26. April 2024

Barmherzigkeit

Unter den Festen, die die katholische Kirche kennt, hat das selten wiederkehrende „Heilige Jahr“ eine herausgehobene Stellung. Es ist ein Appell des Papstes an die ganze katholische Christenheit, sich das jeweilige Thema zu ihrem Herzensanliegen zu machen, es sich mit vielerlei Aktivitäten und liturgischen Formen über ein ganzes Jahr intensiv zu vergegenwärtigen. Das Thema dieses Heiligen Jahres, das nun begann, ist die Barmherzigkeit. Millionen Pilger werden nach Rom kommen, um in den nächsten zwölf Monaten für solche Barmherzigkeit Zeugnis abzulegen und den Papst in diesem Anliegen zu unterstützen.

Barmherzigkeit – die Abkehr vom griechischen Menschenbild der Wohlgeratenheit und der Perfektion, in dem Arme und Kranke abgesondert und die einen die Herren, die anderen die Knechte und Sklaven waren, ist ein Verdienst des Christentums. Das möchte der Papst unterstreichen.

Das Christentum hob solche soziale Schranken auf, definierte ein Menschenbild, in dem jedem die gleiche Würde zukommt. Im Innern wuchs daraus der Gedanke der Gemeinde und im Äußeren die Idee einer einzigen Menschheit, in der Brüderlichkeit herrschen sollte statt Haß.

Dieser Gedanken der jedem zukommenden Menschenwürde ermöglichte ein – anfangs vor allem auf Klöstern beruhendes – Armen- und Erziehungswesen und letztlich den moderne Rechts- und Sozialstaat, der menschliche Entfaltung grundlegend sichert. Es ist gut, diesen bedeutenden Verdienst des Christentums nicht zu vergessen.

Für Papst Franziskus ist solche brüderliche Barmherzigkeit der wesentliche Kern des Christentums. „Es ist wichtig, dass die Gläubigen sie leben und in alle Gesellschaftsbereiche hineintragen – vorwärts!“, rief er Anfang 2015, als er das Heilige Jahr zu diesem seinem Herzensthema ankündigte. Und: „Wie sehr möchte ich, dass die Orte, an denen sich Kirche zeigt – unsere Gemeinden und besonders unsere Gemeinschaften -, zu Inseln der Barmherzigkeit im Meer der Gleichgültigkeit werden.“

Dieses „Heilige Jahr“ soll auch einen Aufbruch signalisieren in einer Zeit, in der durch die weltweiten Migrationsbewegungen die barmherzige Nächstenliebe besonders gefordert ist. Der „Nächste“, also auch ein Flüchtling, könnte keine Solidarität mehr erwarten, sähe man in ihm nur noch den den Fremden, den Konkurrenten, den Feind. So ist es – für Christen und Nichtchristen – gut, sich der Barmherzigkeit stärker zu erinnern und sie zu leben. Sie macht auch unseren inneren Frieden aus.

Klare Ansagen fehlen

Von dieser Seite hatte die Kanzlerin keinen Gegenwind erwartet: EU-Ratspräsident Donald Tusk – ein besonnener Mann, der sein Amt durch direkte Unterstützung der Bundeskanzlerin erhielt – hat sich gegen die großzügige Flüchtlingspolitik Deutschlands gewendet. Dieser Flüchtlingsstrom sei „zu groß, um ihn nicht zu stoppen“, niemand in Europa sei bereit, „diese hohen Zahlen aufzunehmen, Deutschland eingeschlossen“. Die hohen Migrantenzahlen stellten ein Sicherheitsrisiko dar, das mit der gegenwärtigen Praxis nicht kontrolliert werden könne.

Tusk hat mit dieser Offensive einer realistischen Einschätzung Ausdruck gegeben, die mittlerweile in allen Ländern der EU vorherrscht. Wenn ein Fingerabdruck reicht, um die die EU zu gelangen, impliziert das eine Bankrotterklärung nationalen und europäischen Grenzregimes mit dem Import von Sicherheitsrisiken, deren ganzes Ausmaß erst in einigen Jahren sichtbar werden wird. Notwendig ist deshalb eine rigide Einwanderungspolitik, die den Willkommens-Stempel nicht in Deutschland, sondern außerhalb der europäischen Außengrenzen erteilt.

In Deutschland steigt die Unruhe ebenfalls. Die Fragen lauten: Wieso sollen deutsche Soldaten in Syrien oder Afghanistan für Frieden sorgen, während die jungen Männer von dort nach Deutschland auswandern? Warum ist ihnen nicht zumutbar, was deutsche Soldaten auf sich nehmen? Warum kommen Migranten auch aus jenen Teilen Syriens zu uns, die vom Krieg nicht direkt berührt sind? Wieso flüchten afghanische Kriegsbetroffene aus dem Norden des Landes nicht in die ruhigen Landesteile, sondern nach Europa?

Angela Merkel hat sich für begrenzende Maßnahmen eingesetzt. Sie hat den militärischen Kampf gegen die Kriegsursachen in Syrien auch zur Sache Deutschlands gemacht. Sie hat dem türkischen Präsidenten, dessen Freiheitsvorstellungen so gar nicht die ihren sind, Konzessionen angeboten, um ihn zur Erweiterung der dortigen Flüchtlingslager zu bewegen. Sie hat einen (nun scheiternden) Beschluss erwirkt, die Flüchtlinge in Europa zu verteilen.

Noch immer aber fehlen klare Ansagen: Wer aus Afghanistan Asyl beantragt, wird zurückgeschickt. Wer aus Syrien kommt, hat nur zeitlich begrenztes Aufenthaltsrecht, und dies nur dann, wenn er aus Kriegsgebieten stammt. Familiennachzug gibt es in den ersten drei Jahren nicht, jedenfalls nicht, bevor über das Bleiberecht endgültig entschieden ist.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière ist einer der wenigen, der hier luziden Verstand zeigt. Ihm fehlt aber entschiedene rhetorische und sachliche Unterstützung sowohl durch die Kanzlerin als auch vom Koalitionspartner. Die SPD torpediert den Koalitionskompromiss in dieser Sache noch immer, SPD-geführte Ländern verweigern die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in hohen Zahlen. Dieser Zwist ist ein riskantes Verhalten, das der extremen Rechten in Deutschland in die Hände spielt.

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