze, ins Gartenreich des Fürsten Pückler. Der „grüne Fürst“ war nicht nur völlig verrückt nach seiner nubischen Freundin, die für die adlige Gesellschaft seiner Zeit besonders gewöhnungsbedürftig war, sondern vor allem nach mit großem Bedacht inszenierte Parklandschaften, England als Vorbild.

Er setze enorme Summen ein, um den weitläufigen Park von Schloss Muskau zu einer herrlichen Kulisse mit Grünflächen, Büschen und Bäumen aller Provenienz zu machen, mit Wasserläufen, Brücken und akzentsetzenden kleinen Gartenpavillons. Darüber ging er Pleite, ein „grüner Bankrott“ sozusagen. Freilich gab er nicht auf, verkleinerte seinen Lebensstil und unternahm, samt seiner Nubierin, einen neuen Anlauf im Park von Schloss Branitz in Cottbus, wo er auch begraben liegt (stilvoll in einer Pyramide mitten in einem kleinen See). Der weiteste Weg lohnt sich, diese beiden Parks anzuschauen, und vielleicht auf dem Wege noch den Park in Wörlitz – ein Unesco-Weltkulturerbe – „mitzunehmen“.

Auch in meinem Garten hat Klaus Deckert sich verewigt. Eines Tages brachte er mir einen Gartenplan. Darin hatte er seine Ideen niedergelegt, wie man aus unserer kleinen, von Obstbäumen umrandeten Wiese einen anmutigen Kulissen-Garten machen könnte: Ein Rosenrondell als Unterbrechung links, einen kleinen Pavillon dahinter, der neue Perspektiven im Blick auf Garten und Haus ermöglicht, eine neue Gruppierung von Stauden, Büschen, Bäumen, die gärtnerisch gestaltete Öffnung des Gartens zum Dorf hin. Das setzen wir um. Mein Freund, der „grüne Klaus“, kann das nicht mehr sehen. Er liegt in Ohlsdorf begraben, „seinem“ Park.

(Erschienen in Christ und Welt, 5.1.2016)

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