19. März 2024

Warum es die FDP braucht. Brief an den FDP-Chef

Lieber Herr Rösler,

Sie betteln um meine Zweitstimme. Den Plakatwänden, den Zeitungsanzeigen, den Wurfsendungen, den Talkshows entnehme ich ein erhebliches Maß an Angst der FDP vor dem politischen Tod.

Ich muss gestehen: Einen Bundestag ohne Freidemokraten kann ich mir nicht vorstellen. Ich bin alt genug, mich ihrer großen Politiker zu erinnern: Theodor Heuss, Thomas Dehler, Reinhold Maier, Erich Mende, Walter Scheel , Hans-Dietrich Genscher. Mein ordnungspolitisches Denken hat auch Otto Graf Lambsdorff geprägt, der die Bedeutung individueller und unternehmerischer Freiheit rhetorisch brillant illustrieren konnte und dabei nie den sozialen Ausgleichs als Stabilisierungsgarant der Freiheitsidee vergaß.

Die Freidemokraten waren stets die Kraft gegen die Überheblichkeit des Staates; gegen ein Übermaß staatlichen Reglements; gegen die Gier der Steuerkrake.  Es war die FDP, die den Bürger anhielt, nicht alle Wohltaten und Risikoübernahmen vom Staat zu erwarten, sondern sich selbst zu mühen; die Freiheit verstand als Chance zum Sieg, aber auch als Möglichkeit zur Niederlage, die dann selbstverantwortet getragen werden muss.

Geschätzt habe ich auch eine FDP, die das informationelle Selbstbestimmungsrecht nicht nur als Lippenbekenntnis vor sich hertrug, sondern die es bei Post, Telefon und Internet auch dann schützen wollte, wenn als Preis ein erhöhtes Sicherheitsrisiko zu zahlen war. Nur der totalitäre Staat garantiert die höchste Sicherheitsstufe, aber auf Kosten der Freiheit. Mit ihren Rechtspolitikern Maihofer, Baum hat die FDP für diese Freiheit gekämpft.

Was ist aus all dem geworden? Die Belastung durch Steuern und Abgaben aller Art steigt weiter. Die Reglementierungswut der Parlamente und Behörden nimmt mit jeder Legislaturperiode zu. Die Freiheitsspielräume werden enger und enger, die Parteien nähern sich in ihrem lähmenden Zugriff auf den Bürger und die Unternehmen einander an. Leitbild ist – von links bis rechts – ein Bürger, der unfähig ist, für sich selbst Verantwortung zu tragen. Der geschützt werden muss vor den Folgen seines Tuns. Den man mit Spähprogrammen,  Kameras und  Auskunftspflichten züchtigt, sich vom Pfad staatlich definierter Tugend nicht zu entfernen. Dessen Kinder man, mit eben jenem Ziel, in den pädagogischen Griff ideologisierter Lehrpläne nimmt, in Kindergärten, Krippen und Schulen.

Die Bilanz ihrer letzten Regierungsjahre zeigt leider einen geringen liberalen Ertrag. Sie haben wenig bewirkt, sich gegen die CDU nicht durchsetzen können. Die Stimme der individuellen Freiheit ist schwach geworden in Deutschland in einem Moment, in dem sie wichtiger wäre denn je.

Würde das in der kommenden Legislaturperiode mit einer regierenden FDP anders? Würden Sie Freiheitsräume zurückholen, Steuern und Staatsausgaben senken, die Regelungswut mindern, den Bürger wieder in seinen stolzen Status als Souverän zurückführen?

Das wäre die Zweistimme für die FDP wert. Ich habe – bei Ansicht des Personals – Zweifel. Leider.

Ihr

Michael Rutz

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