19. März 2024

Ein Interview mit der Kanzlerin, 24

Liebe Frau Merkel,

heute ist ihr Urlaub zu Ende. Hoffentlich hatte er diesen Namen verdient, denn an Unterbrechungen war gewiss kein Mangel. Die Süddeutsche Zeitung hat sie damit unterhalten, Ihnen die je eine Frage von ein paar Dutzend „Prominenten“ zu schicken. Mein Gott, was müssen diese Menschen gegrübelt haben: Welche eine, einzigartige Frage stelle ich nur der Kanzlerin? Roger Willemsen hat die Frage erhirnt, welches Doppelleben Sie zu führen wünschten, Reinhold Beckmann war neugierig auf Ihre Würdigung von Hannelore Kraft, Boris Becker forschte nach der Liste ihrer liebsten Dinnerparty-Gäste, und so weiter.

Da Sie jetzt wieder im Kreise ihres Lieblinkskabinetts sind, spüren Sie die harte Politik. Die Kolleginnen und Kollegen haben Vorarbeit geleistet. Ich habe dazu ein paar Fragen an Sie (und damit Sie nicht so viel Arbeit haben, liefere ich die Antworten gleich mit):

Die Herren Schäuble, Seehofer, Brüderle und Gabriel wünschen sich größtkoalitionär eine Volksabstimmung über Europa. Macht das Sinn?

Merkel: Nein. Wir haben eine repräsentative Demokratie und dürfen die Parlamente nicht entwerten. 2013 sind Wahlen. Da kann jeder über das Europa-Programm der Parteien abstimmen.

Welches Europa wollen Sie?

Merkel: Am Ende die Vereinigten Staaten von Europa als einer Wettbewerbs-Föderation starker Vaterländer. Die zentralen  Politikfunktionen wie Währungs- und Fiskalpolitik, Wettbewerbspolitik, Verteidigung, Außenpolitik werden in Brüssel und im Europaparlament entschieden, alles andere auf nationaler Ebene in den nationalen Parlamenten.

Frau von der Leyen will in einer Art Sommer-Coup eine Mindestrente von 850 Euro einführen. Ist das eine gute Idee?

Merkel: So nicht. Man kann diejenigen, die sich 850 Euro Rente erarbeitet haben, nicht dadurch düpieren, dass man anderen, die das nicht taten, von Staats wegen dasselbe gibt. Die gute Idee im Vorschlag Frau von der Leyens ist die hohe Anrechnung von Kindererziehungszeiten.

Frau Schröder freut sich gerade darüber, dass ihre Kita-Politik zum Erfolg wird: Die Bundesmittel fließen endlich ab.

Merkel: Frau Schröder macht überhaupt eine tolle Arbeit. Manche im Kabinett sind gewichtiger in ihrer Rhetorik als in ihrem Handeln. Bei Frau Schröder ist das umgekehrt.

Ihr Innenminister musste jetzt gestehen, dass er sich für die 132 Millionen Euro olympischer Sportförderung des Bundes 86 Medaillen versprochen hat. Stattdessen waren es in London sind es nur 44. Soll man die Fördermittel kürzen?

Merkel: Nein. Spitzensport hat Vorbildfunktion, macht die Menschen stolz. Vielleicht muss man eher mehr Geld in die Hand nehmen und die Spitzensportler finanziell besser stellen, dass sie sich die intensive Trainingszeit auch finanziell leisten können.

Man traut sich kaum zu fragen: Wie geht es mit dem Euro weiter?

Merkel: Gut. Auf dem Wege dahin werden wir jene finanzielle Solidarität in Europa zeigen, die in der Bundesrepublik früher zum Beispiel Bayern bekommen hat.

Für das Interview bedankt sich

Ihr

Michael Rutz

(veröffentlicht in ZEIT/Christ und Welt am 15. August 2012)

 

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